Liliana Dahlberg

Dem Glück auf den Fersen


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gab in mir natürlich eine nicht zu verachtende Angst, Kai an meine Konkurrentinnen zu verlieren. Ich hätte dann zwar noch immer meine unzähligen Liebhaber im Schrank, aber ob sie die Leere in meinem Herzen wirklich würden ausgleichen können, war mehr als fraglich. Ich habe bereits erwähnt, dass Schuhe aus meiner Sicht Männer durchaus ersetzen konnten, aber wenn ich ehrlich war, musste ich mir eingestehen, dass ich Kai mit jeder Faser meines Körpers liebte und es mir keinesfalls egal wäre, eines Morgens ohne ihn an meiner Seite aufzuwachen. Dummerweise hatten meine Rivalinnen während der Arbeit ausreichend Gelegenheit, sich in Pose zu werfen und ihren Chef, Kai Bloom, zu umgarnen. Natürlich arbeiteten in Kais Firma auch eine Empfangsdame mit dem Namen Steigenberg und seine Sekretärin, Pia Sommer. Letztere hatte er glücklicherweise noch nie auf Geschäftsreise mitgenommen. Frau Steigenberg war bereits über vierzig und wirklich sehr freundlich – allerdings nur zu ihrem Chef und seinen Kunden. Meine Existenz glaubte sie mit großer Emsigkeit beinahe übersehen zu können. Unverschämterweise fragte sie auch immer wieder von Neuem nach meinem Namen, wenn ich mal unangemeldet in der Werbeagentur erschien und wissen wollte, ob Kai die Mittagspause mit mir verbringen konnte oder stattdessen mit einem Kunden zu Mittag essen würde. So schwer konnte es doch nicht sein, den Namen Sievers im Gedächtnis zu behalten. Dass ich Kais Freundin war, durfte dieser Frau mittlerweile ebenfalls längst bekannt sein. Frau Steigenberg war stets mit Unmengen von Ohr- und Halsschmuck behangen und vom Duft eines teuren Parfüms umgeben. Während eines Heiterkeitsausbruchs hatte ich Kai gegenüber einmal bemerkt, dass in seiner Agentur das ganze Jahr über Weihnachten sei, und Frau Steigenberg als geschmückten Tannenbaum bezeichnet. Sozusagen als wandelnden Weihnachtsbaum. Die Empfangsdame besaß eine gut ausgesuchte, edle Garderobe und grünte somit nicht nur zur Winterzeit. Sie hatte pechschwarzes Haar, das sie streng nach hinten gebunden trug. Ihre kleinen braunen Augen schienen manchmal wie Stecknadeln aufzublitzen, vor allem, wenn sie Unheil witterte. Sprach sie mit mir, zog sie jedes Mal angestrengt die Luft durch die Nase. Warum, war mir ein Rätsel. Glaubte sie, ein Kind vor sich zu haben, dem sie das Einmaleins erklären musste? Ich erkundigte mich im Allgemeinen doch lediglich nach Kais Terminplan und bat sie nicht darum, mir die Relativitätstheorie nahezubringen.

      Zumindest war Frau Steigenberg nicht an Kai interessiert. Sie katzbuckelte nur gerne vor ihm, während sie bei mir die Krallen ausfuhr. Kais Sekretärin Pia war ebenfalls keine Konkurrentin, da sie nach eigenem Bekunden bereits seit sechs Jahren glücklich verheiratet war. Sie hatte kurze braune Haare, trug gerne Kleider und schicke Stiefeletten, wirkte sonst aber äußerst bodenständig. Sie würde ihre Ehe wohl kaum für einen Seitensprung mit Kai riskieren. Aber neben diesen beiden Frauen gab es eben noch vier weitere Mitarbeiterinnen, die ähnlich wie Katzen immer auf der Pirsch waren und ihren Chef Kai als bevorzugtes Opfer ausgesucht hatten.

      Tessa, eine gertenschlanke Frau mit langen blonden Haaren, sah ich als größte Bedrohung für meine Beziehung an. Sie war ebenso wie ich Anfang dreißig und verstand es, mit ihren blaugrünen Augen so manchen Mann in ihren Bann zu ziehen, indem sie ihm einen ihrer verführerischen Blicke zuwarf. Außerdem hatte sie eine weitere wirkungsvolle Waffe, mit der sie mich schlagen und Kai bezirzen konnte: ein charmantes Blendadent-Lächeln. Meine Zähne waren natürlich nicht so hässlich, wie es angeblich die von Kaiserin Sisi gewesen waren. Doch Tessas waren gebleacht – meine nicht.

      Tessa setzte ihr berückendes Lächeln immer dann gerne ein, wenn es galt, von einem Fehler abzulenken, den sie während der Arbeit gemacht hatte, oder ihren Willen durchzusetzen. Das hatte mir Kai schon des Öfteren mit einem Schmunzeln anvertraut. Bei einem Gespräch über eine Gehaltserhöhung habe ihr Lächeln dem von Julia Roberts alle Ehre gemacht. Ich hatte jedoch den Eindruck, Tessa sei eine giftige Kobra. Eine Schlange, die sich um Kai schlängelte, um im geeigneten Moment zuzuschnappen.

      Diesem blonden Gift war ich natürlich auch schon mehrmals begegnet, wenn ich Kai von der Arbeit abholte und wir anschließend irgendwo entspannt essen gingen.

      Ich selbst hatte im Gegensatz zu Tessa dunkelblondes gelocktes Haar und grüne Augen und war um einige Zentimeter kleiner als sie. Auf einer Betriebsfeier von Kais Werbeagentur, der ich beiwohnen durfte, hatte ich bereits das Vergnügen gehabt, auch meine anderen Rivalinnen näher in Augenschein zu nehmen.

