Hermann Metz

Rechnung ohne Wirt


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besitze er kein präzises know how, werde sich jedoch kundig machen und spätestens in einer, zwei Wochen in der Lage sein, Herrn Moll weitere informations zu diesem Aspekt zukommen zu lassen. Im Moment seien Solaranlagen der Hit und er jette nicht zuletzt deswegen an den Golf, um nach dem Rechten zu sehen, weil hinter dem Solargeschäft inzwischen auch die Japaner her seien und offensichtlich mächtig pression machten. Er selbst sei sich jedoch der kausalen Rolle der das Ganze so schwierig gestaltenden Nationalitätssensibilitäten durchaus bewusst.

      Occhio war angewidert; er hatte regelrecht Kopfweh bekommen. Während die Anderen dem Abgeordneten frenetisch Beifall klatschten, pochte sein Herz und er hatte wieder diesen unangenehmen, stechenden Schmerz auszuhalten. Nach von Woehles Gesülze schwor er sich, selbst nie mehr ein englisches oder amerikanisches Wort in den Mund zu nehmen. Um sich Luft zu verschaffen, neigte er sich zu seinem Nachbarn hinüber: »Na, Holleweg, ist dir nun klar, warum du es beruflich nicht weiter gebracht hast?«

      Holleweg fingerte nach seinem Glas: »Ich bin höchst gespannt auf deine scharfsichtige Analyse, Occhio.«

      »Weil du einfach nie den Mumm aufbrachtest, an Sir von Woehles verbale Explikationspotenz heranzukommen.«

      »Und das muss ich mir von einem Bleistift spitzenden Harvesterbauer, wie du einer bist, sagen lassen?«

      Occhio, vergnügt über die gelungenen Sprüche, schlug sein Glas so ungestüm an das Hollewegs, dass beide nach dem Zuprosten nur noch den Stiel zwischen den Fingern hielten. Die Gutes Design-Sekretärin rannte auf, kam mit Handfeger und Schaufel zurück und setzte sich wieder.

      Noch während Holleweg die Scherben zusammenkehrte, richtete sich C-Moll in seinem Ledersessel auf und erhob das Glas. »Auf eine erfolgreiche Reise, Justus, und denke daran: Scherben bringen Glück!« sagte er vergnügt, und von Woehle prostete zurück.

      Moll bedankte sich bei seinen Gästen für ihr Erscheinen und beim Professor dafür, dass er seine geschmackvolle Villa für den Anlass zur Verfügung gestellt habe. Sein besonderer Gruß galt Herrn Dr. Riscisc aus Wien und seiner charmanten Gattin, besonders aber Herrn Milan Brankovic aus Belgrad. Mit ihrem Auftrag von gleich zehn Forstmaschinen habe die RIHAG indirekt nicht zu unterschätzende Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Moll GmbH beste Qualität liefern werde und nun vor jeglicher Konkurrenz uneinholbar vorne liege, sofern es bei Forstmaschinen überhaupt eine solche gebe.

      »Nicht wahr Herr Brankovic«, unterbrach ihn Riscisc mit lauter Stimme, und legte seinem Geschäftspartner jovial die Hand auf den Arm, »und wir freuen uns über die Absicht Ihrer Firma, mit der Moll GmbH einen Kooperationsvertrag abzuschließen; Sie geben damit den Weg frei, die Maschinen in Jugoslawien in Lizenz zu bauen.« Dies wiederholte er auf Serbisch und Brankovic, der notgedrungen von der Sekretärin abgerückt war, bestätigte es glucksend, denn er hatte sich nicht nur mit einem Glas zufrieden gegeben.

      Dann erhob sich Riscisc. Er war eine schwergewichtige, aber gepflegte Erscheinung, um die sechzig Jahre alt, und Occhio beobachtete genüsslich, mit wieviel Mühe er sich aus seinem weichen Sessel herauswand. Doch da stand schon Brankovic vor ihm und streckte ihm die Hand entgegen. Mit der Hilfe des selbst nicht mehr ganz standsicheren Jugoslawen fand Riscisc das Gleichgewicht, zog seine Jacke zurecht, klopfte an sein Glas, und ließ seine sonore Stimme ertönen:

      »Meine Damen und Herrn, es war eine exzellente Idee von Herrn Fabrikant Moll, zu diesem Gedankenaustausch einzuladen. Unser Treffen wird nicht nur Grundlage sein für neue Geschäftsverbindungen zwischen zwei kompetenten Partnern, den Firmen RIHAG und Moll, nein, wir werden auch die Beziehungen zu unserem jugoslawischen Auftraggeber intensivieren, die möglicherweise, wie schon erwähnt, in die Lizenzfertigung von Harvestern einmünden werden. Da die Maschinen für den Balkan wegen der besonderen Waldverhältnisse dort anders bestückt sein müssen als mitteleuropäische Harvester, haben wir mit Schweizer Herstellern Kontakt aufgenommen, die unsere Maschinen mit hoch spezialisierten Ausrüstungen und Aggregaten komplettieren werden. Ich freue mich, dass die Firma RIHAG auf diese Weise zu einer Konzentration und Stärkung des Harvestermarkts beitragen kann.«

