Tugend und Sicherheit zu achten. Eigentlich war Laura tadellos erzogen und hatte sich bisher nie aufmüpfig gegeben, doch der Gedanke, einen ihr unbekannten Mann fern ihrer Heimat ehelichen zu müssen, hatte eine gewisse Rebellion in ihr entfacht. Sie hatte sogar daran gedacht, mit den Blackwaters in Antigua von Bord zu gehen und ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Leider scheiterte diese Idee schon allein an der Tatsache, dass sie gar keine eigenen Mittel zur Verfügung hatte. All ihr Besitz würde bei der Heirat auf ihren Mann übergehen, im Moment befand sich alles unter der eisernen Hand von Tante Jane. Alles was Laura bei sich hatte, waren vier Schiffskoffer mit Kleidung und einer mit anderen Kleinigkeiten wie Schuhen, Hüte, Schleifen, Schmuck und dergleichen. Kurz hatte sie in Erwägung gezogen, den Schmuck zu Geld zu machen, doch sehr viel würde es nicht ausmachen und wenn das Geld zu Ende ginge, stünde sie erneut vor dem Nichts. Es war einfach zum verrückt werden.
„Da!“, rief Jacob Blackwater, der soeben das Deck betreten hatte. „Möwen. Wir müssen jetzt nahe der Küste sein.“
„Vielleicht sollte ich lieber mit dir nach Jamaika reisen, um dich dort sicher in die Hände deines Onkels zu übergeben. Dann könnte ich ein Schiff von Jamaika nach Antigua nehmen“, überlegte Marie Blackwater.
„Das ist nicht nötig, vielen Dank. Das kurze Stück werde ich auch noch überstehen“, wehrte Laura ab.
„Ich weiß nicht. Ich ...“
„Ich verspreche Euch, dass mir nichts widerfahren wird. Ich werde die letzten Tage auf meiner Kabine bleiben und auch meine Mahlzeiten dort einnehmen“, warf Laura ein.
Nicht, dass sie wirklich solches vorhatte, doch sie wollte auf keinen Fall, dass Marie Blackwater sie weiter begleitete.
„Das ist eine vernünftige Idee, mein Kind“, erwiderte Marie Blackwater erleichtert. „Vergiss aber nicht, deine Kabine zu verriegeln.“
„Ganz bestimmt nicht.“
„Gut. Ich gehe dann jetzt besser unter Deck und mache mich für den Landgang bereit. Ich wünsche dir noch eine gute Reise, Miss Oakfield.“
„Danke, und Euch alles Gute mit dem Geschäft.“
Rick
Rick starrte auf das sich dem Hafen nähernde Schiff, welches ihn nach Jamaika bringen sollte. Der Gouverneur hatte nichts dem Zufall überlassen. Vier bewaffnete Männer sollten dafür sorgen, dass er nicht abhanden kam. Seine Hände waren hinter dem Rücken gefesselt. Im Moment hätte er nicht einmal gewusst wohin er fliehen sollte. Die Black Rose war beschlagnahmt und wurde von Soldaten bewacht, seine Crew, sofern sie nicht fliehen konnten, war eingesperrt worden. Ihre Verhandlung würde irgendwann in den nächsten Tagen stattfinden. Nur Rick, als Captain der Black Rose, würde nach Jamaika überstellt werden. Seine kleine Plantage hingegen sollte sicher sein. Niemand kannte die Verbindung zwischen Ricardo Davino, dem Schwarzen Teufel, und Richard Barnes. Ersteres war der Name, unter dem er Piraterie betrieben hatte, Letzteres sein richtiger Name. Er hatte die Plantage vor drei Jahren mit Geld aus seiner Beute erworben und wollte sich eigentlich zur Ruhe setzen, doch der letzte Coup war gründlich in die Hose gegangen. Er musste einen Verräter an Bord der Black Rose gehabt haben. Wenn er nur wüsste wer diese Ratte war, und er ein wenig mehr Zeit hätte, Rache an dem Mistkerl zu nehmen. Doch er wusste weder wer ihn verraten hatte, noch hatte er Zeit und Möglichkeit zur Rache. In ein paar Tagen würde er hängen.
Die Madeline lief in den Hafen ein. Männer beeilten sich, das Schiff zu vertäuen. Eine Gestalt auf dem Deck erregte seine Aufmerksamkeit. Eine junge Frau mit blonden Haaren und einem lilafarbenen Kleid mit schwarzer Spitze stand mit einer älteren Matrone und einem älteren Herrn zusammen. Offenbar die Eltern der jungen Frau. Eigentlich war die junge Frau gar nicht sein Typ, viel zu steif und vornehm, dennoch konnte er seinen Blick nicht von ihr wenden. Okay, sie war schön, zumindest von hier aus gesehen, doch er hatte in seinem Leben unzählige schöne Geliebte gehabt. Exotische Schönheiten waren darunter gewesen. Es gab keinen Grund, der Lady mehr als einen flüchtigen Blick zu gönnen.
