Conny Schwarz

BEZIEHUNGSWEISE TÖDLICH


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Brüllaffen“ verwandelt. Egoistisch, unsensibel, prollig.

      „Na da kann man ja wirklich nur gratulieren, dass du diesen Affen endlich los bist. Prost!“

      Nach dem Anstoßen blinzelte Ines in die Nachmittagssonne, kramte in Gedanken in ihrer Tiefkühltruhe und fand immerhin eine Tüte Pommes fürs Abendbrot. Zufrieden registrierte sie einen wohligen Schwips. Damit hatte sich der Spielplatz also auch erledigt. Die armen Gören würden nun weder gesundes Essen noch frische Luft bekommen. Egal! Für den nächsten Tag war schließlich ein Picknick am See geplant. Mit selbstgemachten Bouletten und Salaten würden sie auf einer Decke am Wasser sitzen und den ganzen Tag saubere Waldluft inhalieren.

      „Und was machst du jetzt mit deiner neuen Freiheit?“, erkundigte sich Ines, die den Verdacht nicht loswurde, dass es bereits einen neuen Mann im Leben ihrer Freundin gab. Was zumindest deren ausgelassene Stimmung erklären würde.

      „Ich werde mir endlich einen Traum erfüllen“, sagte Tanja theatralisch, „und nach Kapstadt gehen.“

      „Kapstadt“, wiederholte Ines, um sicher zu gehen, dass sie Tanja richtig verstanden hatte.

      „Genau, Kapstadt. Das war schon immer mein Traum.“

      „Aha“, staunte Ines, die von diesem Traum zum ersten Mal hörte. Doch was soll’s, als Single hatte man vermutlich Tausende attraktive Träume parat, während sie selbst, als Familienmutti, längst nicht mehr träumte, sondern bloß noch organisierte: Hier ein Picknick, dort den Pauschalurlaub. Mit offenem Mund lauschte Ines, wie Tanja mit glänzenden Augen vom „Spirit of Capetown“ schwärmte, der einen so in seinen Bann zog, dass man diese Stadt nicht mehr verlassen konnte, ohne seelischen Schaden zu nehmen.

      „Also komplett anders als bei Richie“, stellte Ines trocken fest und die Freundinnen lachten. Als der Sekt alle war, entdeckte Ines in ihren Vorräten zufällig eine Flasche südafrikanischen Rotwein, mit dem sich hervorragend auf diesen mysteriösen Spirit of Capetown anstoßen ließ. Das Klingen der Gläser verschmolz auf wundersame Weise mit den goldenen Strahlen der Abendsonne zu einem dieser Momente, wie es sie eigentlich nur in amerikanischen Kinofilmen gibt.

      Eine Stunde später, als Volker nach Hause kam, hing Ines auf dem Sofa im Wohnzimmer und döste vor sich hin, während Tanja, die Beine kokett übereinander geschlagen, auf dem Balkon saß und telefonierte. Im Badezimmer planschten die Kinder herum und kreischten dabei wie Motorsägen.

      „Was ist denn hier los?“

      Volkers Frage schreckte Ines auf und ließ sie vom Sofa rutschen. Überrascht blickte sie sich um, murmelte verschlafen „Tanja“ und zeigte auf den Balkon.

      „Aha“, erwiderte Volker, obwohl er Tanja längst durch die offene Balkontür entdeckt hatte. Und wenn nicht, hätte er es sowieso geahnt, brachten doch Tanjas Besuche zuverlässig Chaos ins Haus. Wie auch jetzt wieder: Seine Frau lag betrunken auf dem Sofa und die Kinder verursachten im Bad fröhlich einen Wasserschaden. Und so wunderte sich Volker auch nicht, als Ines ihm mit schwerer Zunge eröffnete, dass es zum Abendbrot alte Pommes geben würde und er, nach seinem wirklich harten Arbeitstag, noch in den Supermarkt gehen sollte, um was fürs Picknick einzukaufen.

      „Ich bin zu nix gekommen“, lallte Ines. „Wegen Tanja. Mit Richie ist es nämlich aus.“

      Volkers Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen, so dass er wild aussah wie ein Mongole.

      „He Doc, was geht?!“

      Vergnügt kam Tanja vom Balkon ins Zimmer getänzelt und umarmte Volker stürmisch, der stumm und starr wie eine Steinsäule mitten im Raum stand. Dann verabschiedete sie sich eilig von ihrer Freundin, denn sie hatte sich, zur Feier des Tages, noch mit Hannes auf einen Sex on the Beach verabredet.

      Sex on the Beach. Spirit of Capetown. Desigual.

      Wie verführerische Melodien aus einem fernen Universum klangen diese Worte noch lange in Ines‘ Ohren nach und übertönten sogar noch Volker, der ihr mit borstiger Stimme vorhielt, dass Tanja wirklich nicht aussehe, als würde sie dringend auch nur einen Tropfen Trost benötigen.

