Janine Zachariae

Das magische Armband


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      »Du hast es gelesen?«

      »Ja. Auch wenn ich gestehen muss - als Johnny Depp Fan - den Film ›Wenn träume fliegen lernen‹ wunderschön finde. ›Hook‹ aber auch.«

      »Du bist unglaublich«, sagte er abermals. Ich zuckte mit den Schultern.

      »Ich bin keine ›Mentalistin‹ oder Wahrsagerin, ich beobachte. Das ist alles.«

      »Ich weiß. Erstaunlich ist es trotzdem. Machst du das bei vielen?«

      »Nein, so analysiert - wenn Sie es so nennen möchten - habe ich bisher erst Sie und meine Oma.«

      »Unglaublich«, wiederholte er.

      »Lag ich eigentlich richtig?«, wollte ich dann doch wissen.

      »Fast immer.«

      »Bei was denn nicht?«

      »Robbie Williams.«

      Erneut lachte ich. »Nein, natürlich nicht.« Scheinbar synchron blickten wir beide auf die Uhr. »Ach, herrje. Schon Mitternacht«, bemerkte ich.

      »Oh wow.«

      »Darf ich Sie noch um eine Sache bitten?« Er lächelte. »Das, was ich Ihnen erzählte - über Johanna, sagen Sie es bitte nicht weiter.«

      »Versprochen. Willst du wieder mit joggen?«

      »Sehr gerne. Wir sehen uns dann in weniger als fünf Stunden. Gute Nacht, Jacob.«

      »Gute Nacht, Maja.«

      Wenige Stunden später klingelte auch schon mein Wecker. Es kam mir vor, als hätte ich nur zwei Stunden geschlafen, dabei waren es vier.

      Aber im Traum erschien mir wieder meine Oma:

      ›Hallo, meine Liebe‹, begrüßte sie mich.

      ›Hallo, lieber Geist.‹ Sie lächelte und ihre Fältchen wirkten lebendig und verspielt.

      ›Er mag dich. Möchte es aber nicht eingestehen. Er glaubt, du seist zu jung.‹

      ›Bin ich auch‹, sagte ich.

      ›Das stimmt. Aber er würde auf dich warten.‹

      ›Wie lange?‹, fragte ich sie und fuhr mir mit meiner Hand durchs Haar. Es war so eigenartig sie so zu sehen. Es war nichts um sie herum, nur sie.

      ›Bis du alt genug bist.‹

      ›Für was?‹

      Sie sah mich an und verschränkte ihre Arme. ›Das meinte ich nicht.‹

      ›Sondern?‹

      ›Bis du alt genug bist, um dir deine Gefühle einzugestehen.‹

      ›Das geht nicht‹, sagte ich verzweifelt.

      ›Warum nicht, Liebling?‹

      ›Es sind sechs Jahre, die zwischen uns liegen. Er ist mein Lehrer.‹

      ›Es sind nur sechs Jahre. Das ist nicht die Welt. Bei Jack und mir waren es auch sechs Jahre.‹

      ›Das war aber was anderes.‹

      ›Warum?‹

      ›Weil ihr beide volljährig wart.‹

      ›Und ich war verheiratet.‹

      ›Stimmt‹, merkte ich nachdenklich. ›Wann werde ich jemals erfahren, was zwischen euch lief und was mit deinem Mann war?‹

      ›Du musst nur den Schlüssel finden.‹

      ›Wo ist er?‹

      ›Näher, als du denkst.‹

      ›Ich verstehe nicht ...‹

      In diesem Moment begann mein Wecker zu klingeln und sie verblasste. Ich band meine Haare zum Zopf und verzog mich ins Bad. Auch dieses Mal begrüßte mich Molly sabbernd und schnuppernd, während Jacob noch seine Schuhe zuband.

      »Bereit?« Ich schnappte meinen MP3-Player und wir liefen hinaus. Auf halber Strecke blieb er stehen und auch ich hielt an.

