Elke Bulenda

Pariser Nächte


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völlig verändern sollte und mich der Welt von damals entriss. - Um mich ins Hier und Jetzt zu befördern. Ich vermisse Mala und die Mädchen jeden Tag aufs Schmerzlichste und ich weiß nicht, ob ich jemals über ihren Verlust hinwegkomme. All die Affären und Frauen können das Loch in meinem Herzen niemals stopfen. Mala war einzigartig, ihre Haar duftete so wunderbar ...

      Diese bittere Erinnerung war meiner Migräne überhaupt nicht zuträglich und mir wurde richtiggehend übel. Mein Sehen war nur noch verschwommen und durch meine Optik zog sich ein dicker, grell-grüner Streifen. Und der Boden bewegte sich. Das Nächste, was ich wieder wahrnahm, war etwas Warmes, Feuchtes. Brutus schlabberte mir durchs Gesicht.

      … Puh, da bin ich aber froh, denn ich dachte schon, es wäre Barbiel ...

      Angewidert wischte ich mir übers Gesicht.

      »Ragnor? Was ist mit dir?«, fragte der Engel leicht entsetzt.

      Erschrocken musste ich feststellen, dass ich auf dem Boden lag und mein Kollege mich aus besorgten Augen ansah. Barbiel, nicht Brutus, comprende?

      »Keine Ahnung, was mache ich hier auf dem Boden?«, fragte ich leicht verwundert.

      »Gute Frage, das Gleiche habe ich mich auch gefragt. Hier ist dein Kaffee, trink, der wird dich wieder auf die Beine bringen.«

      Vorsichtig setzte ich mich auf, und Barbiel reichte mir den Becher mit dem Kaffee.

      »Sag mal Engelchen, warum sind da zwei Plastiklöffel in meinem Becher?«, fragte ich überrascht und versuchte mich davon zu überzeugen, nicht doppelt zu sehen.

      »Du sagtest, du trinkst deinen Kaffee mit Zucker und zwei Löffeln«, meinte er.

      Also ehrlich, Barbiel ist manchmal wirklich etwas schräg drauf, oder nimmt er etwa alles für bare Münze?

      »Barbiel, versprich mir, dass du niemals in Erwägung ziehst, irgendwann einmal Kinder zu zeugen. Anderenfalls müsste ich mir ernsthafte Sorgen über die Zukunft machen«, schnappte ich etwas ungehalten. Er hatte mich heute schon einmal im Fremdschämen unterrichtet.

      »Du weißt, dass ich deine gesundheitliche Krise der Zentrale melden muss?«

      Er zückte sein Handy und wollte wählen. Schnell packte ich ihn am Hosenbein. »Barbiel, tu das nicht. Mir geht es gut. Wenn du meldest, dass ich einen Klappmann gemacht habe, werde ich von diesem Fall abgezogen. Das will ich aber nicht. Also pack dein blödes Handy wieder ein, sonst breche ich dir die Beine und du wirst ebenfalls von diesem Fall abgezogen!«

      Diese Perspektive gefiel meinem Kollegen nicht besonders gut. Resigniert steckte er sein Handy weg. »Okay, aber versprich mir, dass sobald wir wieder im Stützpunkt sind, du dich gründlich untersuchen lässt. Am besten, sie machen ein MRT von deinem Kopf. Amandas Gerät ist groß genug, einen Oger durch die Röhre zu schicken.«

      Bei diesem Satz kam mir Amanda in den Sinn, mein Gerät und die Sphären, die wir damit erreichen könnten. Gemeinsam mit Amanda würde ich gerne zu dem Tier mit den zwei Rücken mutieren, frei nach Shakespeare ausgedrückt.

      …Hey! Was ist? Ich war eben noch ein wenig durcheinander ...

      Wohl oder übel musste ich Barbiel dieses Versprechen geben.

      … Okay, man kann sich ja mal versprechen, oder?...

      Mittlerweile begannen sich die ersten Besucher im Museum zu zeigen. Zur Stärkung rührte ich mir eine Trockenbluttablette ins schwarze Getränk. Mein Schutzengel half mir wieder auf die Beine, platzierte mich auf eine Bank und drückte mir eine Zeitung in die Hand. »Hier, ich habe dir etwas zum Lesen mitgebracht, hilft gegen die Langeweile.«

      Normalerweise gerate ich nicht so leicht aus dem Häuschen, doch die Schlagzeile, die auf der Zeitung prangte, ließ mich laut auflachen. Was dazu führte, dass mich einige Museumsbesucher kritisch musterten. Unser Kommissaren-Duo war wirklich vorteilhaft abgelichtet worden. Und dann noch die Frage mit den Außerirdischen! Jedes Kind weiß: Dafür sind die Kerle mit dem Blitzdings zuständig.

      Außer dem seltsamen Duo ereignete sich so gut wie gar nichts Aufregendes während unserer Schicht. Wir zogen unsere Runden so, dass einer von uns in dem verdächtigen Raum zurückblieb, um dort Wache zu halten. Barbiel ging mehrmals mit dem Hund raus und ich musste mich immer wieder mit Kaffee wach halten. Für mich ist so ein Museum einfach nur langweilig. Einmal erschrak Barbiel, weil ein Kind rief, es sähe dort einen Engel. Er fühlte sich auf unschöne Weise ertappt. Doch er atmete wieder auf, als das Kind auf ein Bild zeigte, auf dem ein Engel abgebildet war.

