Dominik Trottier

Ultreya auf dem Camino


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04. Mai 2012: Santiago de Compostela

       05. Mai 2012: Fisterra

       Nachwort

      Vorwort

      Als ich im März 2012 nach mehrmonatiger Vorbereitung aufgrund einer Bewerbung nach Hamburg flog, glaubte ich fest daran, meinen Traum wahr werden lassen zu können. Lange habe ich auf diesen Tag gewartet, um mir endlich meinen Wunsch erfüllen zu können. Den Wunsch vom Traumberuf. Schon als kleines Kind war ich immer davon fasziniert.

       Je älter ich wurde, desto mehr wuchs das Interesse an dem Beruf. Neben Feuerwehrmann, Lokführer oder Baggerfahrer, war mein erster ernstzunehmender Berufswunsch tatsächlich von Dauer und hält bis heute an.

       Nach erfolgreich absolviertem Abitur, habe ich mich Ende 2011 schließlich bei einer der weltweit größten Airlines ziviler Luftfahrt für eine Ausbildung zum Piloten beworben. Nur wenige Wochen später erhielt ich von der Lufthansa eine Einladung zur Berufsgrunduntersuchung beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

       Anhand mehrerer Tests soll hierbei festgestellt werden, ob der Bewerber grundsätzlich für den Beruf des Piloten geeignet ist. Abgefragt werden unter anderem Englisch-, Mathematik-, Physik- und Technikkenntnisse. Aber auch Bereiche wie Konzentration, logisches Denkvermögen und Merkfähigkeit werden geprüft.

       Sofern diese Instanz erfolgreich durchlaufen wird, folgt innerhalb der nächsten Monate die sogenannte Firmenqualifikation. An zwei aufeinanderfolgenden Tagen nimmt der potentiell spätere Arbeitgeber an dieser Stelle die Persönlichkeit und damit die Konzerntauglichkeit der Bewerber unter die Lupe. Mithilfe unterschiedlicher Stresstests, wie etwa dem Interview mit einem renommierten Auswahlkapitän, Streitgespräche mit Psychologen und einem Flug im Simulator, wird festgestellt, ob die Kandidaten die grundlegenden Eigenschaften mitbringen, die es zum zukünftigen Lufthansa Mitarbeiter braucht.

       Besteht man auch diese Teststufe, entscheidet sich letztlich bei der medizinischen Untersuchung, dem Medical, ob man eine Zusage für die Ausbildung bekommt und somit dem Traum vom Fliegen ein ganzes Stück näher rückt.

       Nur ein Bruchteil der Bewerber besteht alle drei Untersuchungen, die sich über mehrere Monate verteilen. Genaue Zahlen sind nicht bekannt, aber man geht von etwa sechstausendfünfhundert Bewerbern im Jahr aus, von denen es lediglich fünf bis acht Prozent nach Bremen zur Verkehrsfliegerschule, beziehungsweise später zum Lufthansa Airline Training Center nach Phoenix in Arizona schaffen.

       Die Bewerbung selbst kostet keinen müden Cent. Sogar Ausgaben für An- und Abreise sowie eine Übernachtung werden von einer in meinen Augen recht großzügigen Pauschale abgedeckt, die die Lufthansa den Bewerbern zurückerstattet. Auf diese Weise kann wirklich jeder sein Glück versuchen, ohne dafür tief in die Tasche greifen zu müssen. Das handhaben andere Airlines grundverschieden. Air Berlin beispielsweise zwackt jedem Bewerber rund vierhundert Euro ab, um überhaupt erst am Eignungstest teilnehmen zu können. Auch bei Swiss Air, ein Tochterunternehmen der Lufthansa, werden immerhin knapp zweihundert Euro fällig, wobei sich das Bewerbungsprozedere dort auf einen nochmal deutlich längeren Zeitraum ausbreitet. Die Anfahrtskosten, geschweige denn eine Übernachtung im teuren Zürich, werden hier nicht übernommen.

       Des Weiteren unterscheidet sich die Lufthansa von anderen Fluggesellschaften auch darin, dass sie die Ausbildung der Nachwuchspiloten komplett vorfinanziert. Erst nach Berufseinstieg und der Auszahlung des ersten Gehalts, beginnen die Berufsanfänger den Kredit für ihre Ausbildung zu tilgen.

       Zwar ist es möglich über eine private Flugschule aus eigener Tasche an die ersehnte Fluglizenz zu gelangen, allerdings stellt dies aufgrund der enorm hohen Kosten ein nur wenig kalkulierbares finanzielles Risiko dar. Denn die Garantie anschließend einen Job zu bekommen, fehlt hierbei gänzlich.