      »Hoch spezialisierte Ausrüstungen«, dachte Occhio verbittert. Nahm Riscisc ernsthaft an, dieses Wortspiel würde irgendeiner hier missverstehen? Dass ein Schweizer Hersteller nicht schon über die Ausrüstung für eine Maschine verfügen konnte, die erst als Prototyp bestand und deren Existenz Fachkreisen seit gerade einer Woche bekannt war, musste jedem klar sein. Nein, um welche Art von Ausrüstung es wirklich ging, zeigte die Anwesenheit dieses jugoslawischen Offiziers. Für die meisten hier galt Brankovic zwar als Maschinenhändler, aber von Woehle zum Beispiel, dieser verlogene Schwätzer, wusste genau, wer er war. Und die dubiosen Schweizer Hersteller? Wer weiß – Occhio durchfuhr es heiß – vielleicht saßen sie längst in ihren Startlöchern als Lieferanten für die Jugoslawien-Ausrüstung. Dann hätte man ihn, den Chefkonstrukteur der Moll, schamlos hinters Licht geführt. Er fühlte sich mehr als unwohl in seiner Haut. Unter diesen Umständen hatte er es nicht zu verantworten, wenn seine Firma nun dabei war, sich in eine unseriöse Situation hinein zu manövrieren.

      Riscisc sagte nur noch: »Wir, die Firma RIHAG, werden für die Firma Moll ein verlässlicher Partner bleiben. Ich stoße mit Ihnen auf diese Partnerschaft an.«

      Occhio blieb wie erschlagen in seinem Sessel sitzen.

      Von alledem erfuhr Mallör, ganz nach C-Molls Wunsch, nie etwas.

      3

      Markus Occhio hatte sich hinter einem Blumenkasten versteckt, wo ich ihn – ich betrat um Punkt halb drei die Cafeteria – erst nach mehrmaligem Hin- und Hergehen entdeckte. Wir begrüßten uns und ich setzte mich. Mit seinem verfärbten Bluterguss im Gesicht, der sich ausgedehnt zu haben schien, sah er nun aus wie ein Clown.

      »Ich werde Ihnen entgegenkommen«, sagte Occhio leise und drehte den Kopf nach allen Richtungen, um sich zu vergewissern, ob ihn niemand gehört hatte. »Aber«, er räusperte sich und zog die Stirn in Falten, als käme nun etwas Ungeziemendes, »mein Name bleibt tabu?!«.

      Ich überging seine Frage: »Vielleicht können Sie Ihre Aussagen etwas ausweiten.« Wieder musste ich gegen das Kratzen im Hals ankämpfen. »Wissen Sie, als Journalist ist man immer sehr dankbar, wenn man genügend ‚Fleisch‘ hat, wie wir es bezeichnen – wie gesagt, dann könnte ich Ihnen auf fünfzehnhundert, eventuell auf mehr aufstocken. Doch es kommt wirklich darauf an, ob sich aus Ihren Informationen etwas Fundiertes destillieren lässt.« Ob dies aber zutreffe, machte ich ihm klar, könne ich erst am Ende beurteilen. Auf einen Hans-Gerd Unstihl könne er sich da ganz verlassen. »Tausend erhalten Sie auf jeden Fall.« Ich legte ihm ein Kuvert mit fünf Hundertmarkscheinen auf den Tisch und sagte leise: »Eine Anzahlung.«

      Er schob mir einen Zettel her, auf den er mit Kugelschreiber und in Normschrift geschrieben hatte:

      15. September 1996 Markus Occhio

      Ich, H. G. Unstihl, Journalist, unterschreibe dafür, dass ich in meinem Harvester-Bericht weder den Namen Markus Occhio nennen noch irgendeinen Hinweis auf seine Familie geben werde.

      Ich las, unterschrieb und gab ihm den Zettel zurück. Er erschien mir wertlos, aber ich sagte es ihm nicht. Hastig faltete er das Papierstück zusammen und stopfte es mit dem Umschlag in eine Tasche seines Morgenmantels. Auf seine Frage, was er nun zu tun habe, ob er mir hier in der Cafeteria erzählen solle, was ich wissen wolle, und ob ich dann mitschriebe, fischte ich aus meinem Aktenkoffer ein Diktiergerät und legte es auf den Tisch.

      »Ein Diktiergerät. Es hat drei Knöpfe: Hier schalten Sie ein. Weiterdrehen desselben Knopfs bringt mehr Lautstärke beim Abspielen des Bands. Zweiter Knopf: Aufnehmen. Sie drücken ihn und sprechen. Die Schlitze nicht mit der Hand abdecken, weil dahinter das Mikrophon ist. Wollen Sie eine Pause machen, drücken Sie wieder Knopf Zwei. So wechseln sich Aufnahme und Bandstillstand ab. Hier sind zwei Kassetten, die Sie jeweils fünfundvierzig Minuten lang besprechen können. Dreißig Sekunden vor Bandende hören sie einen langen Ton; sobald drei Piepstöne ertönen, ist die Kassette voll.« So schnappe der Schacht auf (ich machte es ihm vor), genau wie bei einem Kassettenrekorder, dann lasse sich das Band einlegen und herausnehmen (auch das führte ich ihm vor). Worauf zu achten ich ihn besonders bat: Er solle deutlich sprechen. Das