Stefan Nym

Prominent


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      Ich freute mich nicht nur darauf, die Kinder ins Bett bringen zu können. Ich würde auch gern noch Ulrike unter die Arme greifen. Morgen kommen zehn Personen zum Essen. Sie muss alles alleine machen. Wahrscheinlich schrubbt sie auch noch das ganze Haus. Von oben bis unten. Und ich? Ich schaffte es nicht mal an einem Freitag so früh zu Hause zu sein, dass ich meiner Frau am Abend vor ihrem Geburtstag ein wenig helfen kann.

      „Bis nachher. Und fahr vorsichtig!“

      Zu Hause tobt das Chaos. Beide Kinder haben schon ihre Schlafanzüge an und sollten eigentlich schlafen. Sie sind auch schon ziemlich müde, aber jetzt drehen sie noch einmal richtig auf.

      „Papa, Papa, …“, ruft Florian und stürmt auf mich zu, dicht gefolgt von Sahra, seiner Schwester. Florian springt an mir hoch, noch bevor ich meinen Aktenkoffer abstellen kann. Ich lasse den Koffer fallen, damit ich den Kleinen auffangen kann.

      „… da bist du ja endlich.“

      Sahra umklammert meinen Bauch und schmiegt sich an mich. Ich genieße das. Auch wenn der Kleine sofort weiter plappert.

      „Ich bin ja so aufgeregt, wegen morgen.“

      „Was ist denn morgen?“

      Sahra schlägt mit ihrer Faust gegen meinen Bauch.

      „Mensch Papa!“

      Sie schaut mich böse an.

      „Was denn?“

      „Du weißt genau, was morgen ist.“

      Ich schaue fragend zurück.

      „Morgen ist der 14. Juni?“

      Sie zieht ihre Stirn in Falten und schaut böse. Manchmal erinnert sie mich sehr an ihre Mutter.

      „Ach so, das meint ihr.“

      Jetzt lächelt sie versöhnlich und erinnert mich noch stärker an ihre Mutter. Sie macht das gut.

      „Ihr seid ja aufgeregter als das Geburtstagskind selbst.“

      Ulrike drängelt sich mit einem vollen Müllbeutel an uns vorbei und meint:

      „Das hat ja keine Zeit zum Aufgeregtsein.“

      Ich gebe ihr im Vorbeigehen einen flüchtigen Kuss.

      „Hallo mein Schatz.“

      „Hallo“, antwortet sie und lächelt ein wenig. Aber nur ein klein weinig, um sich dann - halb ernsthaft, halb gespielt - über uns zu beschweren.

      „Müsst ihr hier im Weg stehen?“

      Sie bringt den Müll nach draußen, aber nicht ohne mir noch einmal zuzulächeln. Offensichtlich hat sie viel zu tun, aber noch nicht aufgegeben.

      „Ich habe noch gar keinen Kuss bekommen!“, quietscht Florian und zieht meinen Kopf zu sich hinüber, um das sofort nachzuholen.

      „Ich auch nicht!“, beschwert sich nun auch Sahra und zieht mich zu sich hinunter. Ich stöhne leicht während ich mich hinunterbeuge und nutze die Gelegenheit, um Florian auf den Boden zu setzen, bevor ich auch meiner Tochter einen Begrüßungskuss gebe.

      „Und? Habt ihr denn schon eure Zähne geputzt?“

      „Ja!“

      Ich lächle und schiebe die beiden in Richtung Treppe.

      „Na dann, ab nach oben mit euch. Und Marsch ab ins Bett. Der Papa kommt gleich zum Gutenachtsagen.“

      Im gleichen Augenblick kommt Ulrike wieder herein und ruft ihnen lächelnd hinterher:

      „Und die Mama kommt auch gleich!“

      Die beiden trappeln kichernd nach oben. Ich nehme Ulrike in den Arm, um sie endlich richtig zu begrüßen.

       „Na? Wie sieht’s aus? Wie weit bist du?“

       „Fertig“, strahlt sie.

