Elke Bulenda

Pariser Nächte


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geben wollte, rückte er sich ebenso dominant in Szene, was ihm durch mangelnde Körpergröße nicht so recht gelingen wollte und hoffte, dass die ganze Sache nicht nach hinten losgehen würde. Doch er verfolgte einen Plan. »Sie gehen also davon aus, dass wir schlecht informiert seien. Erst einmal fordere ich Sie dazu auf, dass Ihr Kollege, dem es sowohl an Sprachkenntnissen, als auch an Manieren zu mangeln scheint, sich sofort und umgehend bei meinem Mitarbeiter zu entschuldigen hat. Und wenn Ihnen so viel daran liegt, dass wir hier das Feld räumen, rufen Sie doch meinen Vorgesetzten an! Ich finde es empörend, dass Sie in unserem Revier wildern. Haben Sie nichts Besseres zu tun? Vielleicht einen Serienkiller zu jagen? Und warum kümmern Sie sich ausgerechnet um die Belange hier in Paris?«

      Wie ich erwartet hatte, kam als nächstes Stadium der Schockverarbeitung, die selbstgerechte Empörung. Und nun zog der Kerl vom Leder.

      … So etwas nenne ich eindeutig einen Realitätsverlust ...

      Und dann holte er einen gaaaanz alten Hut raus, indem er die alte Revier-Masche aufzog. So etwas veranlasst mich, ein Gähnen zu unterdrücken. Ja, Paris ist auch wirklich der Nabel der Welt! So ein Quatsch, ich sah schon Paris, da war es noch ein kleines, verkacktes, sumpfiges Dorf, hinter Wolken-Kuckucksheim. Er mag vielleicht für Paris zuständig sein, wir vom Ring hingegen retten die ganze Welt. So ein kleinkariertes Krämer-Denken von Seiten des Polizisten machte mich wirklich ziemlich sauer. Mein Therapeut, Herr Dr. Dr. Ferdinand Gütiger, riet mir, falls mich wieder einmal der rote Schleier der Wut übermannen sollte, folgende Methode anzuwenden: Bis Zehn zählen und mir dabei etwas Schönes vorstellen. Das tat ich dann auch, als mir dieser klein-geistigen Bulle erzählen wollte, was ich zu tun und lassen hätte. - Also stellte ich mir vor, wie ich beide tötete und ausweidete, und ihre Gedärme in ihre Münder stopfte und fühlte mich, nachdem ich zu Ende gezählt hatte, gleich viel besser. Ich setzte eine verständnisvolle Miene auf, nickte mit dem Kopf und sprach zu ihnen, wie man es normalerweise mit kleinen, dummen Kindern macht.

      »Ich gebe Ihnen einen kostenlosen Rat. Sie sollten sich lieber doch unmittelbar mit Ihrem Vorgesetzten in Verbindung setzen. Wenn Sie allerdings lieber stattdessen uniformiert den Straßenverkehr regeln wollen, kann ich Sie nicht zu einem Telefonat zwingen.«

      »Sie kommen hier her, behandeln uns wie den letzten Dreck, setzen ihren Fuß auf unseren Grund und Boden und sehen sich auch noch ermächtigt, uns einen kostenlosen Rat zu geben? Was soll bitte so wichtig an unserem Fall sein, dass sich die Zentrale in Lyon genötigt fühlt, Sie hier her zu beordern? Einen Wrestler mit Zöpfchenfrisur und einen wilden Komiker mit Schoßhund, der andere beleidigt? Mann, mir kommt es eher vor, als wären sie von der CIA, oder die Men in Black. Normalerweise arbeiten wir mit Interpol zusammen«, gab Commissaire Bruno zum Besten. Vincent, der vorher den großen Agenten gemustert hatte, gleich so, als wäre er innerlich eine Kartei mit Verdächtigen durchgegangen, trat näher, um gegebenenfalls Bruno aus der Schusslinie zu ziehen.

      Barbiel und Brutus sahen zwischen mir und den beiden Polizisten hin und her. Als Barbarella den Mund öffnete, hielt ich lediglich die Hand in seine Richtung, was ihn sofort zum Verstummen brachte. So konnte ich in Ruhe fortfahren. »Nun, ich kann die Anfeindungen, die Sie uns so offen entgegenbringen nicht nachvollziehen. Mein Kollege und ich haben einen Auftrag von höchster Priorität, von ganz oben, versteht sich. Und den können wir nicht verweigern, zu Gunsten anderer. Ihr Auftrag hingegen, ist leider obsolet. Und ja, eigentlich arbeiten wir mit den örtlichen Behörden zusammen, aber nicht mit Ihnen, Commissaire Bruno.«

      … Ja, so ein Rhetorik-Kurs, den man sich während eines Fluges per Kopfhörer reinziehen kann, ist wirklich nicht die schlechteste Sache ...

      Aber ich war noch nicht fertig. »Und nun, Commissaire Bruno, setzen Sie Ihre Denkkappe auf und überdenken meine Worte. Wogegen mir Ihr Kollege vernünftiger erscheint, weil er sich vornehm zurückhält.«

      Da gerade von Vincent die Rede war, griff er beherzt nach Brunos Schulter und wollte ihn zurückziehen, doch der machte sich frei und guckte uns feindselig an.

