Claus Beese (Hrsg.)

Ist ja tierisch


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Telefon und wähle die Nummer.

      „Ja! Es eilt! Kommen Sie so schnell wie möglich! Natürlich noch heute!“, brülle ich in den Hörer. Warum müssen Menschen immer so schwer von Begriff sein? Das muss er doch hören, dass ich in einer wirklichen Notlage bin.

      Er hat es gehört. Kaum eine halbe Stunde später ist der Lieferdienst wieder da, und bringt eine zweite Liege. Haha! Triumph auf der ganzen Linie. Mit Schwung werfe ich mich auf die zartgelbe Matratze, recke und strecke mich, kuschele mich wohlig in das kleine Nestchen, das mir die extraweiche Auflage bereitet. Jetzt ist auch ein Gläschen Sekt genehm, auch ein zweites und drittes. Der Alkohol und die Sonne machen mich schläfrig. Warum soll ich nicht auch nach der ganzen Aufregung ein wenig Augenpflege betreiben? Sanft dämmere ich hinüber in Morpheus' Arme, entschlüpfe der garstigen Welt und wandele in ein schöneres Leben… - und merke dabei nicht, wie sich die feinen Härchen an meinen Armen aufstellen.

      Sie ist da! Lauert dort drüben auf der anderen Liege. Jetzt nimmt sie Anlauf, duckt sich zum Sprung. Sie erklimmt meinen markant-männlichen Körper und kaum, dass sie auf meinem breiten Brustkorb steht, fällt sie stumpf zur Seite, gähnt herzhaft, dass man ihr prachtvolles Raubtiergebiss sehen kann und fängt leise an zu schnarchen. Ihre Pfoten stoßen mich an und sie gibt erst Ruhe, als ich im Schlaf beginne, sie zu kraulen. Zart streichen meine Finger durch ihr wunderbar weiches Fell und ich genieße das sanfte Vibrieren dieses schnurrenden Knäuels. Ich mag sie nicht, diese Katze!

       Die Fressbremse

      von Anita Koschorrek-Müller

      Zum dritten Mal drückte ich den Klingelknopf an Bauer Harms' Haustür. Was sollte ich bloß tun, wenn er nicht zu Hause war? Vor Stunden hatte ich schon versucht ihn telefonisch zu erreichen, vergeblich. Ich hörte Schritte und Matthias Harms öffnete die Tür. Er trug einen zerschlissenen, grau und blau gestreiften Bademantel, sah ziemlich verschlafen aus, die Haare standen zu Berge und eine Rasur war dringend nötig.

      „Was in aller Welt willst du denn hier, heute, am Sonntag?“, schnauzte er mich an.

      „Matthias, bin ich froh, dass du zu Hause bist. Ich habe schon den ganzen Morgen versucht dich anzurufen!“

      „Gestern war Schützenfest, da musste ich heute ausschlafen. Erna und Richard haben die Tiere gefüttert und sind zum Gottesdienst“, erklärte der vermutlich noch nicht ganz nüchterne Bauer.

      „Matthias, das ist ein Notfall, du musst unbedingt helfen! Ich weiß nicht, an wen ich mich sonst wenden könnte“, flehte ich ihn an. „Du weißt doch, dass ich morgen verreise, deshalb ist es ja so dringend.“

      „Was gibt es denn Wichtiges, dessentwegen du mich am heiligen Sonntag aus dem Bett klingelst?“, brummte Bauer Harms und rieb sich das zerknitterte Gesicht.

      „Komm mit!“

      Am Arm zog ich ihn auf den Hof zu meinem Wagen mit dem Pferdeanhänger. Ich öffnete die hintere Tür, klappte die Rampe herunter und führte das braun weiß gescheckte Pony am Halfter aus dem Hänger.

      „Das ist Katinka, sechs Jahre alt, eine Stute“, stellte ich das Pferdchen dem Bauern vor.

      „Sechs Jahre? Kaum zu glauben. Das Pony sieht aus, als hätte es schon dreißig Jahre auf dem Buckel.“ Bauer Harms besah sich Katinka von allen Seiten. „Mein Gott, welch eine elende Kreatur! Wo hast du die denn aufgegabelt?“

      „Beim Schlachter! Und wenn ich sie diesem Lump nicht abgekauft hätte, wäre sie am Montag in der Wurscht.“

      „Na ja, viel Wurst hätte er aus der nicht machen können, so mager wie die ist“, stellte Matthias Harms fachmännisch fest.

