Claus Beese (Hrsg.)

Ist ja tierisch


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uns halt Sorgen über den Verbleib unseres kleinen Mitbewohners.

      Am anderen Ende des Dorfes wohnte eine alte Frau, von der ich wusste, dass sie sich um herrenlose Katzen kümmerte.

      „Hallo, Johanna, hast du unseren Kater gesehen?“, fragte ich das Mütterchen, das gerade dabei war mehrere Näpfe, um die dicke schwarze Fliegen brummten, mit Katzenfutter zu füllen. Mühsam richtete sich Johanna auf und musterte mich neugierig.

      „Du wohnst doch in dem Haus am Waldrand?“

      „Ja, und wir haben zwei Katzen und eine davon, ein kleiner schwarzer Kater, ist seit einer Woche verschwunden.“

      „So ein kleiner, schwarzer, mickriger?“ Die alte Johanna schien unseren schwulen Wadenbeißer zu kennen. Ich nickte erfreut.

      „Da treibt sich einer neuerdings mit der alten Lola rum“, erzählte die betagte Frau. „Auf den würde deine Beschreibung passen. Schau mal da am Katzenhügel nach. Vielleicht liegt er bei der Lola in der Sonne.“

      Hinter Johannas Haus befand sich ein Steilhang mit mehreren Terrassen aus Sandstein, auf denen einige Katzen lagen und dösten.

      „Dort oben liegt die Lola.“ Die Alte kam, auf ihren Gehstock gestützt, angeschlurft und deutete zur obersten Steinterrasse. Ich konnte einen schwarzen dicken Fellknubbel entdecken. Es war aber nicht zu erkennen, ob es sich dabei um eine oder mehrere Katzen handelte.

      „Wart's ab“, rief Johanna und klopfte mit ihrem Gehstock gegen eine leere Katzenfutterdose, die auf dem Boden lag, dass es schepperte. „Komm, Miez, Miez!“

      In den Fellberg kam Bewegung und er entpuppte sich als großer massiger Katzenkörper, hinter dem sich eine kleine Katze versteckt hielt. Lola streckte sich, kam langsam, gefolgt von Katerchen Wastl, zu uns herunter. Ich traute meinen Augen kaum. Lola war eine imposante Erscheinung, wenn man davon absah, dass sie nur ein Auge hatte und ihr Hängebauch fast über den Boden schleifte. Ich versuchte unser Katerchen zu locken, doch er ignorierte mich. Gemeinsam mit Lola ging er zu den Fressnäpfen.

      „Was findet er denn an der?“ Fassungslos sah ich die alte Johanna an.

      „Auf 'nem alten Fahrrad lernt man immer noch am besten“, meinte das Mütterchen kichernd und schlurfte ins Haus.

      Nach einigen Tagen fand sich Wastl wieder bei uns ein. Er und Billy waren unzertrennlich, bis ihn die alte Lola wieder in ihren Bann zog und er mit anderen Katern um ihre Gunst kämpfte. So ging es einen Sommer lang. Dann verschwand der kleine schwarze Kater spurlos und tauchte nie mehr auf. Vermutlich war ihm sein unsolider Lebenswandel zum Verhängnis geworden.

      Kater Billy blieb uns ebenfalls nicht lange erhalten. Seine Lebensführung, sein Hang zur Völlerei, beendete sein junges Leben auf tragische Weise. Das gefräßige Tier machte auch vor einer vergifteten Maus nicht halt, was sein vorzeitiges Ableben bedeutete. Lola verstarb im gesegneten Alter von 22 Jahren auf dem Katzenhügel hinter Johannas Haus im Kreise ihrer Verehrer an Altersschwäche. Nach unseren Erlebnissen mit drei schwarzen Katzen, war das Thema Stubentiger für uns abgeschlossen. Wir kamen auf den Hund und waren von da an stolze Herrchen und Frauchen. Wir waren nun Alphatiere, wo wir bisher lediglich Personal waren.

       Hühnerhofgeschichten

      von Helga Licher

      Die Katastrophe hatte sich schon vor längerer Zeit angekündigt. Ich spürte, es lag etwas in der Luft… Hedwig benahm sich in den letzten Tagen recht merkwürdig. Manchmal stand sie einfach nur teilnahmslos am Maschendraht und blickte traurig zum Grundstück des benachbarten Bauern hinüber. Ich mochte Hedwig; mit ihrem schneeweißen Federkleid sah sie viel eleganter aus, als die übrigen Hühner auf dem Hof unserer Nachbarin. Pflichtbewusst legte Hedwig jeden Tag ein Ei und lief anschließend gackernd über den Hof. Hedwig gackerte oft und laut. Ab und zu, wenn Frau Bergers Hühner besonders viele Eier produzierten, schenkte unsere Nachbarin uns einige.

      „Hedwigs Eier schmecken besonders gut...“, sagte mein Mann stets nach dem Frühstück. Ich konnte ihm da nur beipflichten, doch auch ein Topfkuchen, mit frischen Hühnereiern gebacken, ist einfach hervorragend.