Die Gangway wurde herab gelassen, und ein älterer Herr schritt hinter ein paar Matrosen über die Planken hinab. Das ältere Paar trennte sich von der jungen Frau, um ebenfalls das Schiff zu verlassen. Scheinbar blieb die Blonde an Deck. Würde sie etwa weiter nach Jamaika reisen?
Was interessiert dich das? Erstens ist sie nichts für dich. Zweitens wirst du wohl kaum Gelegenheit haben, sie näher kennen zu lernen. Wahrscheinlich bekommst du sie nicht einmal mehr zu Gesicht!
Trotzdem verspürte Rick eine gewisse Aufregung bei dem Gedanken, dass die Schönheit mit ihm reisen würde.
Laura
Die Blackwaters waren von Bord gegangen, und Laura atmete erleichtert auf. Einige Waren, die für Antigua bestimmt waren, wurden von der Mannschaft an Land gebracht. Frischwasser wurde aufgefüllt und ein paar Dinge an Bord geladen. Laura wollte gerade wieder unter Deck gehen, als ihr Blick auf einen Mann in Ketten fiel. Er war groß und breitschultrig. Das schwarze Haar fiel ihm in dicken Locken ins Gesicht. Sein Blick war geradewegs auf sie gerichtet. Ihr Herz tat einen Sprung. Da war etwas an diesem Mann das ihr Angst einjagte. Auch ohne die Ketten und bewaffneten Wachen hätte sie sofort sagen können, dass es sich um einen Kriminellen handelte. Er strahlte Gewalttätigkeit aus und eine Arroganz, die so gar nicht zu seinem niedrigen Stand passen wollte.
Oh mein Gott! Sie werden diese Bestie doch nicht an Bord bringen?
Ihre schlimmsten Befürchtungen schienen sich zu bewahrheiten, denn einer der Wachmänner stieß den Mann mit einer Muskete in die Seite und der setzte sich in Bewegung. Mit langen Schritten kam er auf die Gangway des Schiffes zu. Ihr Instinkt sagte ihr, dass sie schleunigst in ihre Kabine flüchten sollte, doch ihre Beine schienen auf den Schiffsplanken festgewachsen zu sein. Starr vor Schock stand sie da, während der kriminelle Unbekannte die Gangway hinauf kam. Als er an Bord ging, fiel sein Blick erneut auf sie. Er war nur wenige Schritte von ihr entfernt. Dunkle, beinahe schwarze Augen starrten sie durchdringend an. Ihr Herz klopfte wild, und ihr Magen schien sich verknotet zu haben.
„Aus dem Weg, Miss!“, sagte einer der Wachmänner.
Sie erwachte aus ihrer Starre und sprang mit einem entsetzten Keuchen ein paar Schritte beiseite, als der Gefangene an ihr vorbei geführt wurde. Erst als man ihn unter Deck gebracht hatte, beruhigte sich allmählich ihr galoppierendes Herz. Sie wusste nicht, was für ein Verbrechen dieser Kerl begangen hatte, doch sie war sicher, dass es mit einer Menge Toten zu tun hatte. Wenn sie jemals einen Mörder zu Gesicht bekommen hatte, dann war es dieser Mann. Es war gut, dass er gefasst worden war. Gott behüte, dass so ein Tier frei herum lief. Sie hoffte nur, sie würde ihn nie mehr zu Gesicht bekommen müssen.
Rick
Man brachte ihn in den Laderaum, wo es eine vergitterte Zelle für Gefangenentransport gab. In Gedanken war er bei der blonden Lady. Sie war schön von der Entfernung gewesen, doch aus der Nähe war sie einfach atemberaubend. Ihre grünen Augen hatten ihn mit Angst, aber auch mit Interesse angesehen. Ihr Teint war etwas goldiger, als es sich für eine Lady schickte und er hatte sogar ein paar Sommersprossen auf ihrer Nase ausmachen können. Ihre vollen Brüste luden geradezu dazu ein, sein Gesicht darin zu vergraben. Ein Hauch von Lavendel war ihm in die Nase geweht, als er an ihr vorbei geführt worden war. Für eine Frau war sie relativ groß gewachsen und er konnte ihre langen schlanken Beine vor seinem geistigen Auge sehen, auch wenn ihre Röcke dies leider vollständig verborgen hatten. Die Haut dort würde natürlich nicht golden, sondern cremig weiß sein. Zumindest hatte er nun etwas, womit er sich die Zeit vertreiben konnte, solange die Reise dauerte. Er konnte sich ausmalen, wie er die stolze Lady dazu brachte, sich ihm und seinen Gelüsten zu unterwerfen. Er würde sie auf die Knie zwingen und sie würde seinen Schwanz aus seiner Hose befreien und ...
„Mach mir ja keinen Unsinn!“, wurde er brutal aus seinen erotischen Tagträumen gerissen.
Der Wärter stieß ihn in die hinterste Ecke des Käfigs und Rick stieß sich schmerzhaft die Schulter an einem