Bärbel Junker

Gang ohne Wiederkehr


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Roth schüttelte ebenso wie Markus Jansen den Kopf.

      Kommissar Heckert ging hinüber zu seinem Ermittlungsteam und fragte dort. Aber sie alle schüttelten den Kopf.

      „Wirklich niemand von euch?“, fragte Heckert noch einmal.

      „Das könnte dieser feudale Club auf der Reeperbahn sein“, meinte Stephan Fricke, ein junger Polizist, der unbemerkt hinzugekommen war und die Frage mitbekommen hatte, die sein Vorbild gestellt hatte. Denn Stephan Frickes Lebenstraum war, eines Tages zu Hauptkommissar Heckerts Team zu gehören. Ein Traum allerdings, der noch in weiter Ferne lag.

      Heckert drehte sich zu dem Polizisten um.

      „Kennen Sie diesen Club?“, wollte er wissen.

      Der junge Polizist wurde knallrot, als sich das allgemeine Interesse schlagartig auf ihn richtete.

      „Kennen ist zu viel gesagt, Herr Kommissar. Ich war nur einmal in dem Club, als ich bei einer Durchsuchung ausgeholfen habe“, brachte er verlegen hervor.

      „Es bestand damals der Verdacht der Zwangsprostitution. Der Laden wurde für einige Monate dicht gemacht. Danach fand er einen neuen Besitzer, der ihn in der heutigen Ausstattung für wohlhabende Besucher neu eröffnete“, erklärte Stephan.

      „Wissen Sie, wem der Club gehört?“

      „Einer Frau wie ich hörte, allerdings kann ich das nicht beschwören.“

      „Danke für die Auskunft. Dann werden wir uns dort wohl einmal umsehen müssen“, meinte Heckert.

      „Wir haben oben am Abhang Spuren gefunden“, sagte in diesem Moment Olaf Breitner von der Spurensicherung. „Da sind zumindest zwei Männer mit Hunden gewesen.“

      „Seht euch mal etwas weiter drinnen im Wald um. Könnte sein, dass Fasern, eventuell blutige, von ihrem Gewand an einem oder mehreren Büschen zu finden sind. Ich möchte auf jeden Fall wissen, ob sie wirklich im Wald gewesen ist“, bat Heckert.

      „Geht klar, Chef“, erwiderte Olaf Breitner, ein schmaler, blonder Mann mit großer Erfahrung. Er winkte einen Helfer heran und sie machten sich auf den Weg.

      „Von alleine ist sie jedenfalls nicht in den Fluss gesprungen, Markus. Ich stelle mir das folgendermaßen vor:

      Sie kommt aus dem Wald, verfolgt von einem Mann mit Hund. Sie bleibt verängstigt am Rand des Abhangs stehen. Der Hund springt sie an, verbeißt sich in ihrer Schulter, krallt sich an ihr fest und stürzt zusammen mit ihr den Abhang hinunter, wahrscheinlich ins Wasser. Dabei trifft sie so unglücklich auf das morsche Boot, dass sie sich das Genick bricht.“

      „So könnte es gewesen sein, Felix. Allerdings wirft das eine Flut von Fragen auf“, seufzte Kommissar Jansen.

      „Und welche?“

      „Das will ich dir gerne sagen:

      Frage 1: Warum ist sie mit einer Kutte bekleidet?

      Frage 2: Ist sie eine Nonne oder ist sie es nicht?

      Frage 3: Was machte sie im Dunkeln im Wald?

      Frage 4: Wurde sie verfolgt?

      Frage 5: Wenn ja, warum, von wem und von wo aus?

      Frage 6: Warum schnitzte sie sich den Namen eines Clubs ins Bein?

      Frage 7: Wer ist sie? Und wo wohnt sie?

      „Viele Fragen, in der Tat“, erwiderte Heckert.

      „Ja, und das sind wahrscheinlich noch lange nicht alle. Wer weiß, was da noch alles so zutage kommt“, seufzte Markus Jansen.

      Sein Freund und Chef hatte aufmerksam zugehört, denn natürlich beschäftigten Markus‘ Fragen auch ihn.

      „Da wir ja irgendwo anfangen müssen, schlage ich diesen Club Exquisit vor“, erwiderte Heckert.

