Janine Zachariae

Das magische Armband


Скачать книгу

ob sich etwas bewegte. Als ich feststellte, dass es noch atmete, stellte ich mich wieder auf die Beine, kam dabei aber ziemlich ins Schwanken. Das war ein heftiger Abend.

      »Schon okay, es hat sich nur etwas geschnitten.« Ich setzte mich auf einen Hocker im Flur. Und schüttelte den Kopf.

      »Es tut mir wirklich leid!«

      »Muss es nicht.«

      »Doch!« Dann bemerkte ich allerdings etwas. »Moment, das Tier kann aber nicht dafür verantwortlich sein.« Ich zeigte ihm einen Handabdruck an der Wand. Herr Traum verlor jegliche Farbe aus seinem Gesicht.

      »Ich ruf die Polizei an.«

      »Bitte, gehen Sie nicht zu weit weg!« Er sprach leise und behutsam und keine zehn Minuten später fuhr ein Polizeiwagen mit Blaulicht zu uns.

      Alles wurde fotografiert und ich gefragt, seit wann das schon ging. Das verletzte Tier wurde ebenfalls direkt versorgt und weggebracht.

      »Eigentlich seitdem ich hier wohne. Ich dachte, ich würde es mir nur einbilden.« Dann kam eine Frau in Polizeiuniform und bat ihren Kollegen sich etwas anzusehen.

      »Von hier musste sich der Täter Zugriff zum Haus verschaffen haben.« Der Keller! Ein Fenster war eingeschlagen. »Wo sind Ihre Eltern, Maja?«

      »Geschäftlich unterwegs. Ich weiß nicht genau, wo.«

      »Haben Sie eine Nummer?«

      »Äh, ja.« Mein Handy hatte ich noch in der Hand und ich bemerkte den Pyjama, den ich trug. »Hier.« Ich reichte ihr die Nummer und mir wurde schwindlig. Herr Traum hielt mich fest. »Danke«, hauchte ich. Kurz darauf kam die Beamtin wieder.

      »Wir haben mit ihnen geredet. Aber sie können erst übermorgen hier sein.« Ich musste wie ein Welpe ausgesehen haben, denn sie streckte die Hand nach mir aus und versuchte mich zu trösten. »Gibt es Freunde oder Verwandte zu denen Sie so lange hinkönnten?«

      »Wir wohnen erst seit einigen Tagen hier.«

      »Sie sind alleine hier eingezogen?«

      »Meine Eltern sind seit sieben oder acht Wochen unterwegs.«

      »Wirklich?«, fragte sie misstrauisch und machte sich weitere Notizen. Mein Herz schlug schneller, als ich ihren Blick sah. Sie würde das Jugendamt anrufen, wenn ich weiterhin alleine bleibe. Aber das konnte ich nicht zulassen. Das durfte nicht sein.

       »Ja. Aber eigentlich war das okay. Bis diese Geräusche anfingen. Zuerst waren sie nur am Fenster. Aber da hatte es auch gedonnert, gestern war was am Türknauf und jetzt das.«

      Herr Traum meldete sich zu Wort: »Und Maja hatte gemeint, sie würde sich beobachtet fühlen.« Beschämt nickte ich.

      »Okay, also wo können Sie unterkommen?«

      »Bei mir«, sagte er sehr schnell, als hätte er bereits gewusst, dass dies eine mögliche Option war.

      »Alles klar. Maja, packen Sie sich ein paar Sachen zusammen und wir melden uns, sobald es etwas Neues gibt.«

      Herr Traum half mir beim Packen und machte meine Schultasche mit dem voll, was ich brauchen sollte. Umziehen wollte ich mich nicht mehr, es war mir zu anstrengend. Unter meinem Oberteil hatte ich was an. Ohne BH oder Ähnlichem wollte ich nicht schlafen, da ich zu große Angst hatte.

      »Dankeschön. Das ist sehr nett von Ihnen.«

      »Nein, ich hätte gleich reagieren sollen, als du mir davon erzählt hattest. Aber ...«

      »Aber Sie dachten, ich würde nur panisch reagieren? Ja, wäre denkbar.« Nachdem ich mich auch bei den Beamten bedankt hatte und ihnen meine Handynummer daließ, fuhr ich mit meinem Lehrer zu ihm.

      »Was geht dir durch den Kopf, Maja?«, fragte er nach wenigen Minuten.

