Hedwig v. Knorre

DAS Erste Große BetrugsOpferBUCH


Скачать книгу

Und trotzdem stimmen diese Mythen nicht. Sie sind unrealistisch.

      Fazit

      Wir alle tragen ein natürliches Misstrauen in uns, manche weniger, andere mehr. Das bringen wir auch Betrügern entgegen. Betrüger verstehen sich darauf, unser Misstrauen zu zerstreuen, indem sie uns vertrauenswürdig begegnen. Obwohl sie es nicht sind. Größeres Misstrauen verhindert kein Betrugsgeschehen. Betrüger sind die Verbrecher – weil sie betrügen!

      „wir rechnen“

      je geringer die Vertrauensfähigkeit, desto höher das Misstrauen

      je höher die Vertrauensfähigkeit, desto geringer das Misstrauen

      je höher die Vertrauensfähigkeit, desto reicheres gesundes soziales Leben

      je höher das Misstrauen, desto weniger gesundes soziales Leben

      ein hohes Maß an Misstrauen stört und verhindert gesundes soziales Leben

      ein hohes Maß an Vertrauensfähigkeit fördert gesundes soziales Leben

      Ergebnis: Die Justiz urteilt genau verkehrt herum!

      Denn sie fordert übermäßiges Misstrauen, erklärt Vertrauen zu Dummheit und wertet Vertrauen als Schuld.

      Kontrolle

      Kontrolle ist die Folge von Misstrauen. Misstrauen ist das Gegenstück zum Vertrauen. Eine geringe Vertrauensfähigkeit entspricht einem hohen Maß an Misstrauen. Kommt Misstrauen auf, motiviert es zur Kontrolle.

       Wann ist Kontrolle angemessen?

       Und wie viel?

       Welche Konsequenzen / Strafen sind sinnvoll?

       Kennen wir nicht auch alle die zerstörerische Wirkung von übertriebenem Misstrauen und Kontrollzwängen?

      Kontrolle und Konsequenzen / Strafen

      Hätte betrügerische Motivation Raum in der normalen Vorstellung, läge das ganze Leben lahm. Weder Liebes- noch Geschäftsbeziehungen könnten zustande kommen, weil alles, aber auch alles „nicht stimmen“ könnte: Dokumente, Unterschriften, Lächeln, Liebesbeweise, geleistete Unterstützung usw.

      Ein immenses Maß an Kontrolle wäre nötig, das sich ein normal-ehrlicher Mensch nicht gefallen lässt. Stellen Sie sich zum Beispiel vor: ein Student ist neu in der Stadt und setzt sich in der Studentenkneipe in die Runde. Alle erzählen. Er erwähnt: „ja, damals, als ich Abi gemacht habe...“ und sofort fragt jedeR: „du hast Abi? Zeig dein Zeugnis!“ und wenn er es tatsächlich vorzeigt, sagen sie: „ist das auch nicht gefälscht?“ Sie sehen, es funktioniert nicht. Denn welcher normale Mensch würde das mit sich machen lassen?! Und wir hätten sowieso nicht alle nötigen Kontrollkriterien in der Hand.

      Angemessene Kontrolle

      Das heißt natürlich nicht, dass es keine angemessene Kontrolle gibt. Es macht Sinn, dass die Polizei ihre Streife fährt, Präsenz zeigt und bei Bedarf zügig am Einsatzort ist, mit „tatü-tata!“

      Auch unsere inneren Kontrollmechanismen sind täglich ununterbrochen im Einsatz – unbewusst. Läuft alles wie erwartet, wie gewohnt, wie es soll, arbeiten sie unbemerkt im Hintergrund. Läuft aber etwas aus der Bahn, anders als gewohnt und erwartet, fangen unsere inneren Alarmglocken an zu läuten: „Vorsicht! Hier stimmt was nicht! Hin schauen!“

      Was ist geschehen? Meist ist nur eine Kleinigkeit aus dem Ruder gelaufen.

       Das Portemonnaie steckt nicht in der Hosentasche, wie gewohnt! Ach, da ist es ja in der Jackentasche.

       Wo ist nur der Briefkastenschlüssel? Ach, er hängt nur an der falschen Stelle am Schlüsselbrett.

       Wo ist mein Auto geblieben? Ach, das hatte ich ja gestern abend wegen Parkplatzmangels um die Ecke abgestellt.

       Mir fehlen 50 Euro im Portemonnaie, wo sind sie? Ach, die habe ich ja vorgestern für die Reparatur des notebooks ausgegeben und gerade nicht mehr daran gedacht.