      Wenn es nach mir ginge, könnten sie ihren blöden Auftrag behalten und damit selig werden. Sie waren wirklich ziemlich heiß auf diesen Mord. Mich hingegen ließ der Widerstand der beiden Commissaires ziemlich kalt. Der Kerl war wirklich hartnäckig, er strapazierte meine Geduld erheblich. Doch ich ließ mich nicht aus der Reserve locken. »Sie haben nicht die Befugnis zu erfahren, weshalb wir für diesen Fall autorisiert sind. Und vielleicht täte es Ihnen ganz gut, ein wenig an die frische Luft zu gehen. - Damit Sie Ihr Mütchen ein wenig kühlen können. Und vergessen Sie Ihre Denkkappe nicht, denn offensichtlich haben Sie sie nicht benutzt. Sie werden verstehen, dass wir über unseren Auftrag bestens informiert sind, Sie hingegen keinen blassen Dunst haben.«

      Dies sagte ich immer noch in der verständnisvollen Tonlage eines Erziehers.

      »Wieso sollte ich an die frische Luft gehen? Ich mache Ihnen einen anderen Vorschlag: Geben Sie mir die Telefonnummer Ihrer Zentrale, dann werde ich mit Ihrem Vorgesetzten telefonieren«, bot Bruno an und war sich sicher, dass er damit die beiden Pseudo-Agenten enttarnen würde. »Nein, warten Sie, ich habe selbst die Nummer, so kann ich davon ausgehen, dass sie mir nicht eins vom Pferd erzählen.«

      Der Commissaire holte sein Handy hervor und drückte die Kurzwahltaste. Nach kurzer Wartezeit bekam er den gewünschten Gesprächspartner. Doch leider stellten sich die Agenten als wahre Interpol-Mitarbeiter heraus und ihm wurde klar, dass er womöglich den Bogen überspannt hatte. Verdammte Paranoia! Ich war mir so sicher, denn in der Anwesenheit dieses großen Kerls juckt meine Narbe!, dachte Bruno und steckte sein Handy enttäuscht ins Jackett zurück. Und nebenbei bekäme er von seinem Boss auch noch den Kopf gewaschen und würde den Vermutungen, die alle über ihn hegten, weiterhin Nahrung geben. Doch er würde nicht aufgeben, immerhin hatte er jetzt Gewissheit und wusste, dass er richtig lag. Hier war eindeutig etwas faul. Und wie es der Zufall so wollte, ertönte ein Klingeln aus Brunos Jackett. Unsicher suchte er, fingerte es heraus und nahm das Gespräch an.

      »Etienne, du verdammter Vollidiot! Was fällt dir ein, in der Zentrale in Lyon anzurufen und an den Identitäten zweier Mitarbeiter zu zweifeln? Kannst du nicht lesen? Wo liegt dein Problem? Komm sofort in mein Büro. Herrgott, ich kann dir nicht ständig für deine Extratouren die Hand vor deinen eigenwilligen Arsch halten! Noch so ein Patzer und du bist raus aus dem Dienst! Lass die Interpol-Fritzen ihre Arbeit machen!«, fönte es aus dem Lautsprecher.

      Vincent legte Bruno die Hand auf die Schulter, weil der völlig weggetreten in sein Telefon starrte und legte alles darin, die Agenten gnädig zu stimmen und das Ruder herumzureißen. »Meine Herren, ich nehme es Ihnen nicht übel, dass Sie mich als Hintern titulierten. Ich verstehe, dass Sie von außerhalb kommen und ohnehin heißt es, dass die Sprache ein Missverständnis ist. Wissen Sie, mein Kollege hat ein angeborenes Misstrauen allem gegenüber. Ich hoffe Sie nehmen unsere Entschuldigung an. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihren Ermittlungen. Kaugummi?«, bot Vincent als Friedensangebot an.

      Junge, Junge ... Ich lehnte sein Kaugummi ab, weil sich hinter meiner Stirn eine saftige Migräne zusammenbraute. Doch nun tat sich endlich etwas in dieser festgefahrenen Situation: Leider schwafelte sich Commissaire Legrand jetzt ebenfalls in Rage, oder jedenfalls versuchte er sich für das Tun seines Kollegen zu rechtfertigen, weil dieser uns nicht abnehmen wollte, dass wir von Interpol seien. Dabei habe ich das blöde Handbuch bis zum Abwinken studiert. Die Commissaires waren schon reizende Früchtchen, doch ihr Chef toppte sie noch um Längen. Aber er brachte Licht in die Dunkelheit ihres Unwissens. Und das aber gehörig. Der Kerl machte Bruno regelrecht lang und anschließend platt. Er drohte Bruno mit der Suspendierung, wenn er nicht die Finger von unserem Fall ließ.

      Der Jüngere entschuldigte sich also bei uns und schenkte Barbiel sogar ein Kaugummi. Mein Partner, der Engelbert, nahm diese Gabe entgegen, als hätte man ihm einen Orden verliehen. Seine Augen glimmerten nahezu vor Rührung. Leider konnte ich nicht verhindern, dass er sich bei ihm bedankte, dieser Geriatrie-Patient!

      »Selbstverständlich...nehmen wir die, die...Entschuldigung an. Das, was vorhin, äh...passiert ist, tut mir...aufrichtig ... leid. Es lag nicht...in meiner...Absicht, Sie in...irgendeiner...Form zu... beleidigen. Vielen Dank, auch wir wünschen Ihnen viel...Erfolg bei Ihren...Ermittlungen.«

      Boah,