      »Wie eigenartig es ist, jetzt mit Ihnen hier zu sein.«

      »Wieso?«

      »Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll.« Er nickte, als würde er verstehen. Als wir bei ihm ankamen, hielt er mir die Tür auf und nahm meine Taschen. Er schloss seine Haustür auf und machte das Licht an. Eine sehr helle Wohnung wurde erleuchtet.

      »Es tut mir leid«, sprach ich zögernd und blickte mich um.

      »Weshalb?«

      »Ich hab Sie gar nicht gefragt, ob Sie mit jemanden zusammen leben?«

      »Du meinst, Freundin oder so?« Verlegen nickte ich. »Nein, ich bin Single.«

      »Okay, tut mir leid. Geht mich ja auch nichts an.« Er öffnete eine weitere Tür und stellte meine Taschen dort hinein.

      »Das Gästezimmer. Fühle dich wie zu Hause.« Ich sah ihn an, als hätte ich den Witz nicht verstand. Er bemerkte seinen Faux pas und korrigierte sich: »Fühle dich so wohl, als würdest du dich sicher und geborgen fühlen.«

      »Schon besser, danke.«

      »Kleiner Rundgang?«

      »Gerne.«

      Er zeigte mir das Gäste WC mit Dusche, die große offene Küche und das sehr elegant und modern eingerichtete Wohnzimmer. Dann das große Bad und sein Zimmer.

      »Ihre Wohnung ist sehr schön.«

      »Danke! Setz dich erst mal und ich mache uns eine heiße Schokolade.« Ich nickte. Während ich saß, blickte ich mich um. Die Regale waren voller Bücher und CDs, darüber hinaus hatte er einige DVDs. Aber ich wollte nicht zu neugierig sein und beließ es beim flüchtigen Hingucken. Er reichte mir eine Tasse und gesellte sich zu mir.

      »Jetzt ruiniere ich auch noch Ihren Abend. Habe ich Sie vorhin gestört oder geweckt?«

      »Nein.« Er lächelte und sah mir dabei in meine Augen.

      »Wirklich nicht?« In dem Moment kam Hündin Molly zu mir und leckte meine Hand, aber ich war immer noch im Schock und konnte mich nicht wirklich auf sie einstellen.

      »Du brauchst dich nicht immerzu entschuldigen. Es ist okay, wirklich. Wenn dir etwas passiert wäre, hätte ich mir ewig Vorwürfe gemacht.« Das verstand ich nicht und hakte nach. »Du vertraust mir etwas an und ich nehme es nicht Ernst.«

      »Ich würde mich gerne irgendwie bei Ihnen bedanken«, sagte ich nachdenklich.

      »Brauchst du nicht.« Ich stellte die Tasse auf einen Untersetzer auf den Tisch und ging kurz ins Zimmer. Als ich mich wieder setzte, hatte ich das Tagebuch und die Truhe dabei gehabt.

      »Sie wollten es doch mal lesen.«

      »Das stimmt«, meinte er zögernd und ich erkannte ein Funkeln in seinen Augen, welches ich nicht unterordnen konnte. »Und das ist die berühmte Truhe?«

      »Ja, ist sie nicht schön?!«

      »Das ist sie und es gibt keinen Schlüssel?«

      »Leider nein. Ich hatte alles abgesucht, aber nichts gefunden.« Er öffnete das Buch und fand jenen, letzten Zettel. Er wollte ihn mir reichen. »Nein, ist schon okay. Lesen Sie es ruhig.« Er lächelte. Warum ich es ihm aushändigte? Meine Oma wollte nicht, dass ich es umher zeige. Aber irgendwie, ... Irgendwie war es schon in Ordnung. Ich spürte es einfach.

      »Wäre es unhöflich, wenn ich mich etwas zurückziehe?«

      »Im Schrank, neben dem Badezimmer, findest du Handtücher und alles andere, was du gebrauchen könntest. Wenn du ein Bad nehmen willst, sag Bescheid«, sagte er schon fast geistesabwesend, da er sich das Tagebuch genauer anschaute. Er drehte und wendete es. Der Einband war aus Leinen und die Blätter selbst schon leicht vergilbt. Eine braune Schnur war drumherum gewickelt und zu einer Schleife gebunden. Es war schlicht, aber wunderschön. Müde schüttelte ich den Kopf.

      »Ich will einfach nur schlafen. Das war ein schlimmer Abend.«

      »Gute Nacht, Maja!«

      »Gute Nacht, Herr Traum.«

      Ich machte