      Verena war zwar nur 1,63 Meter groß, besaß dafür aber eine äußerst verführerische Stimme, und ihre Beine waren für ihre verhältnismäßig geringe Körpergröße sehr lang. Die Gaben schienen vom lieben Gott mehr als gerecht verteilt worden zu sein. Verena konnte mit einem Unterton in ihrer Stimme, den zu definieren mir schwerfiel, die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich ziehen.

      Außerdem hatte sie ein girrendes Lachen, mit dem sie ihr Umfeld selbst nach einem schlechten Witz zu einem Heiterkeitsausbruch animieren konnte, insbesondere, wenn männliche Wesen darunter waren.

      Mit ihren meist im Smokey-Eyes-Stil geschminkten Augenlidern, die ihr einen etwas verruchten Touch verliehen, und ihren gelockten feuerroten Haaren, die sie stets offen trug, hoffte sie bestimmt, Kai mit einem ganz eigenen Zauber belegen zu können. Sie wollte mit ihrem Haar allem Anschein nach verspielt und sexy aussehen. Ich hoffte jedenfalls inständig, dass Kai davon absehen würde, mit diesem Feuer der Versuchung zu spielen, sich nicht die Finger an Verena verbrennen und unserer Beziehung den Todesstoß versetzen würde. Eine weitere von Kais Angestellten hieß Stella. Der Name passte wirklich gut zu ihr, da ihre Augen in einem unwahrscheinlichen Blau strahlten und sie gerne auf High Heels durchs Leben stolzierte, die golden schimmerten. Nur in der Werbeagentur trug sie Schuhe, die deutlich unauffälliger waren. Ihr langes braunes Haar pflegte sie ebenso wie Verena offen zu tragen. Sie stellte ihre Beine gerne in Miniröcken zur Schau und verzichtete bei ihrer Kleiderwahl im privaten Bereich auf übertrieben viel Stoff. Ich war ihr schon einige Male in der Fußgängerzone über den Weg gelaufen, und jedes Mal wären mir bei ihrem Anblick beinahe die Augen aus dem Kopf gefallen. Nur bei der Arbeit war sie, wie bereits erwähnt, in einem seriöseren Kleidungsstil anzutreffen. Dort trug sie meist einen Hosenanzug.

      Auch sie war eine ernst zu nehmende Konkurrentin im Kampf um Kais Herz, den ich ja eigentlich schon vor sechs Jahren für mich entschieden hatte. Doch dass Kai mein Freund war, übersahen meine Rivalinnen geflissentlich. Eine weitere Frau, die nur zu gerne ein Auge auf Kai warf, war Wanda. Sie stach im Gegensatz zu ihren Kolleginnen jedoch durch nichts sonderlich hervor. Weder hatte sie extrem lange, schlanke Beine noch besaß sie eine sonderlich starke Ausstrahlung.

      Mit ihrem schwarzen Haar und ihrer sehr hellen Haut wirkte sie aber ein wenig wie Schneewittchens Schwester, die mir hoffentlich nie meinen Prinzen stehlen würde.

      Es gab mir natürlich kein besonders gutes Gefühl, zu wissen, dass diese vier Frauen ihre Fühler nach Kai ausstreckten und um seine Gunst kämpften. Sie würden mich bestimmt bereitwillig auf die Ersatzbank verbannen, auf der ich dann vorzugsweise so lange zu sitzen hätte wie einige Spieler beim FC Bayern. Während der Arbeit hinderte die jungen Damen leider nichts daran, um Kai zu streichen wie Katzen um das Goldfischglas und dabei ihre epilierten Beine perfekt in Szene zu setzen. Ein neckisches Augenspiel hier, ein vielsagendes Lächeln da. Zu meinem Leidwesen konnten sie sämtliche Register ziehen. Leider verdienten diese Louboutins nicht nur deutlich mehr als ich in meinem Job als Schuhverkäuferin: Sie hatten es außerdem faustdick hinter den Ohren, an denen mir schon so manches Mal Ohrringe von Chopard aufgefallen waren. Bei all dem Glamour, den sie lebten und offen zur Schau trugen, stiegen in mir oft nicht nur Gefühle der Eifersucht hoch, weil sie sich mit ihren gut manikürten Fingernägeln meinen Kai krallen wollten, sondern auch Neid. Wenn sie mich in der Werbeagentur sahen, taxierten sie mich meist mit einem missbilligenden Blick und musterten mich erhaben von oben bis unten. Sie schienen mir damit die nonverbale Botschaft übermitteln zu wollen, dass meine Liebe zu Kai wirklich unergründlich war und sie sich fragten, warum er mich Ballerina nicht schon längst in eine hintere Schrankecke verbannt hatte. Außerdem waren sie, wie bereits erwähnt, allesamt sehr attraktiv und sich dessen voll und ganz bewusst. Wie ein Pfau schlugen sie ihre Räder, wenn sie in Kleidung von Joop oder Versace auf der Bildfläche erschienen. In ihrem Leben gab es einen Hauch von Glamour und Lifestyle, der mir fehlte. Ich wollte aber auch nicht, dass Kai mir meinen Lebensunterhalt finanzierte und mich freihielt, obwohl seine finanziellen Mittel dafür mehr als ausreichend gewesen wären. Ich freute mich natürlich, wenn unter dem Weihnachtsbaum eine Tasche von Louis Vuitton lag oder ich zum Geburtstag eine Sonnenbrille