Bärbel Junker

Gang ohne Wiederkehr


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die Dunkelheit, verlor sich manchmal im Funkeln der Sterne. Und doch wurde er schon wieder unruhig, fürchtete Schlimmes für sie, je weiter er sich von seinem Schützling entfernte.

      Er gab mehr Gas, um schneller an sein Ziel gelangen.

      Endlich tauchten in der Ferne Lichter auf. Wenig später lenkte er den Geländewagen vor den Eingang des Anwesens, dessen Mittelpunkt ein ehemaliges Kloster war.

      Er hielt an.

      Sergej sah zu dem Zwinger hinüber und dann auf den bewusstlosen Mann neben sich. Er lächelte verhalten.

      Weder mochte er diesen Mann, noch mochte er ihn nicht. Er war ihm völlig gleichgültig wie ihm fast alles gleichgültig war.

      Der Tod dieses Mannes war ein Auftrag.

      Nur ein Auftrag, mehr nicht.

      „Hast du alles zu meiner Zufriedenheit erledigt, Sergej?“, fragte Johanna Bach ihren Vertrauten, der gerade wieder zurückgekommen war.

      Sergej nickte.

      „Die Hunde?“

      Neuerliches Nicken.

      „Das wird allen eine Lehre sein mich besser nicht zu enttäuschen. Es war wieder einmal an der Zeit, ein Exempel zu statuieren“, sagte Johanna Bach zufrieden.

      „Du wirst mich niemals enttäuschen, nicht wahr, Sergej?“

      Der Stumme schüttelte vehement den Kopf.

      Johanna Bach lächelte. Dann wandte sie sich wieder den vor ihr liegenden Unterlagen zu.

      Sergej nahm wieder seinen obligatorischen Platz neben der Tür ein und wandte keinen Blick von ihr.

      BESUCH IM CLUB

      Hauptkommissar Heckert hatte seinen Kollegen und Freund Markus Jansen zu Hause abgeholt.

      Sehr zur Freude von Kevin, Markus Jansens fünfjährigen Sohn, der Heckerts heiß geliebtes Patenkind war. Er selbst hatte keine Kinder. Er war seit vier langen Jahren verwitwet und seine Frau Iris fehlte ihm noch immer genauso sehr wie am ersten Tag.

      Alles vorbei!

      Einige kleine tödliche Kugeln, verschossen in einer Bank, die Iris zusammen mit seinen Eltern aufgesucht hatte, töteten seine Lieben und zerstörten sein Lebensglück innerhalb weniger Sekunden.

      Alle die sich in der Bank befanden, starben an diesem grauenvollen Tag vor knapp vier Jahren. Alle, bis auf die Bankräuber, die das Massaker angerichtet hatten. Und alles nur deshalb, weil eine der Geiseln den Mund nicht halten konnte, als sie den Anführer der Bankräuber zufällig erkannte und beim Namen nannte.

      Eine völlig sinnlose Tat, denn einer der Täter wurde getötet, alle anderen gefasst und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. Zu trösten vermochte das Felix Heckert jedoch nicht.

      Er würde diesen schrecklichen Verlust wohl niemals verwinden!

      „Felix? Ist alles in Ordnung?“, riss ihn Markus‘ besorgte Stimme aus seinen traurigen Erinnerungen.

      „Ja, alles in Ordnung. Wir sollten uns auf die Socken machen, damit es nicht zu spät wird“, erwiderte Heckert.

      „Aber dass ihr mir nicht unter die Räder kommt“, scherzte Sophia, Markus‘ Frau.

      „Was für Räder?“, wollte Kevin wissen.

      Sein Patenonkel nahm ihn liebevoll in den Arm. „Das ist nur so eine Redensart unter Erwachsenen“, erklärte er schmunzelnd.

      „Ihr redet manchmal aber richtig komisch“, meinte der kleine Junge kopfschüttelnd.

      „Du musst jetzt ins Bett, Kevin“, sagte seine Mutter und versuchte seine Hand zu nehmen.

      Doch Kevin versteckte seine Hände schnell hinter seinem Rücken und drückte seinen schmalen Körper fest an seinen geliebten Onkel.

