Elke Bulenda

Pariser Nächte


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bis sie Körpertemperatur erreichte und trinkbar wurde. Ob ich mich in der Nacht schon bei den beiden Mädchen bedient hatte, daran konnte ich mich beim besten Willen nicht erinnern. Jedenfalls musste ich, wenn es der Fall gewesen war, sehr vorsichtig zu Werke gegangen sein. Denn die Bettwäsche war noch immer blütenweiß und wies keinerlei Blutflecken auf.

      Nach der Rasur und Dusche legte ich noch etwas Aftershave auf und kleidete mich an. Natürlich muss ich einen extra dicken Spezialspiegel benutzen, Spiegel verabscheuen mich und gehen zu Bruch. Und da Sal davon wusste, stattete er gleich unsere Dienstwagen ebenfalls damit aus. Aber nicht nur auf Spiegel wirke ich abstoßend. In meiner Gegenwart wird die Milch sauer und Schnittblumen welken im Zeitraffer. Schlechtes Karma, was weiß ich.

      Bewundernde Blicke wurden mir von den beiden Damen zugeworfen, ich bin nicht gerade klein und schmächtig und mache in einem schwarzen Maßanzug ganz schön etwas her.

      Damals diente ich Lord Seraphim und dem Heiligen Ritterorden des Erzengels Michael. Mein Sohn Gungnir fragte mich vor langer Zeit, als er noch ein kleines Kind war, ob ich ein Möbelstück mit zwei Darmausgängen wäre. Sicher war mein Gesichtsausdruck nicht gerade gelassen als ich das vernahm. Sofort fragte ich nach, wieso er auf so eine Vermutung käme. Schulterzuckend antwortet er mir, dass er gehört habe, wie zwei Soldaten sich unterhielten. Einer der Soldaten sagte, als ich mich mit meinen Zwillings-Söhnen näherte: »Still, da kommt der Schrank mit den zwei Arschlöchern.«

      Äh, Schwamm drüber … So mancher hat einen Anzug im Schrank. Ich dagegen bin ein Schrank in einem Anzug ...

      Flugs verschwand ich ins Bad, um mir mein Schulterhalfter anzulegen. Die beiden Grazien mussten schließlich nicht alles spitz kriegen.

      Nachdem ich alles beieinander hatte - Papiere, Dienstmarke und Sonnenbrille - verabschiedete ich mich von meinen Betthasen und zog die Zimmertür hinter mir zu. Dann steuerte ich das Zimmer meines Kollegen Barbiel an und klopfte schwungvoll an seine Türe. Schimpfen ertönte von der anderen Seite und die Tür wurde heftig aufgerissen, um einen etwas blassen, aber trotzdem gut gekleideten Barbiel erscheinen zu lassen.

      »Oh, Mann! Ragnor, kannst du nicht etwas leiser klopfen? Ich bin nicht taub!«, beschwerte sich der Engel.

      »Hey, Barbiel, du siehst wirklich scheiße aus. Wie oft habe ich dich gewarnt, dass du das Baguette nicht essen sollst?«

      Wütend funkelte er mich an. »Ich glaube du hast es fünf Mal gesagt.«

      Darauf schüttelte ich den Kopf: »Nein, es waren ganze sechs Male, aber du konntest nicht hören. Normalerweise warne ich nur einmal und schlage dann zu. Aber du bist mein Kollege und hattest Glück. Und jetzt pack´ Brutus die alte Trethupe ein, und lass uns losfahren!«

      Nochmals kontrollierte Barbiel den Inhalt seiner Taschen und rief Brutus, den er gleich hochnahm und knuddelte. Augenverdrehen meinerseits. Ich kann so ein Getue einfach nicht ausstehen. Voll schwul!

      »Was hast du denn mit den Damen gemacht, nachdem ich einen so unrühmlichen Abgang hatte?«, fragte er und drückte auf den Lift-Knopf.

      »Ich habe sie mit auf mein Zimmer genommen«, war meine lakonische Antwort.

      »Was? Alle beide?« Barbiels Augen waren so groß wie die Scheinwerfer eines Mittelklasse-Wagens.

      »Jepp, zu zweit ist man ein Paar, aber zu dritt ist es eine Party. Außerdem kann ich mich immer sehr schlecht entscheiden. Milch oder Kaffee? Warum nicht einen Caffé Latte daraus machen? …«, grinste ich in mich hinein, was bei meinem Kollegen Kopfschütteln auslöste.