      »Ist alles in Ordnung mit dir? Du wirkst so abweisend. War die Nacht doch zu kurz?«

      »Nein, ganz und gar nicht. Der Abend war interessant, nie hätte ich es eingetauscht, nur um ein paar Stunden mehr zu schlafen.«

      »Was ist es dann?«

      »Im Traum besuchte meine Oma mich wieder.«

      »Was hat sie erzählt?«

      »Ich, ... Ähm, nein, anders. Sie, ... Nein, auch nicht, ich glaube, es wäre besser, es nicht zu erzählen.«

      »Mmh, okay.« Erneut sahen wir uns an.

      »Sie haben wirklich unglaubliche Augen.« Er lächelte und rieb sich verlegen seinen Nacken.

      »Entschuldigung, es war unpassend.«

      »Schon okay.«

      »Wissen Sie, ich kann Ihnen nicht den genauen Inhalt meines Gesprächs erzählen. Aber ich kann Ihnen verraten, dass Sie das Thema waren. Ich sag es Ihnen, weil es nicht fair ist, über jemanden zu reden, wenn dieser nicht da ist. Es gibt Ausnahmen. Aber die gelten hier nicht.«

      »Alles klar, Maja«, er wirkte etwas geknickt. Ich blickte zum Himmel.

      »Wir sollten wieder umkehren. Es wird bald regnen.« Kaum gesagt, schon goss es wie aus Eimern. Molly erfreute es. Als wir wieder reinkamen, waren wir so durchnässt, dass unsere Kleidung tropfte und überall Spuren hinterließen. Als ich Molly beobachtete, musste ich aus vollem Herzen lachen. Jacob fragte, und ich zeigte auf seine Hündin, die versuchte ihren nassen Schwanz zu jagen. Und da klang er sich ein und wir lachten zusammen mehrere Minuten. Bis es uns zu kalt wurde.

      »Wir sollten uns mal was Trockenes anziehen«, schlug er vor. Gesagt, getan. Als ich aus dem Badezimmer kam, deckte er gerade den Tisch.

      »Wegen vorhin«, begann er, »du sagst mir, ich habe unglaubliche Augen, willst mir aber nicht verraten, worüber ihr geredet habt«, stellte Jacob nüchtern fest.

      »Das ist korrekt.«

      »Und warum ist das so?«

      »Das eine ist ein Kompliment, welches ich Ernst meinte. Sie haben wirklich unglaubliche Augen. Das andere aber wäre eine Art Statement.«

      »Wie soll ich das verstehen?«

      »So wie ich es sage. Nicht mehr und nicht weniger.«

      »Ja, aber ein Statement ist eine Aussage, zu etwas machen. Etwas, was man so meint. Für viele waren die 70er eine Zeit der ›Flower Power‹, ihr Statement war ›Make love, not War.‹«

      »Ja, und John Lennon und Yoko Ono demonstrierten im Bett, um diesem Statement ein Gesicht zu geben.«

      »Woher weißt du so viel?«

      »Durch Bücher?«, meinte ich schulterzuckend.

      »Wirklich?«

      »Ja. Wie schon erwähnt, haben meine Oma und ich Bücher gelesen. Und darunter waren auch Biographien. Zudem gucke ich Reportagen und höre viel Musik.«

      »Sehr verblüffend.«

      »Meine Oma mag Sie«, platze es plötzlich aus mir heraus. Er lächelte verschämt.

      »Und du?«

      »Was glauben Sie?«

      »Du weißt es noch nicht.« Genau, das sagte meine Oma auch. Seltsam. Natürlich mochte ich Jacob. Durfte mir aber nicht eingestehen, dass da mehr war.

      »Maja«, er brach ab und setzte neu an: »Ist schon okay. Wenn dem so wäre, wäre es okay.«

      »Zwischen mögen und Sie wissen schon - mögen, können Welten liegen.«

      »Ich weiß«, seufzte er.