Janine Zachariae

Das magische Armband


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es, was die andern über dich erzählen?«

      »Nein«, seufzte ich und blickte sie an.

      »Danke noch mal.« Sie ging. Es klingelte zum Unterricht.

      Wir hatten eine Doppelstunde Kunst und Jacob stand lächelnd an seinem Tisch.

      »Also, eure heutige Aufgabe wird sein euch selbst zu porträtieren. So wie ihr glaubt, euch würden eure Mitschüler wahrnehmen.«

      Ich begann mich als Karikatur zu zeichnen. Mit Büchern, Musiknoten und dem, was über mich getuschelt wurde. Auf meinem Oberteil schrieb ich das englische Wort für schwul. In der zweiten Stunde mussten wir uns so malen, wie wir uns selbst sahen. Also malte ich mich mit Büchern, Musiknoten und dieses Mal stand auf dem Shirt ›Loves Men‹. Dazu versuchte ich etwas Düsteres hinein zu malen und war am Ende zufrieden. Herr Traum ging durch die Reihen und sammelte beide Blätter ein und gab zu jedem ein Kommentar. »Du siehst dich als Superman/ Frauenheld/Sexy/Aufreißer/ etc.? Interessant«, sagte er zu verschiedenen Bildern, aber meist mit einem sarkastischen Unterton. Dann kam er zu mir und nahm meine Bilder. Er schmunzelte beide Male. »‹Loves Men‹«, las er laut.

      »Das stimmt«, sagte ich und blickte meinen Lehrer dabei an.

      Und dann brüllte irgendwer: »Maja ist bestimmt verliebt.« Ich sagte nichts dazu. Es war unglaublich.

      Auch diese Stunden vergingen und in den letzten zwei war wieder Sport. Wir hatten zwei mal zwei Stunden pro Woche. Ziemlich viel. Aber das war okay. Es wurde wieder gelaufen. Dann Weitsprung und anschließend durften wir Tennis spielen. Ich war schlank, also trug ich kurze Sportsachen. Herr Traum hatte eine wirklich gute Figur. Egal, was er machte, er wirkte sehr elegant. Duschen wollte ich wieder nicht vor Ort. Also zog ich mich um und wartete auf Jacob. Eine Stunde war ich alleine. Es störte mich nicht, denn so konnte ich lesen und nachdenken.

      Doch als ich auf der Mädchentoilette war, entdeckte ich einen Handabdruck und es war ein Satz drunter geschrieben: ›Ich beobachte dich.‹ Dieselbe Farbe, wie in meinem Haus. Ich zitterte und schrie. Ich lief zur Direktorin, die zum Glück noch da war und zeigte es ihr. Dann riefen wir die Polizei an. Herr Traum kam angerannt, als er es hörte. Jetzt wünschte ich mir, geduscht zu haben. Ich hatte ein Deo benutzt und so sehr stank ich auch nicht. Aber trotzdem.

      11. Kennen lernen

      Nachdem ich befragt wurde, konnte ich nach Hause.

      »Es tut mir leid«, sprach Jacob in die Stille.

      »Mmh?«

      »Das ich dich wieder so lange alleine ließ.«

      »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Es ist nicht Ihre Schuld. Sie müssen nicht meinen Babysitter spielen. Es ist nur beunruhigend. Wer ist das und warum beobachtet er mich?«

      »Ich weiß es nicht.«

      Er nahm mich in die Arme, um zu trösten.

      »Ich würde gerne duschen, wenn das okay ist.«

      »Ja, natürlich.«

      Ich nahm mein Radio mit CD Player mit und wählte rockige, aggressive Musik aus meiner CD Sammlung. Das brauchte ich nun. Als ich fertig war, war Jacob in meinem Zimmer und sah sich das Foto an. Er blickte zu mir und lächelte.

      »Die Polizei rief an. Sie haben das Video ausgewertet. Während du geduscht hast, war jemand ebenfalls im Bad.«

      Ich nickte, als würde ich verstehen, aber eigentlich stand ich nur neben mir.

      »Tja, nun. Jetzt kennt die Polizei mich nackt.« Ich setzte mich aufs Bett.

      »Ist das schlimm für dich?« Ich schüttelte den Kopf.