      »Du bist unmöglich!«

      »Hey, ich war zweieinhalb Monate im Bau und wäre da beinahe nie mehr wieder herausgekommen. Da habe ich natürlich einen gewissen Nachholbedarf.«

      Mein Handy spielte Beethovens Sechste. Sobald ich die Melodie erkannte, drückte ich das Gespräch einfach weg. Vor der Tür angekommen, bestiegen wir unseren Dienstwagen. Einen Renault Koleos. Eigentlich mag ich keine französischen Autos, aber dieser Wagen war annehmbar. Verglichen mit der Ente, die ich mal fahren musste, war dieser Wagen der reinste Luxus. Obwohl ich keine SUV leiden kann. Groß und klobig bin ich schon selbst. Deshalb bevorzuge ich weitestgehend elegante Fahrzeuge. Aber da es sich bei dem SUV um ein reines Dienstfahrzeug handelte, das wir als angebliche Interpol-Agenten fuhren, mussten wir eben nehmen was man uns gab.

      »Was machen Dracon und Silent Blobb?«, fragte ich neugierig.

      Eigentlich wollte ich vor der Abfahrt noch einmal nach ihnen gesehen haben, doch wir waren ohnehin schon spät dran.

      »Sie schliefen noch, als ich in der Frühe mit dem Hund draußen war und anschließend Dracon besuchte. Die ganze Nacht haben sie sich in den Katakomben herumgetrieben, da Blobb unbedingt die Kanalisation sehen wollte.«

      »Mir scheint, da habe ich wohl von uns allen die angenehmste Nacht gehabt«, grinste ich. »Vor allem, was körperliche Ausscheidungen betrifft.«

      Dabei warf ich Barbiel einen hämischen Blick zu, den er geflissentlich ignorierte.

      »Dracon will Blobb heute seiner Mutter vorstellen. Zum Glück war gestern unser Verbindungsmann da, der ihm diese neue Maskierungstechnik gezeigt hat«, bemerkte der dunkle Engel.

      Unser Dracon ist ein waschechter Halbdrache und sieht nicht gerade sehr menschlich aus. In so einer Großstadt wie Paris kann er unmöglich unter die Leute, nicht ohne aufzufallen. Dem wurde Abhilfe geschaffen. Und unseren Blobb, der ein knochenloses, der Konsistenz von Götterspeise ähnliches Wesen ist, kann man bequem in jede Form pressen. So konnte Dracon seinen Freund in einer Tasche, oder Rucksack überall mit hinnehmen. Um diese beiden brauchte ich mir schon mal keinen Kopf zu machen. Es sei denn, ihnen fiel ein, eine Bank auszurauben.

      Da der Weg vom Hotel zum Louvre nicht weit war, blieben wir noch etwas im Wagen sitzen, um die Lage zu peilen. Was mich sehr wunderte waren die uniformierte Polizisten, die immer noch vor Ort waren. Eigentlich sollte die örtliche Polizei längst von diesem Fall abgezogen worden sein. Wir sollten ihnen noch etwas Zeit geben, um den Tatort zu räumen. Mein Beifahrer kam auf ein mir ziemlich unangenehmes Thema zu sprechen.

      »Ragnor, wir haben schon Mitte Juli, in drei Wochen hast du Geburtstag. Was wünscht du dir eigentlich von uns?«

      … Nein, jetzt fing er damit wieder an!...

      Mein Smartphone ließ die Klospülung rauschen, als Signal dafür, dass ich eine SMS bekommen hatte.

      Grimmig sah ich zum Engel. »Ich wünsche mir von dir, dass es so etwas wie spontane Selbstentzündung gibt, und du der lebende Beweis dafür bist! Nein, noch besser ... Nimm einen anderen Nachnamen an, okay?«

      Sehr zu meinem Erstaunen hatte sich Barbiel gestern im Hotel mit seinem Nachnamen eingetragen, den ich zuvor noch gar nicht kannte. Und ratet mal wie er heißt? - Er heißt Marx!

      Meine Reaktion ließ nicht lange auf sich warten, als er mir seinen Namen verriet. »Was? Wieso heißt du Marx?«

      »Eigentlich wollte ich mich Engels nennen, doch das fand ich ein wenig abgedroschen, also entschied ich mich für Marx«, meinte er darauf.

      »Sagte dieser Marx nicht, Religion sei Opium für das Volk? Was sagt der große Boss da oben dazu? Verrate bloß niemandem deinen Nachnamen, sonst werden wir im Ring nur noch die "Marx Brothers" genannt. Herrgott nochmal! Wie kann man sich nur so einen dämlichen Namen aussuchen?!«, pöbelte ich ungehalten.

      Schulterzucken war Barbiels einzige Reaktion.

      »Was soll´s, du heißt schließlich McClane. Das ist auch nicht unbedingt ein normaler Name.«

      Darauf pikte ich ihm den Zeigefinger in die Brust. »Hör mal, Bärbel, ich lasse mich lieber mit einem Haufen kampfwütiger Highlander in Verbindung bringen, als mit durchgeknallten Anarcho-Komikern!«

      Nun saßen wir hier im Auto und diskutierten wieder über seinen blöden Namen.

      »Ich weiß gar nicht, was du an meinem Namen auszusetzen hast. Und wieso willst du nicht deinen Geburtstag feiern?«, fragte er leicht düpiert.

      »Verdammt,