Elke Bulenda

Pariser Nächte


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So sehr ich meine Götter auch verehre, ich habe es nicht gern mit ihnen beworfen zu werden. Ächzend versuchte ich die steinerne Statue von mir herunter zu wälzen. Es knirschte und ich hörte das Heulen der Alarmanlage. Das war ja wieder ganz toll. Den lieben langen Tag ging mir Barbiel auf den Senkel und wenn man ihn mal brauchte, war er nirgends zu sehen.

      Hier der Punktestand: Belphegor: 1, Ragnor : 0 – Der alte Loser! Doch es näherten sich Schritte und auch ein Kläffen wurde hörbar.

      »Du meine Güte! Was ist denn hier passiert?«, wunderte sich Barbiel.

      Ich dagegen spuckte einen Happen Glasscherben aus. »Der blöde Belphegor war gerade eben in achtfacher Ausführung hier und hat bei mir mächtig Dampf ablassen. Und ich sage dir, wenn seine Lache Kinder kriegt, nehme ich ihm garantiert keine davon ab! Hier bin ich, da wo die Füße wackeln! Unter der Steinstatur!«, stöhnte ich hervor. Erwartungsvoll wippte ich mit meinen Füßen, denn mehr konnte ich im Moment, beim besten Willen nicht bewegen.

      »Der Belphegor? Wieso liegst du eigentlich immer auf dem Boden herum, wenn ich mal den Raum verlasse?«, fragte Barbiel im belustigten Ton.

      »Hey, wir haben angeblich Urlaub, deshalb hänge ich hier eben ein wenig herum! Willst du mir jetzt helfen, du Gehirnakrobat, oder lieber noch ein bisschen Schadenfreude versprühen?!«, giftete ich etwas genervt.

      Das Klicken einer Kameralinse ertönte.

      »Verdammt, was machst du da?«, fauchte ich unter meinem Stein hervor.

      »Andenken - äh, Beweisaufnahmen, alles streng nach Vorschrift!«, erwiderte er hüstelnd.

      »Wehe dir, wenn ich hinterher feststellen muss, dass diese Fotos im Umlauf sind! Würdest du mir jetzt bei dieser erdrückenden Beweislast ein wenig zur Hand gehen? Ich liege hier unter einer Tonne Granit!«, stöhnte ich ermattet.

      »Basalt, es ist Basalt!«, berichtigte mich der Klugscheißer.

      »Mir doch egal! Bin ich vielleicht ein Geograph? Oder was?«, ätzte ich zurück.

      »Geologe! Es muss Geologe heißen!«, kam prompt die Antwort.

      »Halt die Klappe, oder ich werde dich als mein persönliches Frühstückchen betrachten!«, keuchte ich resigniert. Langsam wurde diese aufopfernde Zuneigung meines Gottes ein wenig zu viel für mich. Doch statt Erleichterung zu finden, ertönte eine Stimme mit stark französischem Akzent: »Mon Dieu! Ragnor muss uns Franzosen wirklisch ´assen, wenn er den Louvre in Trümmer zerlegt! Special Agent Dracon Deveraux und Special Agent Silent Blobb, melden sisch zum Dienst.«

      Dracon legte seinen Rucksack ab und Silent Blobb entschlüpfte daraus und blubberte leicht belustigt, als er meine Misere sah.

      Dracon kicherte. »´ast rescht, Blobb, er ist ganz schön stoned! ´at noch jemand einen Witz, so lange er sich seiner ´aut nicht erwe´ren kann?«

      … Na toll, mir bleibt aber auch nichts erspart. Wenigstens war die Wachablösung da ...

      Zum Glück ließen sich Dracon, der Engel und Silent Blobb erweichen und halfen mir dabei, den Göttervater Odin von mir herunter zu heben. Dabei achteten sie darauf, nicht unseren Brutus zu zerquetschen. Der jedoch saß beim verstaubten Wolf herum und reinigte ihm liebevoll das Fell. Als ich endlich wieder frei war, versuchte ich wankend auf die Beine zu kommen, was sich als gar nicht so einfach gestaltete. Wahrscheinlich hatte ich wieder ein paar Rippen gebrochen, denn es stach ganz fürchterlich. Von oben bis unten war ich von Glassplittern zerschnitten. Mein guter Anzug hatte nur noch den Wert einer Grubendecke und war ein Fall für die Altkleidersammlung. Vorsichtig tastete ich meine Taschen ab und suchte meine Bluttabletten. Ich schüttete mir die letzten in die Hand und schluckte sie gierig hinunter. Nach und nach verheilten meine Wunden und auch das Seitenstechen verschwand wieder. Blobb warf mir einen mitleidigen Blick zu und Dracon fragte ganz scheinheilig: » ´ast du viel abbekommen?«

      »Wieso? Hat jemand eine Runde ausgegeben?«, frotzelte ich zurück. Nun, nachdem diese schwere Last von mir genommen worden war, fühlte ich mich leicht wie eine Feder und konnte es wieder genießen, ein paar Witze zu reißen. Ich nahm Dracon etwas genauer in Augenschein, denn er zeigte alles andere als seine gewohnte Optik.