      „Ich will, dass mich Onkel Felix heute ins Bett bringt“, verlangte er.

      „Onkel Felix und Papa müssen noch arbeiten, Liebling. Die haben keine Zeit. Komm mit mir, ich lese dir auch eine Geschichte vor“, versprach seine Mutter.

      Doch der kleine Junge ließ sich nicht verlocken.

      „Ich will, dass mich Onkel Felix zu Bett bringt“, beharrte er auf seinem Wunsch.

      Seine Mutter verdrehte genervt die Augen.

      „Die paar Minuten halten uns doch kaum auf, Sophia. Kevin ist doch bereits im Schlafanzug und fertig für die Nacht“, mischte sich Markus ein.

      „Bringst du mich jetzt ins Bett, Onkel Felix?“, bat der kleine Junge, der sofort spürte, dass er Oberwasser gewann.

      „Ja, mein Kleiner. Und eine kurze Geschichte erzähle ich dir auch noch“, versprach sein Onkel.

      „Fein, Onkel Felix. Aber Huckepack“, verlangte Kevin vergnügt.

      „Auch das“, seufzte Felix und kam dem Wunsch der kleinen Nervensäge lächelnd nach.

      „Sobald du bei uns auftauchst, Felix, ist die übrige Familie bei meinem Sohn abgemeldet“, sagte Markus später zu seinem Freund im Wagen. Und ein Hauch von Eifersucht klang in seiner Stimme mit.

      „Ach was, Markus. Das kommt nur daher, weil er mich nicht so oft sieht“, wiegelte Heckert ab. Aber innerlich war er sehr glücklich über die Zuneigung des kleinen Jungen, den er innig liebte.

      „Ich bin mal gespannt auf den feudalen Laden“, sagte Markus Jansen nach einer Weile. „Hoffentlich lassen die uns überhaupt rein.“

      Felix Heckert lachte. „Aber Markus, bei zwei so eleganten Männern wie uns dürfte das nun wirklich kein Problem sein. Schließlich haben wir uns ja dementsprechend in Schale geworfen.“

      Und er hatte absolut recht.

      Die beiden Kriminalbeamten sahen ausgesprochen schick aus. Felix Heckert hatte sich für einen anthrazitfarbenen Anzug, weißes Hemd, weinrot-schwarz-weiß gestreifte Krawatte und schwarze Slipper entschieden.

      Markus Jansen trug einen nachtblauen Anzug, rosafarbenes Hemd, blau-schwarz-weiß gestreifte Krawatte und ebenfalls schwarze Slipper.

      „Wenn du es sagst“, erwiderte Markus lächelnd.

      Ohne es zu wissen parkte Kommissar Jansen den BMW in der Seitenstraße auf genau dem Platz, auf dem vor etwa zwei Stunden auch Sergejs Geländewagen gestanden hatte.

      Sie stiegen aus und gingen die paar Schritte zum Club Exquisit, den ein für diese Gegend eher dezentes Werbeschild kennzeichnete. Es gab keinen Türsteher, sondern nur einen goldfarbenen Klingelknopf.

      Felix Heckert betätigte ihn.

      Ein kleines Sichtfenster in Augenhöhe öffnete sich. Sie wurden einer eingehenden Musterung unterzogen.

      „Kommen Sie auf Empfehlung?“, fragte eine raue Stimme.

      „Herr von Ammermann hat uns diesen Club empfohlen“, schwindelte Heckert, der sich den Namen gerade eben ausgedacht hatte.

      Würde man ihnen öffnen?

      Ja, die schwere Mahagonitür öffnete sich einladend. Ein Butler – nobel geht die Welt zu Grunde – nahm sie mit einem herzlichen „Willkommen, meine Herren“, in Empfang.

      Der Butler geleitete sie zu einem Durchgang, aus dem Musik erklang. Ein großzügiger, von gemütlichen Nischen unterteilter Barraum empfing sie, während der Butler unauffällig verschwand. Die elegante Ausstattung des Raumes war in Leder, Mahagoni und Goldtönen gehalten. Alles sehr elegant, sehr exklusiv wie es der Name des Etablissements versprach.

      Das Publikum bestand aus attraktiven Frauen – wie könnte es anders sein –