Claus Beese (Hrsg.)

Ist ja tierisch


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mit den dunklen Wolken vermischte.

      Es schien schon eine Ewigkeit her zu sein, seit sie sich zum letzten Mal gesehen, sich an einem wärmenden Feuer versammelt und die Nähe der anderen genossen hatten. Und doch war die Vertrautheit zu spüren, die Kameradschaft und die freundschaftliche Verbundenheit, auch wenn neue Gesichter die Runde belebten. Ihr Kreis war gewachsen, neue Freundschaften waren geschlossen worden. Sie hatten die Faszination des Feuers gespürt.

      Es war aber nicht die Anziehungskraft des Feuers allein. Es war mehr, das sie dazu getrieben hatte, sich auf den Weg zu machen, hin zu diesem fernen Platz. Die Männer und Frauen, die Jungen und Alten, die sich auf den Stämmen und knorrigen Baumstümpfen, im weichen Moos oder auf mitgebrachten Matten rings um das Feuer niederließen, hatten eines gemeinsam: ihre Liebe zu den Geschichten und Märchen, seien sie nun wahr oder in ihrer Phantasie erschaffen.

      Ein neues Scheit Fichtenholz wanderte in das Feuer um es zu nähren, und wie flüssiges Gold fiel ein Tropfen Harz von dem Kloben in die Flammen. Aus dem träumenden Schweigen des düsteren Waldes erscholl das Bellen eines Fuchses.

      „Na, das hätte ich mir denken können“, grinste einer in die Runde. „Der Hühnerdieb gibt niemals Ruhe. Der hofft mal wieder auf eine gute Mahlzeit, die er stibitzen kann.“

      „Dann braucht er wohl dringend eine Fressbremse“, ließ sich eine lachende Frauenstimme vernehmen.

      „Oder borg dir mal „Gunter“ aus. Da überlegt es sich auch ein Fuchs lieber dreimal, ob er sich auf den Hof wagt“, stimmte Claus in das Lachen ein.

      Fröhlich prosteten sie sich in der Dunkelheit zu. Aufgeschreckt durch das Klingen der Gläser flatterte ein kleiner Nachtfalter, der bisher selig auf einem nahen Ginsterstrauch vor sich hin geträumt hatte, um das Feuer. Eine hübsche junge Frau hielt sogleich ihre Hand über ihr Glas, in dem der Rotwein funkelte.

      „Hans-Jürgen“, prustete sie vor sich hin. „Natürlich, wo Rotwein fließt, da ist mein kleiner, dem Alkohol verfallener Freund nicht weit.“

      „Ein versoffener Nachtfalter? Das klingt nach einer guten Geschichte“, meldete sich ein weiterer zu Wort. „Komm, erzähl sie uns.“

      Weitere Stimmen wurden vernehmbar, Die kleine Gemeinschaft rückte mit glänzenden Augen, in denen sich der Schein der Flammen spiegelte, näher ans Feuer. Sie alle waren begierig auf neue Erzählungen, neue Geschichten. Und während der Wind leise säuselnd durch den dunklen Wald strich, in dem die Eulen lautlos ihre Beute schlugen, lauschten sie gespannt, manchmal lachend, manchmal verträumt und zuweilen nachdenklich.

       Diese Katze

      von Claus Beese

      Manchmal passiert gar nichts und manchmal passieren viele Dinge zur selben Zeit. Warum das so ist, mag mancher mit dem Wort Zufall abtun, doch so einfach mache ich es mir nicht. Ich bemühe mich schon, zu reflektieren, ob es mit einem Fehlverhalten meinerseits zu tun haben könnte. Doch meist verlaufen diese Bemühungen im Sande, denn mir ist nicht bewusst, dass ich mich jemals fehlverhalten hätte. Lieber Leser, sie merken schon: In mir wohnt ein gesundes Selbstbewusstsein.

      Ich räkele mich so gerne auf meiner alten, total ausgeleierten Liege auf dem Hof in der Sonne. Leise zischend brate ich dort vor mich hin, während ich dem Gesang der Vögel im Garten lausche. Gelegentlich gaukelt ein Schmetterling vorbei, eine Wolke zieht über den Himmel und verdeckt für kurze Zeit die Sonne, lässt es merklich kühler werden. Doch schon ist sie wieder da, und die Gänsehaut auf meiner markant-männlichen Brust verschwindet. Ich spüre, wie sich die feinen Härchen auf meinen Armen aufrichten. – Sie ist wieder da. Leise schleicht sie heran, lautlos, jedes Geräusch vermeidend. Doch ich weiß, sie ist da. Gleich wird sie um die Garagenecke biegen und mit einem scheelen Blick auf mich mit federndem, schnellem Schritt vorbeihuschen. Die Vögel werden ihren Gesang unterbrechen und anfangen zu zetern, wenn sie sie sehen. Das ficht sie nicht an, sie wird sich wie immer ihr Plätzchen unter dem Apfelbaum suchen und stumpf zur Seite fallen. Sie wird sich einmal strecken, herzhaft gähnen und dabei ihr Raubtiergebiss zeigen, sich in das weiche grüne Gras schmiegen und fast augenblicklich werden leise Schnarchgeräusche ertönen.

