Elke Bulenda

Pariser Nächte


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Früher konnte man seinem Gegner prima eins aufs Maul hauen, indem man eine Rolle Silbermünzen in der Faust behielt. Versuch das mal mit Papier! Egal, es gibt immer noch Münzen, leider keine mehr aus Gold oder Silber. Es sei denn, man geht unter die Numismatiker ...

      Neben mir lief Barbiel, während ich über das Pekuniäre nachdachte. Entgegen seiner üblichen Gewohnheit, war er still und in sich gekehrt. Er betrachtete die Bilder mit stiller Ehrfurcht und so gingen wir unseres Weges, um den vermeintlichen Tatort zu besichtigen. Die Bilder ignorierte ich im Großen und Ganzen, nur wenn nackte Schönheiten in Sicht kamen, schenkte ich ihnen einen Blick.

      »Es geht mich ja nichts an, aber warum gehst du nicht ans Handy?«, fragte Barbiel ganz unerwartet.

      »Du hast recht, es geht dich wirklich nichts an. Aber da du mir sowieso keine Ruhe lässt - es ist Molly«, log ich ganz unverblümt. »Und Molly nervt schlimmer als Zahnweh.«

      Mein Begleiter schüttelte den Kopf. »Also ich finde, ist Molly eine sehr nette Person. Du weißt, sie ist etwas ganz Besonderes.«

      … Aha. Wenn er sie so nett findet, kann er sie von mir aus haben, ich würde ihm sogar meinen Segen geben und zwölf Kamele obendrauf, wenn er beabsichtigen würde sie heiraten zu wollen ...

      Verdrossen ließ ich die 13 Knotenschnur, in meiner Jackentasche, wie eine Gebetskette durch meine Finger gleiten. Falls ihr euch kein Bild davon machen könnt, was eine 13 Knotenschnur ist, will ich es eben kurz erläutern. Eigentlich ist die Knotenschnur ein mittelalterliches Allroundwerkzeug. Sie fungiert als Taschenrechner, Maßband und Winkelmesser. Außerdem kann man sie zum Fesseln benutzen, denn sie ist aus Leder und nicht so sperrig wie Handschellen. Tja, versucht das mal mit einem Taschenrechner, oder Zollstock.

      Wieder durchquerten wir eine Galerie mit Bildern und Statuen. Überhaupt sah ich die ganze Zeit nichts anderes als Bilder und Statuen. Gerade, als ich auch nur ansatzweise aufatmete, weil wir eine weitere hinter uns lassen konnten, gab Brutus einen seltsamen Fiep-Ton von sich. Wir blieben stehen.

      »Was war denn das für ein seltsames Geräusch?«, fragte Barbiel leicht irritiert.

      So gänzlich ohne Meinung, zuckte ich lediglich mit den Schultern. Nochmals gingen wir zurück und wieder ertönte dieser seltsame Ton aus Brutus´ Kehle. Und ständig hielt der kleine Chihuahua den Kopf in die gleiche Richtung gewandt. Der Auslöser war ein Bild, das unserem Dämonensuchhund diesen seltsamen Ton entlockte. Ich las das Schild, welches neben dem recht großen Bild hing.

      »Der Alchemist, frühes sechzehntes Jahrhundert, unbekannter Maler. - Hey, die wollen uns verarschen, auf dem Bild ist doch überhaupt kein Alchimist zu sehen!«

      Wenn ich ein Museumsbesucher wäre, würde ich glatt das Eintrittsgeld zurückverlangen. Das Bild machte auf mich einen ziemlich verwirrenden Eindruck. Es wirkte nahezu plastisch. Nur vom Alchimisten war nichts zu sehen. Lediglich der Anblick seines Labors, in dem viele brodelnde Glaskolben über tropfenden Kerzen erhitzt wurden. Schalen mit Pülverchen, Mörsern und Stößeln, beschriftete Urnen mit Inhalt, alles angeordnet auf Anrichten. Über dem Kamin hing ein schwerer Kessel und in einer Ecke stand ein Kalzinierofen. Aber vom Meister nicht die Spur. Das Format des Bildes war recht ungewöhnlich. Etwa neunzig Zentimeter in der Breite und zwei Meter in der Höhe.

      »Vielleicht ist er gerade in den Keller gegangen, oder holt Brennholz?«, war Barbiels Vermutung. Jedenfalls mochte unser Spürhund dieses Bild nicht - und mir erging es ebenso. »Ich glaube unser Brutus wird langsam alt, guck mal, er bekommt schon eine ganz graue Schnauze. Lass uns weitergehen, in einer halben Stunde werden die Besucher eingelassen, bis dahin muss der Tisch geputzt sein«, brummte ich, leicht ungehalten.

      Als wenn diese ganze Sache nicht schon reichen würde, kamen die nächsten denkwürdigen Ereignisse auf mich zu. Und das auch noch in geballter Form. Da wir von Galerie zu Galerie gingen, konnte ich schon von Weitem sehen, was auf mich wartete. So langsam schenke ich der Theorie von den Chaosknotenpunkten, von der Sal mir erzählt hatte, meinen Glauben. Die Sonderausstellung, die auf dieser Etage den letzten Raum belegte, und so mit der Treppe in die weiteren Geschosse verbunden war, enthielt Exponate, die mich sofort Jahrhunderte zurück in die Vergangenheit schleuderten. Der Schwerpunkt dieser Ausstellung war die Nordische Kunst. - Vom Altertum bis in die Moderne.