      »Sie haben nur ihren Job gemacht. Warum habe ich es nicht bemerkt?«

      »Vielleicht warst du mit deinen Gedanken woanders?« Er setzte sich zu mir und ließ seine Hand auf meiner, nur um sie schließlich wieder wegzuziehen. Er wollte mir keine Angst machen.

      »Ja, mag sein«, sagte ich nachdenklich. Warum habe ich nichts mitbekommen? »Haben sie noch was gesagt?«

      »Was hätten sie denn sagen sollen?«

      »Ob sie sein Gesicht sahen oder so?«

      »Nein, nur einen Schatten. Aber sie meinten, ich sollte dich mal wegen der Narbe fragen«, erzählte Jacob und sah mich besorgt an.

      »Narbe?«, fragte ich irritiert.

      »Die du irgendwo an deinem Körper hast.«

      »Mmh? Oh, ja. Das ist nichts.«

      »Wo ist sie denn?«

      Ich stellte mich hin, hielt mein T-Shirt ein wenig hoch, öffnete meine Hose, zog sie etwas runter und drehte mich zur Seite. Ich hatte eine sehr lange Narbe, die an meinem rechten Beckenknochen entlang lief. Sie war tief, wurde genäht und zurückblieb eine dicke Naht.

      »Was ist passiert?« Ich zuckte mit den Schultern. »Du weißt es nicht?«

      »Ehrlich gesagt, nein. Wahrscheinlich hab ich es verdrängt.«

      »Und es beunruhigt dich nicht?«

      »Die Narbe?«, ich lächelte. »Nein. Es beunruhigt mich eher, dass der Typ eine so gute Sicht erhalten konnte.«

      »Das stimmt.« Er sah sich die Narbe noch mal an, dann zog ich mich wieder an. »Er ist in deine Privatsphäre eingedrungen«, fügte er hinzu.

      »Ich verstehe es einfach nicht. Warum beobachtet er mich? Wieso war er im Haus? Oder in der Schule?«

      »Ich weiß es nicht.«

      »Was ist, wenn er auch hierher kommt?«

      Meine Stimme zitterte.

      »Molly passt schon auf.«

      »Ein Leckerli, mit einem Beruhigungsmittel, und schon ist sie ausgeschaltet.«

      »Ich bin da, wenn was ist.« Er drückte mich an sich und hielt mich für einen Augenblick fest. Ich schaute auf. Seine gold-orangnen Augen bohrten sich in meine. Ich atmete seinen Duft ein und löste mich von ihm.

      »Musst du noch Hausaufgaben machen?«, fragte er, wahrscheinlich um diese eigenartige Situation zu überspielen. Ich nickte. »Ich rufe dich zum Abendbrot.«

      »Okay.«

      Ich schaltete wieder Musik ein und machte meine Schularbeiten. Viel war nicht. Etwas in Mathe, Deutsch und Englisch. Ein Vokabeltest stand am nächsten Tag an, aber ich konnte mich jetzt nicht darauf einstellen. Alle anderen Arbeiten, die ich für morgen auf hatte, machte ich bereits in der Schule und schaute nur noch mal kurz drüber. Jacob klopfte an der Tür, als ich alles in meine Tasche packte. Dieses Mal gab es Pizza.

      »Bist du fertig mit den Hausaufgaben?« Ich nickte.

      »Magst du dann wieder einen Film mit mir gucken?«

      »Gerne.« Wir setzten uns an den Küchentisch und ich betrachtete nachdenklich mein Stück. Eigentlich wusste ich kaum was über ihn. Das wollte ich ändern, also sagte ich das.

      »Was möchtest du denn wissen?«

      »Wie alt sind Sie?«, erkundigte ich mich.

      »22.«

      Mir stockte der Atem. So jung? Aber ...

      »Wie kamen Sie auf ihre Fachgebiete?«, fragte ich weiter, um nicht mehr an sein Alter zu denken.

      »Literatur hab ich durch eine Freundin genommen. Sie sagte eines Tages, es würde sehr gut zu mir passen. Kunst ist sehr schön und wenn ich nicht Probleme mit meiner linken Hand gehabt hätte, wäre ich vielleicht auch Künstler geworden. Mein Vater war Geschichtslehrer, also hab ich es auch versucht und fand es interessant. Sportlehrer bin ich, weil ich meinen Sportlehrer während der Schulzeit gehasst habe. Da er uns immer Diskriminierte und alles Mögliche abverlangte.«

      »Da