Elke Bulenda

Pariser Nächte


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hier schon mal sehen lassen hat, war uns ja allen bekannt.« Wieder wischte sich Dupin die Stirn. »Doch sobald ihn jemand zu Gesicht bekam, verschwand er schnell wieder. Er machte auf uns alle immer einen sehr schüchternen Eindruck. Eher etwas verloren. Lediglich die schöne Kunst sah er sich immer gerne an. Doch in letzter Zeit schien mit Belly, - so nennen wir ihn liebevoll - etwas Seltsames vorzugehen. Der Nachtwächter erzählte, dass sich unser Geist schimpfend und wild gestikulierend durch die neue Ausstellung bewegte.«

      … Und wieder das Taschentuch. Es war schon ganz ... durchgeschwitzt … Brrr.

      Mein Hirn lief auf Hochtouren. Weil ich von Barbiel nicht die geringste Hilfe zu erwarten hatte, geriet ich jetzt schon ins Schlingern. Wir blieben vor der Mona Lisa stehen. »Ist sie nicht anbetungswürdig?«, fragte uns Dupin auffordernd.

      Na ja, anbetungswürdig finde ich sie nicht gerade, doch blieb mir nichts anderes übrig als zu nicken.

      … Unter uns: Für mich sieht Mona Lisa eher etwas langweilig aus. Sie hat eindeutig drei gravierende Makel: Wurstfinger, fettige Haare - und das Schlimmste: Ich frage mich, was sie mit ihren verdammten Augenbrauen gemacht hat. War sie dem Herdfeuer zu nahe gekommen? Im ernst, ich verstehe einfach nicht, wieso sich Frauen die Augenbrauen abrasieren. Um hinterher Stunden lang vorm Spiegel zu stehen und sich selbst wieder neue ins Gesicht zu malen? Diese Versuche erinnern mich immer wieder an verrückte Wissenschaftler, die Körperteile an den seltsamsten Stellen annähen. Kein Wunder, dass viele Mona Lisa als geheimnisvoll bezeichnen. Wenn ihr die Brauen fehlen, kann man ihren Gesichtsausdruck nur sehr schlecht interpretieren. Jetzt könnte ich von Körpersprache und Mikroausdrücken anfangen, aber das ist jetzt ein wenig zu komplex. Wenn wir schon ehrlich miteinander sind: Wenn mir die Mona im realen Leben über den Weg laufen würde, würde ich sie auch nicht von der Bettkante werfen. Höchstens ein Bein links, das andere rechts. Vorausgesetzt sie behält ihre Finger bei sich, wäscht sich die Haare und malt sich nicht die Augenbrauen in ihre erste Stirnquerfalte ...

      »Monsieur Dupin, wie kam es zu dem Unglück, weswegen wir jetzt die Ermittlungen übernehmen?«, fragte ich den Kurator, um wieder den Faden aufzunehmen.

      »Ja, das ist wirklich seltsam. Denn eine Augenzeugin will gesehen haben, wie der Belphegor die alte Dame die Treppe hinunter gestoßen hat. Dabei ist doch unser Belly zuvor noch nie handgreiflich geworden.«

      Das war in der Tat sehr seltsam. Ein Wesen, das vorher vor den Menschen floh, wurde plötzlich aggressiv und griff an.

      »Können Sie sich erklären, was diesen Angriff ausgelöst haben könnte?«, hakte ich nach.

      »Nein, es war der erste Ausstellungstag unserer neuen, aktuellen Ausstellung. Die Dame war sozusagen eine Stammkundin und jeden Tag hier. Das gehört, Pardon, das gehörte schon zu ihrem Tagesablauf.«

      Sehr merkwürdig. Vielleicht war der Dämon eifersüchtig auf die Dame? Aber es ist nun mal unsere Aufgabe Licht ins Dunkel zu bringen. Um etwas Zuversicht zu signalisieren, zückte ich mein kleines Notizbuch und schrieb mir alle Fakten auf. Ob ich sie hinterher wieder entziffern konnte, stand in den Sternen. Meine Handschrift ist fürchterlich. Von mir beschriebene Blätter machen den Eindruck, als wäre eine Horde Wildsäue über das Papier galoppiert.

      »Ist Ihnen noch etwas Außergewöhnliches aufgefallen?«, fragte ich.

      »Ja, eins ist schon sonderbar ... «

      Dupin konnte einfach nicht mit diesem schrecklichen Gewische aufhören.

      »Der Belphegor war sonst immer nur ein Schemen, doch diesmal war er voll und ganz aus Materie. Die Augenzeugin weiß nicht, dass es sich um den Belphegor handelt, sie beschrieb ihn als einen Mann mit langem Mantel, das Gesicht von einem Hut verdeckt. Aber ich weiß, es war der Belphegor.«

      Barbiel wurde hellhörig. Blieb für ihn zu hoffen, dass er die Sprache besser verstand, als diese aus seinem Hirn hervor zu holen und ordentliche Sätze daraus zu bauen. Zumindest sah Brutus aus, als hätte er alles im Griff. Kluger Hund.

      Dupin bekam eine Karte von mir in die Hand gedrückt.

