Elke Bulenda

Fatales Erwachen Epubli EPUB


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für einen Spaß zu haben!...

      Wieder das Schaben des Stuhls, wohlige Wärme durchflutete meine Adern und wenn ich es ganz ehrlich zugeben muss, die Königin konnte noch ein bisschen warten.

      »Bitte, Ragnor, so ist doch dein Name, du kannst nur Ragnor sein! Es ist sicherlich alles ziemlich verwirrend, aber du hast gar nicht gefragt wo du bist. Ich weiß, das Sedativum und alles ... Aber worauf ich hinaus will ist, dass diese Frage nach dem "Wo" sowieso nicht so wichtig ist, eher das "Wann"! Du erinnerst dich doch sicherlich noch an das letzte Datum?«

      Ich nickte rhythmisch, weil ich glaubte Musik zu hören.

      Diesem Simon war es wohl nicht möglich, sein blödes Maul zu halten.

      »Ragnor? Ragnor! Wir schreiben das Jahr 2010!«

      Mir wurde schwarz vor Augen.

      *

      Es ist bitter für einen Menschen, bei all dem Wissen keine Macht zu haben. Doch wie soll ein Vampir damit umgehen?

       Das erste Zitat stammt von Herodot, der Anhang ist ein selbst gedengeltes Gedankengut von mir. Nachdem ich mit einem ordentlichen Kater von diesem verdammten Ketamin erwachte, wünschte ich mir sofort eine wiederholte Dröhnung. Nur, damit ich mich nicht mit dem auseinander setzen musste, was gerade durch meinen Schädel tobte. Apropos Schädel, wieso hatte ich eigentlich diese verdammte Binde um meinen Kopf herum? Später. Zuerst musste ich herausbekommen, was Simon damit meinte, wir hätten das Jahr 2010.

      »Marla? Jule? und Mara? Heißt das etwa, dass ich sie nie mehr wiedersehen werde?«

      Blondie glotzte, als hätte ihm jemand ins Gesicht geschlagen.

      »Wer? Nein, sieht so aus. Tut mir leid.«

      Simon blickte scheinbar überhaupt nichts! Was für eine Pfeife!

      Verbitterung machte sich in mir breit. Ich hatte sie im Stich gelassen, meine Familie einfach so im Stich gelassen! Konnte nicht ihre Hände halten, wenn sie Schmerzen oder Angst hatten! Ihnen niemals mehr auch nur ein bisschen Trost angedeihen lassen! Hatte verpasst wie meine Kinder erst zu schönen, jungen Mädchen wurden, und später zu noch schöneren Frauen erblühten! Waren sie glücklich? Oder hatten sie mich verflucht, weil ich sie allein gelassen hatte? Nun waren sie schon lange tot und begraben. Staub im Wind. Zum zweiten Mal, in meiner langen Existenz, habe ich eine Frau und meine Kinder verloren. Wenn jemand seine Frau verliert, wird er zum Witwer. Wenn ein Kind seine Eltern verliert, wird es zur Waise. Aber was ist jemand, der seine Kinder verliert? Dafür gibt es keinen Begriff. Wahrscheinlich liegt es daran, dass dieser Zustand einen so mitnimmt, dass man in Wortlosigkeit versinkt. Zurück blieb nichts als gähnende Leere, Zorn und Niedergeschlagenheit. Das Schlimmste war, dass alle Emotionen auf einmal auf mich einstürmten. Marla! Ich hatte sie so geliebt, so sehr, dass es mir weh tat. Ständig, selbst bei ihrer Anwesenheit. Doch da ich jetzt ihren Verlust ertragen musste, hatte ich das Gefühl, als würde es mich zerreißen. Von innen nach außen. Nie wieder würde ich den Duft ihres Haares riechen, nie mehr ihre pfirsichzarte Haut streicheln ...

      Wut! Der rote Schleier blinder Wut trübte meine Sicht. Irgend jemand schrie. Ich hoffte, dieser Scheißkerl würde endlich das Maul halten. Bis ich herausfand, dass ich es war, der wie ein angestochenes Tier brüllte.

      Gläser gingen zu Bruch, der Inhalt der Beutel kochte über und ihre Hüllen platzten. Deckenplatten lösten sich aus ihrer Verankerung, das Licht ging aus und der Raum bebte. Simon plumpste wie ein nasser Sack zu Boden, nur um wenig später mit voller Wucht an die Wand geschleudert zu werden. Papiere flatterten durch das Zimmer, wie orientierungslos gewordene Vögel und verbrannten. Funken stoben aus den Geräten. Das reinste Chaos. Auf und ab wallendes, schrilles Pfeifen ertönte und Lichter flackerten, wie die Flammen der Hölle. An der Außenseite der Tür versuchte sich jemand Einlass zu verschaffen. Eine gewaltige Feuerwalze rollte durch den Raum und riss die Tür aus den Angeln. Es regnete, inmitten des Raumes. Simon hatte sich wie ein Kleinkind, auf allen Vieren durch den Raum bewegt und rammte mir etwas Spitzes ins Bein. Diese räudige Ratte! Schmerzen spüre ich kaum. Aber als eine unsagbare Ruhe über mich kam, beruhigte sich das Zimmer ebenfalls, und alles was darin war, tat es mir nach. Schwärze und danach nichts mehr.

