Mandy Hopka

Schwesterkomplex


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bezahlen musste. Aber ich wusste auch nicht viel über diesen Job oder diesen Mann. Nur, dass er eine große Firma besaß und Jessica als Firmenanwältin einstellen wollte. Also warum dann dieser ganze Aufwand? Er war ja wohl kaum der Chef von Microsoft oder Apple! Und selbst die hatten bestimmt besseres zu tun!

      Ich hatte mich extra in eines der schönsten Kleider gequetscht, dass ich besaß. Es war ja nun nicht so, dass ich mich nicht auch gern mal hübsch machte – okay, im Grunde hatte ich nur keine Lust auf die Beleidigungen meiner Schwester. Wenn ich nun in den Spiegel blickte, konnte ich jedes Mal spüren, wie mein Selbstbewusstsein anstieg. Es war wirklich beschämend, dass ich nur deshalb so selbstbewusst war, weil ich ein bisschen Make-up und ein hübsches Kleid mit hohen Schuhen trug. Als würde ich mich nur so schön fühlen können. Wenn ich mich am Morgen im Spiegel betrachtete, mit den Pickeln, die sich in meinem Gesicht verloren hatten, den langen, zerzausten Haaren und den nicht gerade gleichmäßig gezupften Augenbrauen, verspürte ich kaum mehr Selbstachtung. Wann hatte ich nur angefangen zu glauben, ich könnte mich jemals wieder akzeptieren? Wahrscheinlich war das vor ihm gewesen. Vor meinem dritten Ausbildungsjahr. In der Zeit, wo alles rosarot und schön gewesen war.

       Meine sonst so glatten, braunen Haare, hingen dieses Mal gelockt von meiner Schulter und bedeckten den Ausschnitt meines rubinroten Kleides. Jessica hatte mir extra befohlen nichts Blaues anzuziehen. Diese Farbe gehörte ihr. Denn wie sie meinte, würde diese ihre Augen Perfekt unterstreichen. Bla, bla, bla.

       Es war lang und reichte mir bis kurz vor meinen Knöcheln, sodass man meine hübschen, nicht ganz so hohen schwarzen Pumps gut sehen konnte. Welche Frau liebte denn bitte schön keine Schuhe? Die untere Hälfte des Kleides war aus leichtem Tüll, sodass sich der angenehme Stoff bei jeder Bewegung um meine Beine schlang. Gerade, als ich mir meine Kette umgelegt und meine unechten, Rose goldenen Ohrringe angesteckt hatte, klingelte es auch schon an meiner Tür. Hastig schnappte ich mir meine Handtasche und meine Jeansjacke und marschierte zu meinen Eltern hinunter, die bereits vor dem Haus parkten. Meine Mom umarmte mich herzlich und drückte mir einen dicken Schmatzer auf meine Wange. Wahrscheinlich wusste sie gar nicht, wie mir all die Jahre, genau das gefehlt hatte. Diese Zärtlichkeiten hatte es früher nie gegeben. Da gab es nur kummervolle Blicke und vorwurfsvolle Ratschläge zur Verbesserung meines Lebens. Vielleicht hatten sie jetzt einfach eingesehen, dass ich anders war als Jess?

      „Hallo, Mutti“, begrüßte ich sie. Da sie mich so vergnügt anlächelte, lächelte ich zurück, auch wenn ich wusste, dass dieses so freudige Lächeln nicht mir galt, sondern der bevorstehenden Feier meiner Schwester. Ich konnte ihren stolz in ihren Augen glitzern sehen und mein Magen krümmte sich vor Eifersucht. Nie hatte sie für mich so gelächelt, sich so für mich gefreut, selbst als ich meinen Abschluss gemacht hatte. Aber was war schon eine billige Lehre, gegenüber einem Jurastudium …

       Ich hatte sowas von keine Lust auf diesen Abend. „Sieh dich an, du bist genauso schön wie Jessica.“ Auch mein Vater umarmte mich und zwinkerte mir anerkennend zu. Na ja, wenn er meinte. Ich wusste, dass mir dieses Kleid stand. Es betonte meinen Po und kaschierte meine wenig vorhandene Oberweite. Durch meine offenen und langen Haare hatte ich auch gelernt, meinen breiten Rücken kaschieren zu können. Vielleicht war das ja auch nur Einbildung, aber der Mensch bildete sich ohnehin zu viel ein. Er dachte viel zu viel über solche Dinge nach und zerbrach sich den Kopf nach Lösungen, die am Ende ohnehin niemanden interessierte. Hatte ich gelernt durch meinen Job so zu denken?

      Als wir ankamen, staunte ich in der Tat nicht schlecht. Ich hatte aus Erzählungen meiner Schwester gewusst, dass der gemietete Saal groß, modern und in einer schönen, ruhigen Gegend liegen würde, aber dies hier überschritt alles, was ich mir darunter vorgestellt hatte. Das Haus lag am Rande eines Waldes und ein großer, mit Blumenbeeten und Bänken verzierter Rasen erstreckte sich vor diesem pompösen Haus. Jetzt – im Frühling, begann alles wieder zu blühen und wohl auch deshalb lag eine gewisse Atmosphäre über diesen Ort. Laternen erleuchteten die Wege, die den Rasen unterbrachen. Die Sonne stand schon so tief, dass die Bäume des Waldes kalte Schatten warfen. Ich zog die Jacke enger an mich. In den letzten Stunden hatte sich die angenehme Frühlingsluft ziemlich abgekühlt und ich bekam bereits eine Gänsehaut, von dem kalten Wind, der aufkam. Sofort erkannte meine Mutter Jess, die am Eingang stand, um ihre Gäste zu begrüßen. Wie zu erwarten trug sie ein wunderschönes, Kornblumenfarbenes Kleid, welches ihr nur knapp über den Po reichte. Allerdings war dieser Ausschnitt auch nicht ohne …

       Konnte sie sich damit überhaupt bücken, ohne dass vorne alles herausfiel oder hinten ihr Arsch herausrutschte?

