Elke Bulenda

Fatales Erwachen Epubli EPUB


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schlug sie sich an die Stirn.

      »Ach ja! Ich hatte ganz vergessen dir zu sagen, dass wir uns bei Sal melden sollen. Er wartet im Konferenzraum. Gut! Unser Baby ist jetzt versorgt und schlummert wie ein Engel, lass uns gehen.«

      Sie streifte sich die Gummihandschuhe ab und warf sie in den Mülleimer.

      Bevor Simon den Raum verließ, warf er dem weggetretenen Riesen, der auf dem Bett lag, noch einen besorgten Blick zu.

      Sein Gefühl sagte ihm, dass es mit diesem Kerl noch riesige Probleme geben würde.

      *

      „Die Fortschritte der Medizin sind ungeheuer. Man ist sich seines Todes nicht mehr sicher.“

      (Hanns-Hermann Kersten)

       Erwartungsfroh riss es Sal Ormond aus dem bequemen Stuhl, als sich die Tür des Saales öffnete. Sal ist ein schlanker, hochgewachsener Mann von unbestimmten Alter. Mal munkelte man, er hätte gerade die Dreißig überschritten, andere wiederum behaupteten, er wäre schon um die Fünfzig. Doch das würde wohl immer ein Geheimnis bleiben, denn Sal feierte niemals seinen Geburtstag. Keiner der Ringmitglieder hatte jemals danach gefragt. Und wenn es nach Sal ging, sollte es auch so bleiben. Er trug einen kurz geschorenen, gepflegten Vollbart und das fast schwarze Haar ungewöhnlich lang, sodass es ihm in dunklen Korkenzieherlocken weit über die Schultern fiel. Die weiblichen Angestellten fanden das irre sexy, viele der männlichen behaupteten allerdings, er wäre vom anderen Ufer. Vermutlich war es auch nur Neid derer, denen schon die Haare ausgingen, und nicht mit so einem wilden Haarwust gesegnet waren. Um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen, kleidete Sal sich immer in einem schwarzen Nadelstreifenanzug. Der einzige optische Farbtupfer war ein farbiges Einstecktuch. Die Institutsmitglieder rissen ihre hausgemachten Witze darüber. Sie mutmaßten, dass Sal es so wie Albert Einstein hielt. Dieser trug immer die gleiche Garderobe und hatte von jeder Garnitur mindestens 7 Exemplare im Schrank. So brauchte er sich keinen Kopf zu machen, was er anziehen sollte. Sals Augen funkelten in einem warmen Haselnussbraun. Überhaupt schienen sie immer zu lachen. Nie trat ein bösartiger Ausdruck in diese Augen, was das weibliche Personal nahezu zum Schmelzen brachte. Im Grunde genommen sah Sal aus, als hätte er es von heute auf morgen aufgegeben ein Hippie zu sein. Man konnte sich gut denken, dass er seine Batik-Kleidung samt Gitarre, an den Nagel gehängt hatte, um diese gegen einen maßgeschneiderten Anzug und ein Handy einzutauschen.

      »Und?« Sal rückte Amanda den Stuhl zurecht, damit sie sich setzen konnte. Auch eine Eigenschaft, die Sal hoch angerechnet wurde. Ein echter Gentleman, der durch und durch gute Manieren besaß. Er behandelte alle, ob nun Astrophysiker, oder Raumpflegerin, mit zuvorkommender Höflichkeit und Respekt. Dieser Umstand trug dazu bei, dass jeder gerne für Sal und die Organisation arbeitete.

      »Ihr seht abgekämpft aus. Wie ist euer erster Eindruck?«

      Sal und Simon nahmen fast gleichzeitig Platz, während eine nahezu unsichtbare Angestellte, Tee, Kaffee und Mineralwasser servierte. Dazu wurde ein Teller mit Gebäck gereicht.

      Simon angelte sich einen Marmeladen-Keks und lutschte darauf herum, bis er sich entschloss ihn zu kauen, damit er Sal, Rede und Antwort stehen konnte. Als Amanda das Wort ergriff, nahm er sich einen weiteren Keks. Denn wenn sie erst einmal los wetterte, konnte es noch etwas dauern.

      »Er ist ungehobelt, sexistisch und ein Psychopath. Er erschien mir ziemlich dumm. Aber das kommt ja oft vor, bei solchen Kerlen: Im Bizeps 1000 Volt, aber im Oberstübchen herrscht ein Kurzschluss.«

      Sal lächelte wie eine Sphinx. Sagte nichts.