      Ich mag sie nicht, die Katze. Es ist mein Grundstück, mein Rasen und mein Schatten, den mein Apfelbaum spendet. Doch das interessiert sie nicht im Geringsten. Sie respektiert mich nicht. Ja, schlimmer noch, sie tut so, als wäre ich gar nicht vorhanden. Ich mag sie nicht, diese Katze.

      Es knirscht. Dann knackt es. Es macht „Ratsch“, und ich liege auf dem Boden. Weltuntergang! Meine liebste, alte, ausgelegene Gartenliege hat den Dienst quittiert. Ich reflektiere. Gut, es könnte sein, dass mit den bei mir im Laufe der Jahre sich ansammelnden Pfunden die Kräfte der Liege nachließen. Es könnte natürlich auch sein, dass sie ganz einfach nur altersschwach war. Sicher! Die Gerätschaften sind ja heute alle leicht und nicht mehr für die Ewigkeit gebaut. Da spielten ein oder zwei Pfund mehr Muskelmasse an meinem markant-männlichen Körper doch absolut und überhaupt keine Rolle.

      Eben ist der Lieferdienst wieder abgefahren. Auf dem Hof steht meine neue Gartenliege. Starkes eloxiertes Aluminiumgestänge, mit starker Bespannung und einer doppelt dicken Auflage, die ein wohlig weiches Liegegefühl vermittelt. Der Stoff in zartgelb, dem eines Zitronenfalters ähnlich. Ein Traum von einer Gartenliege und natürlich, wie sollte es anders sein, nicht ganz billig. Doch man gönnt sich ja sonst nichts. Und manche Ausgaben müssen einfach sein, lassen sich beim besten Willen gar nicht vermeiden. Sie ruft nach mir, meine Liege. Doch so, mit der normalen Kleidung eines Arbeitstages, mag ich sie nicht einweihen. Ich gehe mich umziehen.

      Locker und leger gekleidet betrete ich wenig später den Hof und … erstarre.

      Meine Liege, mein neues, teures Stück Feierabendgemütlichkeit ist besetzt. Ein Knäuel aus Fell mit Tigerstreifen und weißen Pfoten fällt gerade auf der weichen Auflage stumpf auf die Seite, reckt sich wohlig und spreizt die Krallen, gähnt dabei, dass sein Raubtiergebiss alle Zähne sehen lässt, und beginnt augenblicklich leise zu schnarchen. Ich stehe ein wenig ratlos da, mit Sonnenöl und Handtuch, einem Gläschen Sekt und etwas zu knabbern. Muss ich mir das bieten lassen? Ich mag die Katze nicht.

      Ich befreie meine Hände von unnötigem Ballast und schreite zur Tat.

      „Heh! Du! Runter da!“

      Das Schnarchen wird lauter. Zusätzlich schnurrt das Vieh in höchster Wonne. Ich tippe sie an, piekse mit meinem Finger in ihre speckige Seite. Das Schnurren stoppt, das Schnarchen bleibt. Sie reagiert nicht. Wieder einmal tut sie so, als gäbe es mich gar nicht. Ich werde rabiat, schiebe meine Hände unter den haarigen Katzenkörper und hebe ihn hoch. Der Katzenleib auf meinen Händen folgt der Bewegung, doch die Krallen an allen vier Pfoten hängen fest im Bezug der Auflage. Ich schüttele das Katzenvieh und langsam, fast in Zeitlupe öffnet sich ein Auge und schaut mich ausdruckslos an. Wenigstens hat sie das Schnarchen eingestellt. Ob das ein gutes Zeichen ist?

      Was dann passiert, ist mir nicht ganz klar. Auf jeden Fall sind meine Unterarme plötzlich blutig, sie schmerzen höllisch und auf meiner Liege steht etwas, das ich so noch nie gesehen habe. Es ähnelt einer Flaschenbürste mit Buckel und kampfbereit ausgefahrenen Krallen. Es wird besser sein, wenn ich die Wunden desinfiziere. Auch wäre es nicht gut, wenn das Blut auf meine neue Liege tropft. Ich mag dieses Katzenvieh nicht.

      Mit verbundenen Armen betrete ich etwas später den Hof. In mir schäumt es. Ich greife die ganze Liege und kippe sie einfach auf die Seite. Geschmeidig lässt sie sich vom Polster gleiten und steht abwartend da. Kaum stelle ich die Liege wieder in Position, ist sie wieder auf dem Polster, kippt stumpf zur Seite und …

      „Chchchchchchch!“, fauche ich sie an. Es wird Zeit, dass ihr mal jemand so richtig die Meinung sagt.

      „Wauwauwau!“, versuche ich es mit Fremdsprachen. Langsam, wie in Zeitlupe, öffnet sich ein Auge und schaut mich ausdruckslos an... - Es reicht. Ich trete den taktischen Rückzug an, ziehe mich vom Schauplatz des Geschehens zurück und zeige ihr so, was ich von ihr halte. Bei mir macht sie es doch auch so, ignoriert mich einfach. Allerdings bin ich mir über den Erfolg dieser Maßnahme im Zweifel, denn immer noch liegt sie auf