       Während unsere Eltern überglücklich lächelten und Jess fest umarmten, schaffte ich es gerade mal halbherzig zu grinsen. „Alles Gute, Jess“, entgegnete ich und begutachtete ihre silbernen Kreolen, die an ihren Ohren baumelten und sicherlich einen Durchmesser von 7 cm hatten. Ihr Haar hatte sie zu einer schicken Hochsteckfrisur zusammen gebunden und mit Diamanten besetzten Spangen versehen. Na ja diese Diamanten waren unecht, das war keine Frage. Oder aber, eine Spende von ihrem Wohltäter. Oder Zuhälter … „Danke“, sagte sie knapp, bevor sie unsere Eltern so zuckersüß anlächelte, als wäre sie die gute Fee. „Ist es nicht wunderschön hier? So idyllisch und trotzdem modern und elegant. Kein Wunder, dass die Leute hier gern Heiraten. Ich möchte unbedingt meinen Geburtstag auch hier feiern, Papi“, sagte sie und blickte über die schöne Landschaft. Das war ja klar. Ich glaubte kaum, dass sie diese Feier allein bezahlen wollte. Auch, wenn sie ja jetzt schließlich selber Geld verdiente – wohlgemerkt! Mein Vater lächelte natürlich liebevoll, wenn auch besorgt. „Wie könnte ich dir einen Wunsch abschlagen, Prinzessin.“ Ich kotz gleich. „Das war in der Tat wirklich großzügig von deinem neuen Chef“, meinte ich provokant und verschränkte die Arme vor der Brust. Stolz lag in ihren Augen. „Was willst du damit andeuten, Schwesterherz?“ Ablehnend schüttelte ich den Kopf. Ich war heute wirklich nicht in der Stimmung, mit ihr einen Krieg zu starten. Am Ende wäre ich eh wieder die böse. Nein danke! „Ihr könnt ja schon mal hereingehen. Die Treppe hoch und dann hört ihr sicher bereits die Musik.“ Wieder lächelte sie, als wäre sie die Königin der Welt. Na das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Während meine Eltern noch bei ihr blieben, um ihr vermutlich noch zusagen, wie stolz sie auf sie waren, machte ich mich auf die Suche nach dem Saal, den dieser spendable Heer reserviert hatte. Scheinbar gab es hier mehr Zimmer, als in dem ganzen Haus, indem ich wohnte. Aber es war wirklich schick hier, dass konnte man nicht leugnen. Alles hier drinnen war im Barockstil gehalten. Große goldenen Kronleuchter hingen von den Decken. Dicke, verschnörkelte, weiß lackierte Eichentüren verschlossen mir die Sicht auf die anderen Räume und sogar die Tapeten und Fußböden wirkten zwar Alt aber durchaus edel auf mich. Ich war mir sicher, dass sie hier gut ausgebucht waren. Fast schon fühlte ich mich wie bei den Royals persönlich.

       Jess hatte recht, man brauchte nur dem klang der Musik zu folgen und schon stand man vor einer großen Flügeltür, die weit offen stand. Ich atmete noch einmal tief durch, warf noch einen flüchtigen Blick auf den goldenen Türgriff und betrat dann den Raum. Ich wusste, was jetzt auf mich warten würde.

       „Oh, Jane, wie schön dich zu sehen!“ Tante Ines trat auf mich zu. Sie war zwar die Neugierde in Person, aber irgendwie mochte ich sie trotzdem. „Schön dich zu sehen“, begrüßte und umarmte ich sie. Das ganze ging noch ungefähr eine halbe Stunde so weiter. Ja wir hatten eine Menge Verwandte. Allein mein Vater hatte 5 Geschwister, meine Mutter lediglich noch zwei Schwestern aber alle hatten Ehemänner, Kinder und sogar diese hatten schon Nachwuchs. Natürlich sollte man unsere Omas und Opas nicht vergessen. Und dann gab es da noch jede Menge junger, gutaussehender Hungerhaken, von denen man sofort wusste, dass sie zu meiner Schwester gehörten. Alle besaßen dieselbe arrogante Ausstrahlung. Gott sei Dank, bedachten sie mich nur mit höhnischen Blicken und kamen nicht zu mir hinüber stolziert, in ihren Prada Kleidern und ihren Taschen von Vuitton. Plötzlich fiel mir mit diesem Gedanken ein Satz aus einer Serie wieder ein. Da hatte mal jemand gesagt: Schöne Dinge, sind erst dann wirklich schön, wenn sie sich mit schönen Dingen umgeben.

      Ich musste wohl wirklich weniger Serien schauen … Aber mal abgesehen davon, war daran auch etwas Wahres. Selbst der Prinz von Aschenputtel hatte sich erst in sie verliebt, als sie zur schönen Ballkönigin wurde. Wahrscheinlich hätte er sie vorher nicht einmal von der Seite angesehen. Diese Zicken sollten mich heute lieber in Ruhe lassen, denn ich hatte mittlerweile sehr gut gelernt,