      »Wenn Ihnen noch etwas Wichtiges einfällt, rufen Sie mich an. Wir werden uns um die Polizisten kümmern, damit der Betrieb hier nicht aufgehalten wird. Auch werden wir Tag und Nacht das gesamte Gebäude beobachten. Niemand wird bemerken, dass wir hier sind.«

      Wie Simon, unser Team Coach, uns auftrug, würden wir uns ab morgen, inkognito als Touristen verkleidet unter die Leute begeben. So sah es der Plan vor. Dabei hätten wir alles im Griff und würden die Besucher des Museums nicht beunruhigen. Nur nicht auffallen, lautet die Devise.

      Dupin nickte und gab uns einen Plan des gesamten Gebäudes. Den besagten Tatort markiert er mit einem Kreuz. Die Stirn wischend verabschiedete er sich, und hampelte davon.

      … Mann! Wenn der nicht aufpasst, wird ihn sein Bluthochdruck noch umbringen. Dann kann sich Monsieur Dupin zu seinen Ausstellungstücken gesellen - In einem offenen Sarg ...

      Inzwischen waren wir in der ägyptischen Abteilung und mir wurde wieder ein wenig wohler. Wieso kann ich mir nicht erklären, aber bei Porträtmalereien werde ich das dumme Gefühl nicht los, ständig beobachtet zu werden. Ob es nun das "Selbstbildnis mit Eryngium" ist, oder "Gabrielle d’Estrées und eine ihrer Schwestern", (obwohl ich das Bild sehr witzig finde, weil Gabrielle ihrer Schwester in den Nippel kneift und die Gouvernante im Hintergrund von dieser Gemeinheit nichts mitbekommt!) trotzdem habe ich das Gefühl, nicht ich starre das Bild an, sondern das Bild mich.

      Allerdings gefiel mir die Skulptur des seltsamen, ägyptischen Schreibers auch nicht sonderlich. Alles was mit Ägypten zu tun hat, erinnert mich unweigerlich an den Dschinn, der einst meinem Bruders Sal diente. Und diesen Dschinn kann ich zum Tod nicht ausstehen. Er ist vorlaut, gemein und unsympathisch. Nein, nicht Sal, sondern der Dschinn - Wilbur. Eigentlich heißt er Farouk Neke El Abdul.

      Sal ist übrigens mein Vampir-Blutsbruder, der früher Cornelius hieß und ist obendrein auch noch mein Boss. Es nagt schon etwas an meinem Stolz, dass er jetzt das Sagen hat. Aber in diesen sauren Apfel musste ich beißen. Scheinbar weckt er in mir das Bedürfnis, meine destruktiven Energien in die richtigen Bahnen zu lenken. Weil er ein unverbesserlicher Humanist ist, trotz seines Vampir-Daseins, gründete er die geheime Organisation Salomons Ring. Unsere Organisation ist so etwas wie die fleischgewordene X-Akte. Nur wir sind nicht die Bösen, sondern setzen alles daran die Menschen vor Schaden zu bewahren. Egal, ob ausgeflippte Magier, Menschen fressende Monster, oder außer Rand und Band geratene Dämonen, - wir verhindern, dass sie Unheil über die Menschheit bringen. Na ja, und man verdient ganz gut, kommt viel herum und darf ab und zu mal jemanden Böses abmurksen. Aber ich schweife schon wieder ab. Alles in allem mag ich diesen Louvre nicht. Dazu kommen noch diese schrecklichen Auren. Und ich werde den Verdacht nicht los, dass mein Sohn Wally dahinter steckt.

      Jetzt muss ich doch noch einmal von Hölzchen auf Stöckchen kommen:

      Auch ich bin kein unbeschriebenes Blatt und war vor meiner Auferstehung mit der Tochter und Thronerbin von Lord Seraphim verheiratet. Seraphim war ein verkappter Dämon und folglich war seine Tochter Mala eine Halbdämonin, weil sie eine menschliche Mutter hatte. Ja, ich weiß, dass ich sagte, sie würde Marla heißen, aber eigentlich heißt sie Mala. Ihr Vater nannte sie so, doch ich wollte sie nicht auch so nennen, weil ich mit ihm nichts gemein haben wollte, egal. All dieser Umstände zum Trotze bremste es mich nicht davor, unsterblich (wie treffend!) in Mala verliebt zu sein. Wir tricksten den Lord aus und durften heiraten. Diese Tricks hießen anschließend Gungnir und Wally, unsere Söhne, die nur im Zweierpack zu haben waren. Mit anderen Worten: Zwillinge. Ha, da fällt mir ein Witz ein. Was ist der Unterschied zwischen einem Glas Wasser und Zwillingen? Wasser ist H2O, Zwillinge: Oha, zwei!

      Äh, eigentlich hatte Wally keinen richtigen Namen, weil er eigenwilliger Weise auf keinen hörte. Er glaubte damit einer Bestrafung zu entgehen, wenn er seinen Namen leugnete. Zuerst wollten wir ihn Mjølnir nennen, ließen es aber bleiben. So beschlossen wir ihn Wally zu nennen, was auf Norwegisch soviel wie Idiot bedeutet. Damit wussten wir, dass wir über ein und die selbe Person sprachen. Außerdem war es sein erstes Wort, das er sprechen konnte. Passt doch, oder?

      Aber nicht nur das, unsere