      Erwartungsfroh trielte ich dem langersehnten Feierabend entgegen und hoffte, dass Dracon und Silent Blobb bald eintrafen. Offiziell hat der Louvre bis 21 Uhr geöffnet. Die beiden wollten, nachdem die letzten Besucher gegangen waren, hier bei uns eintreffen. Silent Blobb ist wirklich kein schöner Anblick und man weiß nicht, wie die Leute auf einen riesigen Schleimbolzen reagieren, wenn er ihnen zu Gesicht käme. Und noch etwas beschäftigte meine Gedanken und zwar so, dass sich mein Kopf schon fast anfühlte, als wäre er ein Karussell. Wie bekam ich mein Eigentum zurück? War es möglich das Bild unbemerkt zu entfernen? Wohl kaum. Diese ganze Sache wurmte mich enorm.

      Über mir ertönte eine Durchsage, oder eher mehrere in verschiedenen Sprachen. Die Stimme forderte die Besucher auf, sich langsam zum Ausgang zu begeben. Diese Worte waren Balsam für meine Seele. Barbiel und Brutus machten einen Kehraus und begleiteten sozusagen das Publikum nach draußen. Endlich neigte sich der lange Tag dem Ende entgegen. Meine Schuhsohlen hatten heute bei diesen vielen, gelaufenen Kilometern arg an Material eingebüßt. Wenn der Belphegor kommen sollte, dann bitte nach uns, wenn Dracon und Blobb ihre Schicht antraten, denn ich hatte einfach keine Meinung mehr. Auch würde ich heute Abend nicht mehr wie geplant die Sau raus lassen, sondern mich mit meinem alten Freund Jim Beam treffen und in meinem Hotelzimmer den Pornokanal austesten. Vielleicht würde ich mir noch den Knauf polieren und anschließend die Augen zumachen. Unser Engel wollte heute in die Spätvorstellung irgend eines Balletts und war für die Piste nicht zu haben. Zwar hatte er mich gefragt, ob ich mitkommen wolle, doch ich kann halb-abgemagerten Hupfdohlen mit Hühnerbrust, die auf Zehenspitzen tanzen, nichts abgewinnen.

      Leider kommt es immer anders als man denkt. Gerade als ich sehnsüchtig aus dem Fenster Ausschau nach meiner Ablösung hielt, bemerkte ich einen dunklen Schemen. Vorsichtig öffnete ich mein Jackett, um an meine Desert Eagle im Schulterholster zu gelangen. Und dann ging alles ganz schnell. Ich zog die Waffe, zielte und schoss. Doch ich traf nicht, so wie ich erwartete. Das feine Silbernetz verfehlte den anvisierten Dämonen, zischte an ihm vorbei, weil er blitzartig einen paar Schritte zur Seite machte und sich drunter hinweg bückte. Der Belphegor stieß ein schrilles Gelächter aus und teilte sich. Ja, genau. Wie durch eine wundersame Zellteilung wurden aus ihm erst zwei, dann vier und anschließend acht seiner Sorte. Und alle stürmten auf mich zu. Was sollte ich machen? Solche Fragen fallen einem immer erst ein, wenn es zu spät ist. Also griff ich mir den Nächstbesten, zog ihm seinen dämlichen Schlapphut über die Augen und stieß ihm mein versilbertes Messer in die Rippen. Er flammte auf und verschwand. Dem nächsten Angreifer setzte ich sofort in Flammen. Gerade als ich lustig vor mich hin metzelte, fiel mich einer von den Duplikaten an und versetzte mir einen derart heftigen Stoß, dass es mich quer durch den Raum beförderte. Krachend landete ich in der Vitrine mit dem verstaubten Wolf. Leicht benommen schüttelte ich Glasscherben von mir und ging erneut zum Angriff über. Meine Pistole hatte ich während des Kampfes irgendwo verloren. Das ist nichts Neues, ich verliere ständig irgendwelche Sachen. Aber ich hatte noch immer das Messer und so mähte ich mich durch die übrigen Angreifer. Zwischendurch rief ich nach Barbiel, doch statt seiner Stimme, empfing ich nur ein knisterndes Rauschen in meinem Ohrhörer. Ein Trugbild nach dem anderen fiel meiner Verteidigung und raffinierten Ausfällen zum Opfer, ich parierte, stach und stieß, bis nur noch einer übrig blieb. Wenn es mir gelingen sollte ihn auszuschalten, wäre der Belphegor erledigt.

      Gerade als ich mich auf ihn stürzen wollte, warf er einen riesigen Glaskasten nach mir, in dem sich eine Statue von Odin befand. Zwar versuchte ich noch sie mit Telekinese abzubremsen, doch es war schon zu spät und meine Gottheit landete samt Glasvitrine auf mir und nagelte mich mit seinem Gewicht am Boden fest. Glas ging zu Bruch und ich wurde prasselnd damit bedeckt.