      *

      Amanda und zwei Sicherheitsleute kamen atemlos durch die Tür. Missmutig betrachtete die Ärztin ihre ausgebrannten Instrumente und wandte sich an Simon.

      »Das hätte unmöglich passieren dürfen! Er war bis unter die Hutschnur vollgepumpt! Ich sagte doch, er ist gefährlich, aber Sal wollte wieder einmal nicht auf mich hören! Die Instrumente wird er mir ersetzen! Und wehe er murrt! Ich werde ihn wie eine Furie bis ans Ende der Welt jagen! Ich hielt es gleich für eine ganz schlechte Idee! Dieses Vampir-Ding ist ein Monster.«

      Simon putzte sich Schutt und Staub von der Kleidung. Inzwischen waren die Brände gelöscht und die Sprinkleranlage abgeschaltet.

      »Danke Amanda, dass du so besorgt um mich bist! Aber mir geht es gut, danke der Nachfrage. Ja, er ist gefährlich. Das habe ich nie bestritten! Aber überlege doch mal. Ihm ist gerade bewusst geworden, dass die ganze Welt, seine ganze Welt, völlig aus den Fugen geraten ist. Wie würdest du dich fühlen? Ich denke er hatte so etwas wie einen Nervenzusammenbruch.«

      Die Ärztin sah betreten auf ihre Füße. Fasste sich aber wieder schnell und setzte ihre gewohnt kämpferische Miene auf.

      »Ach, und neuerdings bist du jetzt auch noch Arzt, oder was? Aber ausnahmsweise stimme ich dir zu, es könnte ein Nervenzusammenbruch gewesen sein.« Sie schüttelte den Kopf. »Na super, ein Monster mit einem Nervenkollaps, Klasse!« Dann besann sie sich, dass ihr Verhalten womöglich etwas unsensibel rüber kam. »Natürlich, du hast Recht, Simon. Du musst dich um ihn kümmern. Versuch sein Vertrauen zu gewinnen, ich glaube er wird jetzt jeden Freund brauchen, den er kriegen kann. Bringen wir ihn in einen etwas freundlicheren Raum. Dieser ist für nichts mehr zu gebrauchen. Der Bursche sollte in der Abrissbranche arbeiten.«

      Der Sicherheitsdienst wurde angewiesen, die Liege in einen Nebenraum zu rollen. Sicherheitshalber gab Amanda dem Patienten noch eine großzügige Dosis Sedativum. Sie wollte kein Risiko eingehen. Und erst gar nicht darüber nachdenken, was passierte, wenn der Vampir erwachte und wieder Amok lief.

      Ragnors Decke war völlig weg geschmurgelt. Die Matratze auf der er lag, war geschmolzen und hatten den Hünen tiefergelegt.

      Seine Konturen waren fein säuberlich in das weiche Material hinein geschmolzen. Das merkten sie erst, als sie ihn umbetteten. Simon war nicht schwul, musste sich aber eingestehen, dass er nicht abgeneigt war, so einen Körperbau zu haben. Ragnor war groß, ziemlich groß. Aber nicht so, wie es bei vielen großen Menschen häufig der Fall ist. Er hatte keine übermäßig langen Beine, sondern an dem Kerl war einfach alles groß. Dazu hatte er eine Muskulatur, für die jeder Bodybuilder morden würde. Er muss in seiner Vergangenheit verdammt viel Holz gehackt haben..., dachte der technische Leiter. Etwas frustriert schaute Simon auf seinen eigenen, in seinen Augen mickrigen Körper. Er selbst ist nicht groß, gerade einmal 1,75m. Simon trainierte jeden Tag wie ein Besessener im hauseigenem Fitnesscenter des Instituts. Trotzdem sah er wie ein Hungerhaken aus. Er achtete penibel auf eine ausgewogene, gesunde Ernährung. Verzichtete sogar auf Fleisch. Die Tiere würden es ihm wohl niemals danken.

      Dr. Ferguson nickte mit dem Kopf zur Matratze, als zwei kräftige Helfer den Bewusstlosen auf die andere Liege wuchteten. Sie keuchten, liefen rot an und bliesen die Backen auf.

      »Simon, er hat nicht eine einzige Brandblase, das Zeug musste gekocht haben! Pyrokinese! Ich hielt so etwas immer für eine urbane Legende.«

      Simon blickte auf den Ragnor-Abdruck, guckte aber schnell weg, als er merkte, dass er auf den Abdruck des Hintern stierte.

      »Jetzt weißt du, warum Sal ihn suchen ließ, er ist der Richtige. Wenn wir sein Potenzial ausschöpfen könnten, wäre er die Ideale Waffe, die uns gefehlt hat.«

      Amanda gab ein grunzendes Geräusch von sich.

      »Ich hoffe er besitzt genügend Verstand, sich uns anzuschließen. Wenn nicht, müssen wir ihn wegschließen, so etwas