      „Fertig?“

      „Fix und Fertig“, antwortet sie und sackt in meinem Arm zusammen. Ich lache und ziehe sie wieder hoch. Endlich gibt es einen richtigen Kuss. Es ist schön, wieder zu Hause zu sein.

      „Das glaube ich ja nicht“, beginne ich von neuem.

      „Doch, doch“, antwortet Ulrike mit überzeugendem Blick.

      „… ich habe alles fertig und bin selbst völlig fertig. Ich sage den Kindern noch gute Nacht und dann will ich auf meine Couch. Außerdem wartet Katja auf mich.“

      „Katja?“

      Ulrike lächelt.

      Ach ja, diese Klatsch-Tante aus dem Fernsehen. Ulrike liebt diese Sendung, ‚Katjas Woche’. Klatsch und Tratsch über Prominente und solche, die es gern wären.

      Heute enthalte ich mich jeden Kommentars. Sie hatte einen anstrengenden Tag. Außerdem hat sie morgen Geburtstag. Da darf sie doch mal das sehen, was sie mag, ohne kritische Kommentare ihres Ehemanns. Ich bin ja schon froh, dass offensichtlich alles soweit erledigt ist. Am Telefon hatte sie wirklich etwas abgespannt geklungen. Oder mache ich mir schon wieder zu viele Gedanken? Egal. Wir genießen jetzt einfach den Rest des Abends.

      Gemeinsam gehen wir nach oben. Ich gehe zuerst in Sahras Zimmer, Ulrike in Florians. Das ist so eine Art Ritual.

      Ich decke Sahra zu. Sie zappelt, aber es gelingt mir doch.

      „Du bist ja ganz schön aufgeregt.“

      Sie strahlt und nickt mit kurzen, schnellen Bewegungen.

      „Aber du hast doch gar keinen Geburtstag…“

      „Aber Mama!“

      Ich frage im Flüsterton:

      „Hast du denn das Geschenk für die Mama fertig?“

      Sie nickt wieder eifrig.

      „Ich habe ein Bild gemalt. Richtig schön. Das Bild habe ich eingepackt und eine Schleife drum gemacht. Willst du’s mal sehen?“

      Sie versucht schon die Decke abzustreifen um aufzustehen. Ich lache und drücke sie vorsichtig zurück in ihr Kissen.

      „Nein, nein! Das sehe ich doch morgen.“

      Sahra will sich losstrampeln.

      „Doch, bitte!“

      „Ich möchte aber nicht. Dann ist es doch für mich keine Überraschung mehr. Und ein bisschen Aufregung möchte ich doch auch noch.“

      Ich lächle sie an und sie gibt sich geschlagen.

      „Na gut.“

      Auch sie lächelt und spitzt die Lippen. Ich gebe ihr einen Kuss und sage:

      „Schlaf schön!“

      Sie liegt da wie ein Engel und wir sehen uns noch einen Augenblick nur an. Ich liebe diese Augenblicke. Als ich aufstehe flüstert sie:

      „Gute Nacht!“

      Langsam gehe ich aus dem Zimmer, über den Flur rüber zu Florian. Der bekommt gerade einen Gutenachtkuss von seiner Mama und der Platz an seinem Bett wird frei.

      Als ich an sein Bett komme, rutscht er ganz an die Kante. Auch das ist ein Ritual. Ich muss mich dann noch zu ihm ins Bett legen. Ohne dem geht es nicht. Also tue ich es auch heute. Er zappelt noch einmal unter seiner Decke und plappert sofort los.

      „Ich bin ja so aufgeregt, wegen morgen.“

      Unweigerlich muss ich lachen und fast automatisch kommen die geradezu obligatorischen Fragen:

      „Aber warum denn? Was ist denn morgen?“

      Wieder zappelt der Kleine kurz, fast unkontrolliert, und lacht dabei.

      „Mensch Papa! Morgen hat doch Mama Geburtstag!“

      „Oh, das habe ich ja fast vergessen“, lache ich.