       Wer bereit ist sich für bis zu zwölf Jahre dem Militär zu verpflichten, für den stellt nicht zuletzt die Ausbildung zum Flugzeugführer bei der Luftwaffe eine durchaus in Betracht zu ziehende Alternative dar. Nach dieser Zeit können sich Bundeswehrpiloten auf die zivile Luftfahrt umschulen lassen und sich damit bei kommerziellen Airlines weltweit bewerben. Da die Ausbildung und deren Folgejahre jedoch auch Auslandseinsätze in Krisengebieten beinhaltet, habe ich diese Option für mich persönlich frühzeitig ausgeschlossen.

       Um Berufspilot zu werden und zukünftig das Cockpit sein Büro taufen zu können, ziehen die meisten Aeronauten in spe wohl gerade wegen den attraktiven Konditionen ausschließlich die Ausbildung bei der Lufthansa in Erwägung. Kaum einer der vielen jungen Luftfahrt-Enthusiasten lässt sich diese Gelegenheit entgehen, was sich folglich Jahr für Jahr in Form einer buchstäblichen Bewerberflut auswirkt. Dass sich bei der Airline mit dem Kranich auch Hinz und Kunz bewerben, macht sich spätestens bemerkbar, wenn man schließlich im Prüfungsraum des DLR in Hamburg zwischen neununddreißig weiteren Bewerbern sitzt und den Blick einmal im Raum schweifen lässt.

       Vereinzelt hocken da total entspannte Kandidaten, die nichts zu verlieren haben und gänzlich unvorbereitet einfach ihr Glück herausfordern. Völlig gelassen raten sie einfach darauf los, ohne zu wissen worum es wirklich geht.

       Auf der anderen Seite zittern hier junge Menschen um die Chance ihres Lebens. Sie wissen, warum sie hier sind und was auf dem Spiel steht. Diese Bewerber, zu denen auch ich mich zähle, haben sich lange und äußerst intensiv auf die Berufsgrunduntersuchung vorbereitet. Dabei galten neben einigen Standardwerken, vor allem sämtliche Erfahrungsberichte aus dem Internet als die wichtigste Lektüre. Schließlich ist es essentiell, sich vorab ein möglichst detailliertes Bild vom Ablauf der Tests zu machen.

       Die Bewerbung bei der Lufthansa bietet nicht nur die ganz große Gelegenheit, einen der in unserer Gesellschaft wohl angesehensten Berufe bei einer der wohl renommiertesten Konzerne auszuüben, sondern sich zudem auch einen dauerhaften Fensterplatz ganz vorne im Flugzeug sichern zu können. Beides sind zweifelsohne hoch motivierende Argumente, aber es geht um so viel mehr als das. Es geht um meine Leidenschaft, der Traum vom Beruf des Piloten.

       Der Druck ist enorm hoch. Gehört man nicht zu den Glücklichen, bleiben einem die Türen zur Pilotenausbildung bei der Lufthansa für immer verschlossen. Die Tests sind einmalig und lassen sich nicht wiederholen. Sollte ich bei den Untersuchungen scheitern, hat sich mein Traum ausgeträumt.

      Da ich zuvor noch nie in Hamburg gewesen bin, hing ich zum Sightseeing drei Übernachtungen an meinen eigentlichen Aufenthalt an. Die Hansestadt gefiel mir gut, weshalb ich eigentlich nur sehr ungern schon die Heimreise antreten wollte.

       Um am Bahnhof dann auf die obligatorisch verspätete Deutsche Bahn zu warten, setzte ich mich zunächst auf eine Bank. Plötzlich klingelte mein Handy.

       »Hi, Mum«, nahm ich den Anruf meiner Mutter entgegen.

       »Post von der Lufthansa«, flüsterte sie nur nervös.

      Wow, das ging schnell. Aus Internetforen war ich informiert, dass Zu- und Absagen bereits wenige Tage nach den Tests im Briefkasten landen können. Angeblich soll es aber auch Fälle gegeben haben, in denen die ersehnte Post durchaus mehrere Wochen auf sich hat warten lassen. Besonders schlaue Füchse behaupteten außerdem herausgefunden zu haben, dass sich schon allein anhand des Formats des Briefumschlags entweder die frohe Nachricht oder die Hiobsbotschaft erkennen lässt.

       »Mach ihn auf«, war alles, was ich zittrig über die Lippen bekam.

       Meine Mutter zögerte nicht eine Sekunde, den Kuvert zu öffnen und mir den gesamten Inhalt des Briefs laut vorzulesen. Doch schon der erste Satz genügte, um mir einen alles entscheidenden Tritt in die Magengrube zu verpassen.

       Von einem Moment auf den nächsten hatte sich meine größte Befürchtung bewahrheitet. Eine Absage. Der Traum war geplatzt. Und ich am Boden zerstört. Die anschließend fast sechsstündige Zugfahrt nachhause war grausam.

      Weil