      „Und an welche Uhrzeit hast du gedacht, Felix?“

      „Morgen Abend um einundzwanzig Uhr. Früher hat es keinen Sinn. Aber nicht offiziell, Markus. Wir sehen uns da erstmal inkognito um.“

      GNADENLOS

      „Es tut mir so leid, Chefin“, sagte Hanno Stegner niedergeschlagen. „Ich hab einfach nicht damit gerechnet, dass die Schlampe es so einfach wagt abzuhauen.“

      „Du hast es vermasselt, Hanno. Mir ist zu Ohren gekommen, dass die Leiche bereits gefunden wurde. Und ich frage mich nun, wieso hast du sie dann nicht finden können?“

      „Ich hab’s versucht, Chefin. Glauben Sie mir. Ich hab’s wirklich versucht. Ich bin am Wasser entlanggelaufen und hab nach der Leiche gesucht“, beteuerte Hanno.

      „Und anscheinend hat die Kleine irgendeine Spur hinterlassen“, sprach die Frau weiter ohne auf das Gestammel ihres Gegenübers einzugehen.

      Er hatte versagt, daran bestand für sie nicht der geringste Zweifel. Dass er sich jetzt herauszureden versuchte, das resultierte aus der Furcht vor der Bestrafung, die ihn erwartete.

      „Du hast versagt, Hanno. Hast dich von diesem kleinen Flittchen hereinlegen lassen. Ich bin von dir zutiefst enttäuscht, denn du hast nicht nur mich, sondern auch noch einen guten Kunden, einen Interessenten, vor den Kopf gestoßen, der uns eine Menge Geld eingebracht hätte. Jetzt verlangt er sein Geld zurück. Und außerdem hat er uns sehr zornig und sehr enttäuscht verlassen. Ich hatte Mühe ihn zu beruhigen und davon abzubringen, die bereits gezahlte Summe zurückzufordern. Zum Glück gelang es mir, ihn auf einen neuen Termin zu vertrösten.

      Wäre mir das nicht gelungen, hätte uns das eine Stange Geld gekostet. Von den anderen Möglichkeiten ganz zu schweigen.

      Ja, ich habe dein Versagen zwar ausgebügelt, aber einer Strafe wirst du nicht entgehen. Dazu hast du mich viel zu sehr verärgert. Dummheit und Unfähigkeit müssen bestraft werden, sonst reißen derartige Unsitten ein“, sagte die Chefin eiskalt.

      „Ich mache es wieder gut, Chefin, ganz bestimmt“, versicherte Hanno Stegner klitschnass vor Angst. Er fühlte sich wie in der Sauna, so sehr lief ihm der Schweiß den Rücken runter.

      Er fürchtete sich fast zu Tode.

      Denn seine elegante Chefin Johanna Bach sah zwar aus wie ein Engel mit ihren langen, blonden Haaren, dem fein geschnittenen Gesicht, den großen himmelblauen Augen und den schön geschwungenen Lippen.

      Sie hätte vielleicht auch als Model Erfolg haben können bei ihrem Aussehen, ihrer Größe und den grazilen Bewegungen. Aber sie hatte lieber eine andere, eine verbrecherische Laufbahn vorgezogen.

      Ja, Johanna Bach sah aus wie ein Engel, aber sie war ein TEUFEL!

      Und zwar einer von der allerschlimmsten Sorte.

      Sie war eiskalt, erbarmungslos, grausam und absolut geldorientiert. Mitleid war für sie ebenso ein Fremdwort wie Gnade, dass sie mit Schwäche gleichsetzte.

      Sie thronte zart und schön hinter ihrem rustikalen, überdimensionierten Schreibtisch und musterte den Mann ihr gegenüber so unerbittlich kalt und gleichgültig wie die Schlange das Kaninchen.

      „Du hast diese Vietnamesin nicht nur entkommen lassen, sondern auch noch die Aufmerksamkeit der Bullen auf unsere Organisation gelenkt. Du musstest doch wissen, dass du die Leiche auf gar keinen Fall dort lassen durftest. Jedem Anfänger wäre das klar gewesen.

      Aber nein, du setzt dich über diese Selbstverständlichkeit einfach hinweg. Also musst du auch die Folgen deiner Eigenmächtigkeit tragen.

      Du weißt doch, dass ich keine Versager in meiner Organisation dulde. Für Nichtskönner ist hier kein Platz“, sagte sie kalt.

      „Aber