Joachim Theisen

König Artus


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Kohls bei Tisch bekannt geworden, denken die neuen Ritter bei sich: „Ei“, denken sie und: „Gott, Ihr Barmherziger, ich danke Euch, denn dies ist der Weg, den Ihr mir zeigt, um ein ordentlicher Artusritter zu werden und meinem Vater, so er noch lebt, keine Schande zu bereiten. Schützt mich auf der Aventiure und lasst mich siegreich heimkehren.“ So sind ihre Gedanken, und während sie noch ihre Schritte bei Nacht zu den Pferden hinlenken, hat der in die Zukunft schauen kann (nicht Merlin, Gott) jedem von ihnen schon ein eigenes Ziel ins Herz gelegt, ohne dass einer vom anderen weiß. Doch acht Ritter bei sieben Zielen? Die himmlische Mathematik weiß eine Lösung.

      Gwisains Kohedans der Schöne, Sieger des Turniers, um dessentwillen manche Dame sich schlaflos oder schlafend im Bett wälzt, stürzt bei dem allgemeinen Getümmel im Stall vom Rücken des Pferdes und wird zertreten, auch der Helm ist zu schwach in Abwehr der Hufe der Pferde. Er hat seinen Ruhm genossen, und da liegt er im Stall, während sein herrenloses Pferd hinausläuft in alle Welt. Und „ach“ sagen die Damen anderntags, da sie kommen, um zu schauen. Und Merlin spricht den lateinischen Satz: „Sic transit gloria mundi“, was auf deutsch so viel heißt wie: „So geht vorüber der Ruhm dieser Welt.“ Und die Stallburschen bringen ihn fort. Die Damen aber wenden sich den verbliebenen Rittern zu, während Ginover, die Königin, die auch dort ist, bei sich denkt: „Sieh, Merlin ist klug, und gar so schlecht sieht auch er nicht aus.“ Merlin schreitet voll schwerer Gedanken davon.

      Er hat durchaus mitunter seine Eigenarten, und es ist nicht immer leicht, mit ihm auszukommen, doch wenn er bei Laune ist, so ist er einer der umgänglichsten, da er der eitlen Hatz nach Ruhm vor Jahren schon abgeschworen, und wenn er diese Geschichte erzählt hat, so lässt sich am Abend auch mit ihm die Frage erörtern, welche Aventiuren die sieben ausgezogenen Ritter zu bestehen haben, da wir bekanntlich auf ihre Erzählungen nicht rechnen dürfen, weil es bei Hofe verpönt und verboten ist, mit seinen Taten zu prahlen. Nachdem also all dieses geklärt, bitten wir Merlin, uns sein Auge zu leihen, das in die Ferne sieht (nicht so weit freilich wie Gott der Herr), damit in der Geschichte keine schmerzliche Lücke entsteht. So folgen wir den Rittern und kommen sehr bequem zu ihren Aventiuren.

      „Nein!“ ruft Merlin da aus. „Nicht so! Ich habe euch häufig gesagt, dass diese Fahrten nicht zum Vergnügen zu lesen sein dürfen, sondern zu innerem Gewinn. Lasst die Bequemlichkeit! Wie sonst sollten die Menschen, die solches lesen, am Arthurischen reifen? Und dies“, betont er, „ist ja der Sinn.“

      Nachdem auch dieses notiert ist, nun also zum ersten, in alphabetischer Folge, und wir fassen uns kurz.

      Die Aventiure von Astruganz dem Stolprer

      Astruganz reitet aus und wird getragen von seinem Pferd und Gottes Willen, dem er sich anvertraut, in das Land Golasere und die Stadt Flokenis. Das Land ist wüst, die Dörfer verlassen, selbst die Tiere des Waldes haben es vorgezogen, in diesem Reich nicht mehr zu leben und sind daher fort gewandert oder sie haben sich von den Jägern des Königs abschießen lassen, denn Kluge und weniger Kluge gibt - oder gab - es auch hier. Der König aber ist Krun ohne Barmherzigkeit. Es ist, wie Merlin gesagt: In der Hoffnung, es würde ihm vergolten mit einer Einladung an den arthurischen Hof, hat er jahrelang Kohl dorthin geliefert. Doch in diesem Jahr - nein: im vergangenen, denn wir wollen die Wahrheit schreiben, auch wenn wir uns dafür korrigieren müssen, und Kohl wird im Herbst geerntet zu Beginn des Winters, da hatte seine Unbarmherzigkeit, die in immer schlimmeren Ringen das Land überzieht, sich auch seines Kohls bemächtigt. Er hat die Ernte in seine Stadt Flokenis bringen lassen, und daselbst in einem Verlies der Burg, welche die Stadt überragt, gelagert. Doch die Lagerbedingungen sind schlecht.

