Janine Zachariae

Das magische Armband


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geht um Ihre Eltern.« Ein Kloß steckte plötzlich in meinem Hals. »Ihre Mutter hatte einen Unfall und sie können nicht zurückfahren.«

      »Was ist passiert?«, stammelte ich fragend.

      »Ihre Eltern waren Bergsteigen und da ist sie abgerutscht.«

      »Was hat sie denn?«

      »Sie liegt seitdem im Koma und Ihr Vater will solange dableiben, bis sie wieder wach wird.« Mir wurde schwindlig. »Alles in Ordnung? Ich habe das von gestern Abend gehört.«

      »Es war wirklich schlimm.«

      »Und Ihnen ist nichts Besseres eingefallen als Herrn Traum anzurufen?«

      »Ja, na ja, ich saß gestern Nachmittag noch im Park und Herr Traum kam vorbei. Wir haben uns ein wenig unterhalten und da meinte ich, ich hätte Angst zu Hause und er gab mir seine Nummer«, stammelte ich.

      »Und warum haben Sie nicht die Polizei gerufen?«

      »Weil ich dachte, ich würde es mir einbilden. Und wollte die Polizei nicht belästigen.«

      »Alles klar. Glauben Sie, Sie könnten so lange noch bei ihm wohnen?«

      »Von mir aus schon, aber was Herr Traum dazu sagt, weiß ich nicht. Plötzlich einen Teenager in der Wohnung zu haben, ist eine enorme Umstellung. Ich würde es verstehen, wenn er ablehnen sollte.«

      »Hätten Sie sonst jemanden hier?«

      »Nein«, sagte ich traurig und blickte zu Boden.

      »Okay, würden Sie bitte Herrn Traum, nach dieser Stunde, in mein Büro schicken?«

      »Mach ich. Danke, dass Sie es mir gesagt haben.« Sie nickte, drückte meinen Arm und ging. Ich atmete ein paarmal Tief ein und aus, bevor ich die Türklinke runter drückte und ins Zimmer eintrat.

      »Alles in Ordnung?« Eine Träne lief über meine Wange.

      »Nein, nicht wirklich. Die Direktorin möchte Sie nach der Stunde sprechen.«

      »Okay, setz dich.« Ich konnte nicht mehr zuhören. Dieses stupide Gerede über die Beziehung von ›Daniel Cleaver‹, ›Mark Darcy‹ und Bridget ging mir gerade auf den Keks. Das Buch war okay, aber was meine Klassenkameraden dazu sagten, nervte. Als es zur Pause klingelte, ging Herr Traum zur Direktorin und ich spürte, wie sich langsam, aber sicher mein Boden unter den Füßen wegzog. Es klingelte erneut, aber Herr Traum war noch nicht da. Es wurde getuschelt und geflüstert. Kurz darauf stand er an seinem Tisch und machte mit dem Unterricht weiter.

      »Okay, auch wenn ich etwas spät bin, schreiben wir den Test.« Er verteilte die Zettel und setzte sich auf seinen Stuhl. Es waren Multiplechoice Aufgaben und man sollte noch etwas schreiben. Nun gut, damit wurde mein Verstand fertig. Es war einfach, die Fragen zu beantworten, schließlich hab ich das Buch gelesen und dann noch mal mit meiner Großmutter.

      10. Bodenlos

      Als ich zum Ende des Tests ankam und fast fertig mit dem Aufsatz war, klopfte es erneut an der Tür. Eine Polizistin, die von gestern Abend, trat ein und flüsterte Herrn Traum etwas zu.

      »Maja, die Polizeibeamtin würde dich gerne sprechen. Wie weit bist du mit dem Test?«

      »Sollte reichen.« Ich stand auf und ging mit der Frau raus. »Könnten wir vielleicht auf den Hof gehen?«, fragte ich. »Ich brauche frische Luft.« Sie nickte und wir gingen nach draußen.

      »Wir haben das Haus nun untersucht. Die Ermittlungen und Untersuchungen laufen zwar noch, aber wir wollten Sie informieren und wir haben auch noch einige Fragen.« Ich nickte. »Wann waren Sie das letzte Mal im Keller?«

      »Beim Einzug hab ich dort alles hingestellt, was im Haus keinen Platz hatte. Und das war es.«

      »Hatten Sie dort etwas Ungewöhnliches gesehen?«

      »Äh, eigentlich nicht. Ich habe große Angst vor Kellerräume und bin sehr ungern dort.«

      »Okay«, sagte sie zögernd und notierte sich etwas.