      „Hast du auch Gurken gekauft?“, fragte Ines und ließ ihren Blick übers Küchenregal mit den Vorräten schweifen, während sie mit beiden Händen ihre vor Schmerzen bebenden Schädelplatten zusammendrückte.

      „Schon eingepackt!“, antwortete Volker. „Nur Teller fehlen noch.“

      Schwerfällig wie eine alte Frau bückte sich Ines, kramte bunte Pappteller aus dem untersten Fach des Küchenschranks hervor und legte sie in die große grüne Plastikkiste, die bereits randvoll war mit Gemüse, Salaten und den Bouletten, die Volker am frühen Morgen gebraten hatte. Der Anblick des vielen Essens verursachte bei Ines einen leichten Würgereiz, den sie jedoch erfolgreich weglächelte. Das war sie Volker einfach schuldig, der sich am Vorabend ganz allein um das überschwemmte Bad, die Einkäufe fürs Picknick und um die Kinder hatte kümmern müssen. Entsprechend wütend war er gewesen. Frühmorgens im Bett aber hatten sie sich noch rasch versöhnt, aus rein pragmatischen Motiven, um dieses Picknick bloß nicht platzen zu lassen, auf das sich die ganze Familie schon die ganze Woche gefreut hatte.

      Ein flüchtiger Blick auf die Strandtasche mit den Badesachen erinnerte Ines daran, dass sie die Sonnencreme noch nicht eingepackt hatte. Doch als sie gerade ins Bad eilen wollte, um sie zu holen, klingelte das Telefon.

      Es war Sonja, die Ines aufgeregt fragte, ob sie nicht vielleicht wüsste, wo ihre Schwester stecken könnte. Um neun sei sie mit Tanja in deren Wohnung verabredet gewesen, doch sie würde weder die Tür öffnen, noch an ihr Handy gehen.

      Als Ines den Hörer auflegte, war ihr noch mulmiger als vorher.

      Ihre Freundin Tanja mochte ihrem Wesen nach zwar chaotisch sein, ihre Termine aber vergaß sie eigentlich nie. Außerdem fiel Ines der Grund für diese Verabredung wieder ein: Die schicken Designerstühle, die Tanja von ihrer Schwester bekommen sollte. Auf die hatte sie sich, offenbar noch nicht vom Spirit of Capetown besessen, vor ein paar Tagen noch riesig gefreut. Wieso also war sie nun nicht zu Hause?

      „Momentchen noch!“, rief Ines ihrem Mann entgegen, der gerade die Proviantkiste hochstemmte. „Ich rufe nur noch schnell Hannes an!“

      „Wieso denn das?“, fragte Volker verärgert. „Wir wollen doch jetzt los!“

      Ungeduldig lauschte Ines dem Freizeichen, das nicht enden wollte. Vermutlich schlief Hannes noch.

      Ines verstaute ihr Handy in der Handtasche. Und als sie schon zur Wohnungstür raus war, lief sie noch einmal zurück, um ihr altes Adressbuch zu holen, sicherheitshalber. Volker hockte derweil auf der Treppe im Hausflur und trommelte mit den Fingern einen Marsch gegen die Wohnungstür.

      Als ob es auf eine Minute ankäme!, dachte Ines zornig, als sie die ungeduldige Miene ihres Mannes erblickte. Dann aber besann sie sich, boxte ihm kameradschaftlich gegen die Schulter und lächelte ihn an, wenn auch ein wenig mitleidig. Im nächsten Moment liefen sie gemeinsam die Treppe hinunter, ihren lärmenden Kindern hinterher.

      Der smaragdgrüne kleine See lag versteckt zwischen hohen, knorrigen Bäumen. Ein Idyll, das Volker und Ines immer wieder magisch anzog. Jeder Vorschlag, mal einen anderen See zu erkunden, wurde jeweils vom andern abgelehnt. Wenn sich etwas bewährt hatte, wäre es doch dumm, ein Risiko einzugehen. Darin waren sich Ines und Volker völlig einig.

      Obwohl es bereits auf Mittag zuging, war die Badestelle fast noch leer. Es gab so viele lauschige Plätzchen zur Auswahl, dass sich Ines und Volker kaum entscheiden konnten, wo sie ihre Decken ausbreiten sollten. Sina und Max waren längst unten am Wasser und buddelten im braunen Sand. Als Ines die beiden Kinder mit ihrer zarten Haut in der prallen Sonne hocken sah, durchfuhr sie ein Schreck, spitz und scharf wie ihr Küchenmesser.

      „Es tut mir so leid“, jammerte sie und hielt Volkers Arm fest, als er sich gerade auf die Decke setzen wollte. „Ich hab die Sonnencreme vergessen!“

      Volker starrte auf die fast nackten Kinder.

      „An der Tanke gibt’s bestimmt welche