      Und die beiden Leute, die in diesem abgeriegelten Raum standen, waren ebenso merkwürdig wie der Umstand, dass das Opfer ausgerechnet hier umgekommen ist. Da ich diese beiden Personen schon früh entdeckte, trat ich extra etwas fester auf, um so unser Kommen anzukündigen. Das mussten wohl die beiden ermittelnden Kommissare der Kriminalpolizei sein. Und noch ein seltsamer Umstand zog meine Aufmerksamkeit auf die beiden. Der schlanke, hochgewachsene Mann war ebenfalls ein Vampir und ein ausgemachter Heimlichtuer. Der Vampir hielt, so wie ich, seine Aura verborgen. Und er kam mir irgendwie bekannt vor. Nur wusste ich nicht, wo ich ihn einordnen sollte. Seine Partner dagegen, war ein seltsamer Vogel. Sein Haar war graumeliert und etwas zu lang, seine Gesichtszüge scharf, vielleicht ein wenig zu mager, doch seine braunen Augen verrieten, dass er einen wachen Verstand besaß. Seine Kleidung zeugte von einem gewisses Maß an Vernachlässigung. Entweder war er Junggeselle, oder ein Scheidungsopfer. Das Auffälligste an ihm war seine Narbe, und die ließ erkennen, dass es sich bei ihm um ein gebranntes Kind handelte.

      Als die beiden unsere Anwesenheit bemerkten, verfielen sie gleich darin, ihre Verbalinjurien gegen uns zu richten. Untereinander, versteht sich. Sie gingen wohl davon aus, dass wir sie nicht hören, oder verstehen konnten. Nun, sollten sie denken was sie wollten, ich verstehe jedes Wort. Und als wir uns weiter auf sie zubewegten, kam der Ältere von beiden direkt auf uns zu und gab einen Wortschwall von sich - Wir hätten hier nichts zu suchen und würden die Beweise vernichten.

      … Ja, natürlich, ich würde jetzt lieber jemanden anderen vernichten ...

      Barbiel bemerkte meine gesteigerte Aggression und zückte gleich seinen Ausweis. »Interpol, mein Name ist Special Agent Marx und das ist mein Kollege Special Agent McClane. Es freut mich Sie und Ihren Hintern kennenzulernen.«

      … Dieser Vollpfosten! Sobald er seinen Mund aufmachte um Französisch zu sprechen, bekam er seine Vokabeln nicht mehr auf die Reihe ... Ich nickte den anderen zu.

      »Agent Marx«, brummte ich, »in mein Büro!«

      Und so zog ich Barbiel hinter die sich mir nächst anbietende gepanzerte Vitrine, die einen ausgestopften Wolf oder Ähnliches enthielt. Wenn Baba sich gesträubt und mir nicht gefolgt wäre, hätte ich ihm seine blöde Unterhose durch seine dämliche Kimme gezogen, worauf er hätte folgen müssen.

      »Barbiel, was sind das für Geräusche aus deinem Mund? Noch vor einem dreiviertel Jahr hätte ich so etwas gebracht, aber von dir? Ich bin entsetzt! Ich dachte, dass du das mit dem Französischen jetzt auf die Reihe bekommen würdest. Du hast gesagt, du würdest dich freuen seinen Hintern kennenzulernen!«

      Mein Gegenüber nahm die Farbe einer Tomate an. »Ach, diese neuen Sprachen! Hebräisch, Aramäisch, Sumerisch, kein Problem, aber alles was nach Babel kommt, da bin ich noch nicht so fit. Eigentlich wollte ich nicht Hintern, sondern "Partner" sagen.«

      Genervt verdrehte ich die Augen und drohte dem Engel mit dem Finger. »Ja, partitioniert ist ein Hintern auch! Kein Wort mehr von dir! Ist das klar? Überlasse das Reden mir, es gibt nämlich Probleme!«

      Barbiel kratzte sich seinen Bürstenhaarschnitt. »Probleme bevor, oder nachdem du mit ihnen geredet hast?«

      Wütend funkelte ich ihn an. Und so traten wir wieder hinter der Vitrine hervor, um weiter mit den Polizisten zu sprechen. Der dunkelhaarige Kerl hatte sich ebenfalls gut mit Aftershave einbalsamiert und seine Aura verborgen. Mir war es nicht möglich, seine wahre Identität zu entschlüsseln. Sogleich richtete ich mich zur vollen Größe auf, taxierte die beiden drohend, trat in ihren Personal Space und sprach zu ihnen, im gepflegtesten Französisch.

      »So, so. Mir scheint, Sie sind schlecht, oder gar nicht informiert. Rufen Sie Ihren Vorgesetzten an! Interpol übernimmt ab sofort diesen Fall. Sie sind nicht mehr autorisiert, die Akten sind beschlagnahmt. Und noch etwas. Wenn Sie gehen - vergessen Sie nicht, Ihre Trachtentanz-Gruppe mitzunehmen«, und zeigte auf die uniformierten Flics.