      »Wieso?«

      »Wir haben dort einen Schlafplatz entdeckt.«

      »Wie bitte?«

      »Es hat sich jemand in Ihr Haus eingenistet.«

      »Tut mir leid, wenn ich noch mal blöd fragen muss: Aber haben Sie gerade gesagt, dass jemand, während ich in der Schule war, während ich im Haus war, im Keller gewohnt hat?«

      »Ja.«

      »Oh, wow.«

      »Geht es Ihnen gut, Maja?«

      »Ich glaube, mir wird schlecht.«

      »Da ist noch mehr«, wagte sie sich vor. Sie zog ein paar Fotos aus der Tasche und zeigte sie mir. Ich sah noch mehr Handabdrücke. In meinem Zimmer - hinter dem Schrank, im Flur - hinter einem Bild und eine, die mir besonders Angst machte: in meinem Badezimmer.

      »Maja, eine Sache wäre da noch. Und ich weiß nicht, wie ich es Ihnen beibringen soll.«

      »Ich muss das erst mal mit den Handabdrücken verdauen. Konnten Sie Fingerabdrücke nehmen?«, stieß ich hervor.

      »Wir arbeiten noch daran.«

      »Alles klar«, ich atmete durch. »Sagen Sie es einfach, was auch immer es ist. Machen Sie es so, als ob Sie ein Pflaster abziehen würden.«

      »Darf ich Sie fragen, ob Sie in letzter Zeit - in Ihrem Bett - einen Jungen hatten?«

      »Nein, hatte ich nicht«, ich wusste nicht, was die Frage sollte, aber es war das Beste sie zu beantworten.

      »Wir haben das Blaulicht über alles gehalten. Und wir haben auf ihrem Laken seine ... nun ja, Spuren gefunden.« Das war mein Stichwort. Mein Frühstück kam wieder hoch. Die Polizistin hielt mir eine Tüte hin, als ob sie schon vorher geahnt hätte, wie ich reagieren würde. Ich wollte gar nicht so genau wissen, was sie da fanden, aber sie erklärte es mir trotzdem.

      »Können Sie die DNA, oder was das war, denn verwerten?«

      »Das Laken ist bereits im Labor.« Mir war so schlecht.

      »Da ist noch was.« Ich war kurz davor zu hyperventilieren. »Wir haben eine Kamera gefunden.«

      »Wo?«

      »In der Dusche.«

      Das war es. Mein Kopf explodierte gerade, oder? Meine Hand fuhr durch mein Haar, was auch der Beweis dafür war, dass ich tatsächlich noch einen Kopf hatte. Ich stand auf und lief hin und her.

      »Also, wenn ich das Mal alles zusammenfasse: Da wohnt jemand in meinem Keller, geht tagsüber im Haus spazieren, installiert eine Kamera in meiner Dusche, hinterlässt farbige Handabdrücke überall, macht was-auch-immer in meinem Bett und ist nachts vor meinem Zimmer und kratzt an die Tür. Habe ich was vergessen?«

      »Nein, das ist es im Großen und Ganzen gewesen.« Sie wollte beruhigend klingen, aber innerlich musste ich doch auflachen. Das sollte alles ein Scherz sein, oder? Es klingelte zur Pause.

      »Was unternehmen Sie nun alles?«, wollte ich wissen und kaute auf meiner Unterlippe. Meine Hände knetete ich permanent, es sollte mich entspannen, aber da klappte nicht. Es war, als würde alles auf einmal auf mir einschlagen. Mit voller Wucht.

      »Ihre Eltern werden noch eine Weile weg sein, wie ich hörte.« Ich nickte. »Können Sie denn bei Herrn Traum bleiben?« Ich zuckte mit den Schultern und just in diesem Moment kam er raus. Er sah mich besorgt an.

      »Ist alles okay, Maja? Du zitterst ja.«

      »Kann ich mit Ihnen reden?«, fragte die Polizistin ihn. Er nickte und sie gingen ein Stück von mir weg. Fünf Minuten später verabschiedete sie sich und Herr Traum kam zu mir.

      »Wir werden deine Sachen zu mir bringen und du bleibst bei mir, bis deine Eltern wieder da sind und das Haus sicher ist.«

      »Das