      »Wie siehst du eigentlich aus? Wenn ich nicht deine Aura sehen könnte, würde ich mich glatt täuschen lassen. Wo ist deine Lederhaut geblieben?«, fragte ich erstaunt.

      Dracon rollte seinen Hautärmel herunter. »Tolle Mimikry, oder? Ein fantastisches Material, neuste Teschnik. Atmungsaktiv, wasserabweisend und noch nischt auf dem Mark zu ´aben. Und mein Schwanz ist aufgerollt in diesem Rucksack.« Er zeigte auf seinen Rücken.

      Da wir Sommer hatten, blieb uns allen nichts anderes übrig, als Haut zu zeigen. Und da lag Dracons Problem. Da er ein Halbdrache ist, verfügt er über eine dunkle, grünlich-lederne Haut. Und zu unserem Job gehört nun einmal, uns so gut wie möglich zu tarnen. Gestern kam ein Mitarbeiter des Rings zu Besuch und weihte Dracon in die neusten Camouflage-Techniken ein. Sogar sein relativ reptilienartiges Gesicht sah menschlich aus. Die Nase, das Kinn und auch seine Wangen waren mit diesem neuartigen Material aufgepolstert worden. So konnte seine ledrige Haut mit diesem Zeug bedeckt werden, und er es sich überziehen, wie einen Handschuh, Strumpf oder eine Maske. Faszinierend, diese neumodische Forschung.

      Der Museumswächter kam angerannt. Sofort schnauzte ich ihn an und ging in die Offensive. »Stell die Scheiß-Alarmanlage ab und verlasse sofort den Tatort! Verschwinde Mann!«, keifte ich ihn etwas ungehalten an. Der Kerl drehte sofort auf dem Absatz um, warf entsetzt die Hände in die Luft und verschwand auf dem gleichen Wege, den er gekommen war. Wenig später verstummte die Sirene und es war wieder ruhig. Alles in allem war ich absolut bedient.

      »Du meine Güte, wenn du eine Frau wärst, würde ich glatt vermuten, dass du gerade menstruierst!«, bemerkte Barbiel grinsend. Mein wütend-funkelnder Blick durchbohrte ihn beinahe bei lebendigem Leib und er wich einen Schritt zurück.

      »Pass du mal lieber auf Brutus auf, wenn er weiter an dem Vieh dort schleckt, bekommt er noch eine Stauballergie!« Genervt ging ich auf Brutus zu und wollte ihn von dem ausgestopften Wolf wegziehen, doch irgendetwas ließ mich innehalten.

      »Cedric? Bist du das?«, fragte ich in den aufgerissenen Schlund hinein.

      Dracon schenkte Blobb einen vielsagenden Blick und machte eine kreisende Bewegung mit seinem Zeigefinger in Richtung Schläfe.

      »Ragnor ist das ein Wolf, wie man eindeutig sieht. Ob er allerdings Cedric heißt, wer weiß?«, meinte Barbiel bedeutungsschwanger.

      Kurz überlegte ich, ob ich Bärbel den Mund mit einer meiner Socken stopfen sollte, entschied mich aber lediglich für ein abwertendes Winken und Grunzen. Ja, das war eindeutig Cedric, allerdings in der Form eines Wolfs. Das ist jetzt eine lange und komplizierte Geschichte, um das alles genaustens zu erklären, doch dieser kleine Lord im Wolfspelz war eindeutig mein einziger Freund und Kumpel Cedric. Hektisch arbeitete mein Hirn. Schnell wischte ich mit meiner Telekinese die Glasscherben davon, nahm dem Ausgetrockneten und legte ihn auf den Boden und machte mich daran, ihn mit meinen Händen zu bearbeiten.

      »Ragnor? Was machst du da? Du weißt ´offentlisch, dass es sisch ´ier um ein Ausstellungsobjekt ´andelt?«, fragte Dracon mit einem Ton in der Stimme, den man sonst nur einem kleinen Kind angedeihen ließ.

      »Schnauze! Das ist kein Objekt, sondern Schrott, und das hier ist Cedric, er ist ein Vampir und offensichtlich in großen Schwierigkeiten!«, entgegnete ich und bearbeitete den Ausgestopften weiter mit meinen Händen. Dracon zuckte mit den Schultern und beriet sich mit den anderen beiden.

      »Könnt i´r mir einmal verraten, was er da macht? Etwa eine ´erzmassage?«

      Blobb und Barbiel zuckten mit den Schultern, jedenfalls der Engel, Blobb zuckte mit etwas Schulterähnlichem.

      Mir war es völlig egal, wenn ich dabei ein Ausstellungsstück zerstörte. Wir konnten schließlich behaupten, der Belphegor hätte den Wolf mitgenommen.

      Endlich war das arme Tier nicht mehr ganz so steif. Doch wie sollte ich ihm neues Leben einflößen? Ohne lange zu überlegen, öffnete ich meine Pulsader