      Und nun streikte Hedwig! Bekümmert pickte sie ein Futterkorn auf und putzte ihr Gefieder.

      Beunruhigt beobachtete ich die Szene, die sich auf Bergers Hühnerhof abspielte. Ich ahnte, was in Hedwig vorging. Ihr kleines Hühnerherz schmerzte heftig, seitdem Johann, der prachtvolle Hahn, eines Morgens tot hinter dem Stall lag. Niemand hatte den Bösewicht bemerkt, der ihr den Liebsten nahm.

      Die meiste Zeit ihres Hühnerlebens hatten sie gemeinsam verbracht. Hedwig konnte sich einfach nicht vorstellen, wie es ohne Johann an ihrer Seite weitergehen sollte. Jeden Morgen, pünktlich um fünf Uhr in der Früh, hatte Johann den Misthaufen bestiegen und mit seinem lauten Krähen den neuen Tag begrüßt. Doch nun war es still auf Bergers Hühnerhof. Der Hahn lag tot im Gras und streckte seine Beine in die Luft. Hedwig konnte Johann einfach nicht vergessen.

      Nachdenklich stand die Bäuerin des Berger-Hofes am Zaun und ließ ihre Augen über die Hühnerschar wandern. Ihr Blick verhieß nichts Gutes. Mit zusammengekniffenen Augen starrte sie Hedwig an und machte schließlich eine unmissverständliche Handbewegung. Mir kam ein entsetzlicher Gedanke. Sie würde doch nicht...

      „Wenn Hedwig nicht spurt, kommt sie in den Kochtopf!“ Frau Bergers Stimme klang energisch und unversöhnlich.

      Ich musste schlucken, mit allem hatte ich gerechnet, doch damit nicht. Flehend sah ich zuerst Frau Berger und dann Hedwig an.

      „Muss das wirklich sein?“, fragte ich bedrückt. „Vielleicht ist Hedwig gerade etwas unpässlich?“

      „Hedwig ist eine Legehenne! Mein Hühnerhof ist kein Sanatorium für unpässliche Hühner!“ Frau Berger duldete keinen Widerspruch, das wurde mir in diesem Moment klar. In meiner Verzweiflung wandte ich mich in einem unbemerkten Augenblick an Hedwig.

      „Nun komm schon...“, sprach ich leise auf die Henne ein. „Leg doch wenigstens ein Ei. Das kann doch nicht so schwer sein.“

      Ich sah Hedwig beschwörend an. Doch die ließ mein Bitten und Flehen ziemlich kalt. Sie drehte ihren Kopf in die andere Richtung und trippelte lustlos über den Hof. Jetzt war guter Rat teuer.

      Auf Hedwigs wohlschmeckende Frühstückseier wollten mein Gatte und ich auf keinen Fall verzichten. Frau Berger machte jedoch nicht den Eindruck, als ließe sie sich jemals von mir umstimmen. Nun verstehe ich von artgerechter Hühnerhaltung ungefähr so viel wie ein Hamster vom Haareschneiden. Außerdem fehlte mir jede Idee, was in einem Fall von absoluter Legeverweigerung zu tun sei. Frau Berger würde uns keine große Hilfe sein, das stand fest. Schließlich hatte mein Mann die rettende Idee.

      „Ich kann mir denken, was Hedwig fehlt...“, sagte er schmunzelnd und versprach, sich um die einsame Henne zu kümmern.

      Und so kam es, dass einige Zeit später ein stolzer, schwarzer Hahn würdevoll über Bergers Hühnerhof stolzierte. Sein schwarzes Gefieder glänzte im Licht der Sonne und schillerte in allen Farben des Regenbogens. Leuchtend rot schwoll sein Kamm, als er zu einem nicht enden wollenden „Kikeriki“ ansetzte. Aufgeschreckt schlugen die Hühner mit ihren Flügeln, während sie den Hahn aus sicherer Entfernung beobachteten. Skeptisch wagte auch Hedwig einen kurzen Blick… Und ihr gefiel, was sie sah.

      Majestätisch, wie ein Pfau, stelzte der Hahn auf Bergers Hühnerhof hin und her. Hoheitsvoll sah er sich in seinem neuen Revier um. Hedwig war völlig aus dem Häuschen. Vergessen waren Johann und ihre unerfüllte Liebe zu ihm. Laut gackernd putzte sie kokett ihre kurzen Schwanzfedern und folgte dem aufgeblasenen Hahn auf Schritt und Tritt bei seinem Kontrollgang über den Hühnerhof. Die fettesten Würmer waren gerade gut genug, um sie dem hochmütigen Hahn vor die Füße zu legen. Hedwig wusste halt genau, wie man das Herz eines stolzen Hahnes erobert.

      „Das war Hedwigs letzte Chance...“, sagte Frau Berger amüsiert. Als Dankeschön reichte sie uns einen großen Korb frischer Hühnereier. Ich glaube, von Hedwig waren auch einige dabei.