      „Sagt an“, spricht Astruganz, als er das Stadttor durchschreitet, „was hat es mit diesem Geruche hier auf sich?“

      Der Wächter schlägt dreimal das Kreuz und spricht mit kaum vernehmlicher Stimme: „Dies ist der Geruch der Hölle.“ Astruganz zaudert nicht und reitet weiter. Er nimmt sich Quartier und am Abend: „Sagt an“, spricht er zum Wirt und vollendet die Frage wie zum Wächter am Tore bereits zuvor. Der Wirt bekreuzigt sich dreifach und hebt an: „Dies ist der königliche Kohl, der in der Burg aufbewahrt ist, der Kohl, der rechtmäßig König Artus gehört, dem edelsten Ritter der Welt, doch Krun hat sich aufgelehnt gegen das Gute und eine Freude daran, die Stadt und ihre Bewohner zu plagen. Und zudem“, so spricht der Wirt, „droht den Freiern seiner Tochter, der schönen Lisanelle mit den grünen Augen, ein fürchterliches Schicksal. Er geleitet sie zum Kohlkeller und lässt sie dort jämmerlich erstinken.“

      Die Nacht schläft Astruganz wohl, da er sieht, er gehe anderntags in einen guten Kampf, einen jener Sorte, in dem es jedem Ritter zur Ehre gereicht, sein Leben zu lassen.

      Die Tochter des Wirtes, da sie sein Vorhaben vernimmt, ein Mädchen von dreizehn Jahren, gibt ihm des Morgens ein duftendes Tuch, das sie einst in glücklichen Tagen im Rosengarten ihrer Tante gefunden, mit welchem der Ritter sich übleren Geruches erwehren möge. Astruganz dankt und zieht hinaus und zur Burg empor.

      „Wer da?“ ruft der Pförtner. „Ich komme zu freien Lisanelle mit den grünen Augen“, antwortet Astruganz unerschrocken.

      „Und ihr solltet langsam zu Ende kommen“, spricht Merlin, „die Seite noch voll und dann Schluss. Die anderen Ritter warten, und wir sollten es nicht zu lange hinziehen.“ Merlin hat Recht.

      Da wird Astruganz hineingeführt in die Burg und von Krun empfangen, ein stattlicher Herr, mit Stärke ausgezeichnet und Kraft, mit Mut, aber ebenso auch mit Verschlagenheit, wie an seinen eng stehenden Augen deutlich zu sehen.

      „Was ist Euer Begehr?“ so fragt er den Fremden. Wir wissen das schon.

      „So folgt mir“, spricht Krun, der sich wohl wundert, wie gut der Ritter sich hält in diesem Geruch, doch das macht das Tuch des braven Mädchens. Und als sie den Keller erreichen und die Türe sich öffnet und Krun zum todbringenden Stoß ausholt, da ist Astruganz gewarnt und tritt einen Schritt beiseite, und Krun stolpert hinein. Und nachdem er hinein gestolpert, schließt Astruganz die Tür, und dieses eine Mal, Gott möge ihm vergeben, ist er selbst es, der ohne Barmherzigkeit ist.

      So befreit er die Burg und die Stadt und das Land von Krun, der Kohlkeller aber wird versiegelt mit Pech, zur ewigen Mahnung und zum Gedenken an den Retter. Lisanelle mit den grünen Augen ist ganz allerliebst, betrauert beim Packen angemessen den Vater, schwingt sich auf Astruganz’ Ross und reitet mit ihm hinfort. Das Taschentuch aber der Tochter des Wirts bewahrt diese dankend auf.

      Die Aventiure von Bliopoheris auf den weißen Füßen

      Auch Bliopoheris wird fortgetragen von den Beinen des Pferdes und dem Willen Gottes, und ihn führt der Weg zur Stadt mit den sieben Toren, in welcher König Enkalyptus vor Jahresfrist verschieden und das Reich seiner eingeborenen Tochter Schlandine der Ungewissen hinterlassen hat. Halamunt dem Hässliche hatte sie, die nichts auf Beinamen gibt, brieflich die Ehe versprochen auf dessen Drängen, doch da dieser vor dem Haupttor der Stadt mit seinen Mannen erschien, rief sie die Zofe Brundase ans Fenster und zeigte ihr ihren erwählten Gatten. Da wandte Schlandine sich ab, befahl die Stadt zu verriegeln, denn den hatte sie sich doch etwas anders vorgestellt.

      Da schickte Halamunt im Zorn nach Hause und ließ Mannen über Mannen herbeischaffen, und sie belagerten die Stadt. Diese hatte zu leiden, doch machte Schlandine niemand zum Vorwurf, Halamunt zurückgewiesen zu haben, nachdem sie seiner ansichtig geworden. Nur die sieben Toren waren, was nicht verwundert, auf Halumunts Seite. Man lieferte sie aus, doch der Gegner gab sich nicht zufrieden damit. Er wollte Schlandine.

      Bliopoheris zieht also hin und lagert dort vor der Stadt inmitten der Mannen, wäscht sich am Abend nicht nur, wie üblich, die Füße, sondern auch seine Rüstung, die vom Staub der Straße beschmutzt, und poliert sie, dass sie glänzt wie neu. Dann ruht auch er. Der König aber, Halamunt, vergnügt sich nächtens beim Spiel mit den Toren. Brundase, die Zofe, hat am Abend den fremden Ritter kommen gesehen, und sie und Schlandine verharren lang auf den Zinnen, sehnsüchtig beide, doch Brundase, freilich, als Zofe, ohne Hoffnung im Herzen.

      So kommt der Morgen herbei, die Sonne erstrahlt im Osten, und Bliopoheris liebäugelt schon mit der Stadt, da er als Zweitgeborener seines Vaters, des mächtigen Herrn von Gosche, keinen Anspruch auf eigenes Erbe erheben darf. Liebäugelnd rüstet er sich zum Kampf, und als er gerüstet ist, erhebt