      Gewöhnlich beruhigen sich die Alarmglocken schnell wieder. Gut so. Es ist anstrengend, wenn sie zu oft läuten und zu lange. Wir haben genug zu tun.

      Die geschilderten Überlegungen zehren viel Energie. Nun fordert aber die Justiz im Nachhinein von Betrugsopfern, wir hätten damit rechnen sollen, einen Betrüger in der Nähe zu haben.

      Würden wir tatsächlich damit rechnen, gäbe es noch viel mehr Möglichkeiten, die wir zu bedenken hätten! Hier einige wenige, die im normalen Repertoire der Betrüger ganz selbstver-ständlich vorkommen.

       Ist mein Partner ein Betrüger, der mein Portemonnaie in die Jackentasche gesteckt hat, so dass ich es nicht in der Hosentasche finde, wie gewohnt? Aus irgend einem Grund, auf den ich nicht kommen kann, weil betrügerisches Denken außerhalb meiner Vorstellungskraft liegt? Ich muss dringend gründlicher darüber nachdenken...

       Der Briefkastenschlüssel hängt an der falschen Stelle am Schlüsselbrett. Ist mein Partner ein Betrüger? Hat er wichtige Post aus dem Briefkasten geholt, und sie mir unterschlagen? Und dann den Briefkastenschlüssel aus Versehen an die falsche Stelle gehängt? Oder hat er nur den Briefkastenschlüssel an eine falsche Stelle gehängt, absichtlich, um mich zu verwirren, zu beschäftigen, von anderem abzulenken? Wovon wohl? Wie kann ich das nur heraus finden...

       Das Auto hatte ich gestern abend wegen Parkplatzmangel um die Ecke abgestellt. Habe ich das wirklich, oder irre ich mich? Kann ich mich auf meine Erinnerung verlassen? Ist mein Partner vielleicht ein Betrüger mit Komplizen, und er hat ihnen schnell Bescheid gegeben, so dass sie das Auto inzwischen geknackt / gestohlen haben? Ich müsste um den Block laufen, um nachzusehen, aber ich habe jetzt keine Zeit...

       Die 50 Euro hatte ich ja vorgestern für die Reparatur des notebooks ausgegeben und gerade nicht mehr daran gedacht. Aber hatte ich nicht noch einen 50-Euroschein im Portemonnaie? Ich kann mich nicht genau erinnern – wann hab ich nochmal Geld abgehoben, und wie viel genau? Und was hab ich denn noch eingekauft? Ach ja, das notebook hab ich ja gar nicht selbst von der Reparatur geholt, das hat ja mein Partner für mich gemacht, auf dem Rückweg von seiner Arbeit, hatt' ich ja grad vergessen... ist er vielleicht ein Betrüger – hat er womöglich gar nicht gearbeitet? Ist er gar ein Komplize des Computerfachmanns, stecken sie unter einer Decke? Ich hatte auch noch keine Zeit, das notebook auszuprobieren. Vielleicht ist auch nur der Fachmann ein Betrüger und hat mein Geld genommen, ohne seine Arbeit zu tun? Ich müsste dringend das notebook ausprobieren, aber heute hab' ich wieder keine Zeit...

      All das sind nämlich Dinge, die Betrüger tun – und noch viel, viel mehr. An diesen wenigen Kontrollüberlegungen wird deutlich, wie anstrengend es wäre, überall Betrüger zu wittern. Eine komplette Überforderung, schlichtweg unmöglich zu leisten. Und auch unrealistisch. Überflüssig. Denn die meisten Menschen sind keine Betrüger.

      Es ist also der falsche Ansatz, wenn die Justiz von Betrugs-opfern verstärktes Misstrauen und erhöhte Kontrolle fordert. Menschen mit solch hohem Misstrauen und Kontrollbedürfnis sind nicht lebensfähig und finden sich in Psychiatrien und Therapien, Diagnose „Paranoia“. (möglicherweise ausgelöst durch ein Betrugserleben. Kleiner makab'rer Scherz am Rande.)

      Keine Kontrolle ohne Konsequenzen

      Kontrolle und Konsequenzen hängen direkt miteinander zusammen. Die Kontrolle wäre unsinnig ohne Konsequenz als Folge. Wird bei der Kontrolle ein Fehlverhalten entdeckt, muss eine Konsequenz folgen, sonst macht es keinen Sinn zu kontrollieren.

       Während ich Jochem kennenlernte, hatte ich nach ca. 10 Wochen eine Misstrauensphase. Darum habe ich ihn einige Wochen lang intensiv kontrolliert. Hätte ich bei diesen Kontrollen etwas entdeckt, was „nicht stimmt“, wäre meine Konsequenz gewesen, dass ich mich von ihm