      Ich versuchte den Bauern davon zu überzeugen, dass er Katinka aufnehmen müsse. Er war ihre letzte Rettung. Meine Überredungskünste wurden davon untermauert, dass ich für das Pony den gleichen Boxenpreis zahlen würde wie für mein Pferd Sam, einen dunkelbraunen Wallach mit weißer Blesse, der seit zwei Jahren hier in Pension war. Wir standen noch auf dem Hof und verhandelten über die Unterbringung der kleinen Stute, als Erna und Richard vorfuhren. Erna war Bauer Harms' Schwester und Richard ihr Sohn. Die beiden waren nach dem Tod der Bäuerin auf den Hof gezogen und als gelernter Pferdewirt war Richard in den Familienbetrieb mit eingestiegen.

      Er kam über den Hof marschiert und begutachtete Katinka.

      „Mmh, das Pony hat aber auch schon mal bessere Zeiten erlebt.“

      „Und?“, fragte ich nun Richard, da Matthias Harms sich mit einer Zusage zurückhielt. „Könnt ihr Katinka aufnehmen? Ich habe sie gerade vorm Schlachter gerettet.“

      „Das wird eng“, meinte der junge Mann. „Wir sind zurzeit voll belegt.“

      Erna hatte sich dazu gesellt und schaltete sich in das Gespräch ein.

      „Wir werden schon ein Eckchen finden. Wenn sich das Wetter weiter so hält, kann sie tagsüber mit auf die Weide.“

      Bauer Harms sagte nichts und Richard druckste herum.

      „Mama, wie soll das denn gehen? Wo haben wir denn noch ein Eckchen?“

      „Ich werd schon was finden“, antwortete Erna und tätschelte dem Pony den Hals. „Na, Katinka, du bleibst jetzt bei uns!“

      Damit war das letzte Wort gesprochen. Ich war froh, dass das Pferdchen ein neues Zuhause hatte und konnte beruhigt meinen Urlaub antreten.

      Nach einer Woche rief ich auf dem Hof an. Erna war am Apparat.

      „Wie geht es Katinka?“, lautete meine erste Frage.

      „Alles bestens! Sie frisst ordentlich, geht jeden Tag mit auf die Weide und fügt sich in die Herde ein. Mach dir keinen Kopf. Dem Pony geht es richtig gut.“

      Samstags kam ich aus dem Urlaub zurück und fuhr noch am selben Tag zum Hof. Die Pferde waren fast alle auf der Weide. Ich setzte mich auf das Holztor an der Koppel und hielt Ausschau nach meinen beiden Pferden. Sam hatte mich erkannt und kam angetrabt, gefolgt von Katinka.

      Natürlich hatte ich ein paar Möhren dabei und etwas trockenes Brot. Sam blieb dicht vor mir stehen und rieb seinen Kopf an meiner Schulter. Ich streichelte das weiche Pferdemaul und redete mit ihm.

      „Na, mein Junge. Hast du mich vermisst?“ Sam knabberte an der Möhre, die ich ihm hinhielt. Zögernd näherte sich nun auch Katinka. „Na, Kleine? Möchtest du auch 'ne Möhre?“

      Richard kam über den Hof zu mir ans Gatter.

      „Hat sich gut herausgemacht, deine Katinka!“

      „Mmh, sieht klasse aus!“ Ich konnte Richard nur beipflichten.

      „Erna hat sich um sie gekümmert“, erzählte er. „Die hat einen Narren an dem Pony gefressen und Sam hat Katinka immer im Schlepptau.“

      Leider hatte ich heute keine Zeit zum Ausreiten und verabschiedete mich von Richard. Sam bekam noch eine Möhre und ging gemächlich wieder auf die Weide. Katinka sah mich durch ihre dichte Mähne aufmerksam an und wartete.

      „Das ist ihre Masche!“, lachte Richard. „Die bleibt solange vor dir stehen, bis sie etwas Fressbares erbettelt hat.“

      Katinka bekam natürlich auch ihre Möhre und trabte munter hinter Sam davon.

      Die Wochen vergingen und wenn ich mit Sam ausritt, begleitete uns das Pony. Mit der Zeit wurde das Pferdchen jedoch immer dicker und die Ausritte wurden für das Tier beschwerlich. Ich sprach Richard darauf an.

      „Das Pony wird zu dick. Könnt ihr das Futter nicht reduzieren?“

      „Mmh, du hast Recht“, bestätigte Richard meine Beobachtung. „Da müssen wir was unternehmen. Diese Woche kommt der Tierarzt auf den Hof. Der kann sich Katinka mal ansehen und dann überlegen wir, was wir tun können.“

      Der Tierarzt bescheinigte, dass Katinka bei bester Gesundheit war, nur zu dick. Er riet zu einer Fressbremse, einer Art Maulkorb, der die Futteraufnahme