      Amanda holte noch einmal Luft. »Dieser Vampir hat die Sensibilität eines Elefanten. Wir haben ihm fast unsere gesamten Vorräte an Ketamin verabreicht. Und er hatte trotzdem noch genug Energie, um unser Labor zu verwüsten. Übrigens Sal, du schuldest mir eine komplett neue Laborausrüstung! Der Typ hat sich sogar fast durch die Matratze gebrannt. Wenn du mich um meine offene und ehrliche Meinung bittest, sage ich dir, dass Ragnor ein öffentliches Risiko darstellt!«

      Sal nippte an seinem Tee, stellte die Tasse ab und nickte Dr. Dr. Amanda Ferguson zu. »Wie ich sehe, bist du auch schon seinem atavistischen Charme erlegen. Selbstverständlich bekommst du schnellstens deine Ausrüstung ersetzt. Allerdings teile ich deine Zweifel nicht. Er ist ja erst erwacht, mit Sicherheit wird er sich auch wieder beruhigen.«

      Amanda schnaubte. Die Aufmerksamkeit von Sal richtete sich nun auf Simon, der sich fast an seinem Keks verschluckte, hustete und versuchte seine Stimme wieder zu finden. Diese Kunstpause füllte Sal dadurch, dass er Simon fragte, wie es zu der Eskalation im Krankenzimmer kommen konnte. Derweil keuchte Simon immer noch. Sal nickte Amanda freundlich zu.

      »Willst du ihm nicht helfen? Amanda?«

      Amanda zog die Braue hoch: »Drei Minuten. Ein Mensch kann drei Minuten ohne Sauerstoff auskommen und er hustet erst seit einer halben.«

      Sal stand auf und klopfte Simon behutsam auf den Rücken. Der Blonde wischte sich die Tränen aus den Augen und nickte seinem Chef zu.

      »Danke, Sal.« Giftig traf sein Blick Amanda. »Danke Amanda! Das war wieder einmal sehr aufmerksam von dir!«

      Schnippisch erwiderte sie: »Gern geschehen, Simon, das war für die Tür, die mir, dank deines großartigen Einfühlungsvermögens, um die Ohren geflogen ist.«

      Diese Frau muss auch immer das letzte Wort haben! Seufzend nickte Simon und nestelte verlegen an seinem Sweatshirt.

      »Okay, ich gebe es ja zu! Ich habe Mist gebaut!«

      Er riss einen losen Faden ab und wickelte ihn um seinen Finger. »Ich hätte Ragnor noch etwas Zeit zum Akklimatisieren geben sollen. Aber was soll´s, er musste es ja so oder so irgendwann erfahren. Ich bin nun mal kein Psychologe. Hätte ich gewusst, dass er Frau und Kinder hatte ... Ich hätte diesem Projekt niemals meine Zustimmung gegeben. Er hat einen schweren emotionalen Schock erlitten.«

      Sal nickte, damit Simon fortfahren konnte. Außerdem signalisierte er ihm damit, dass der junge Wissenschaftler mit keiner negativen Konsequenz zu rechnen hatte.

      »Ich teile nicht Amandas Meinung. Ich konnte zu ihm durchdringen. Er unterhielt sich mit mir, hat gefragt und erschien, unter diesen Umständen, recht umgänglich. Wenn er sich gefangen hat, ließe sich mit ihm arbeiten. Und da ich zu seinem persönlichen Betreuer ernannt wurde, bin ich bereit, mich weiter mit ihm zu befassen. Er ist verwirrt und tief verletzt. Geben wir ihm einfach die Zeit, die er braucht, um mit uns warm zu werden.«

      »Gut, das sehe ich auch so«, sagte Sal zuversichtlich. »Amanda, du übernimmst weiterhin die medizinische Betreuung und Simon hält unserem großen Kind die Hand, aber übertreibe es nicht, Simon.«

      Amanda holte Luft.

      Sal hob die Hand, um die sich anbahnenden Proteste, im Keim zu ersticken. »Er hat eine Menge aufzuarbeiten, hätschelt sein Ego, schmiert ihm Honig ums Maul, bewegt ihn dazu mit uns zu kooperieren. Je eher, desto besser. Wir sollten ihn sobald wie möglich ins Aufbau-Programm schicken. Belohnt ihn, wenn er etwas gut macht und tadelt ihn nicht zu sehr bei Fehlern. Er kommt aus einer anderen Zeit und wir müssen ihn so schnell wie möglich für dieses Zeitalter fit bekommen. Uns läuft leider die Zeit davon. Böse Kräfte sind am Werk und unsere wichtigstes Ziel ist nach wie vor, Menschenleben zu retten. Und Ragnor ist der Einzige, der laut Orakel-Aussage, diesen finsteren Kräften gewachsen ist.« Sal nickte den beiden zu. »Danke, das war´s. Abtreten. Es wartet eine Menge Arbeit auf euch.«

      Verlegen wandte sich Amanda an Sal.

      »Danke, dass du Blut gespendet hast. Wir waren ein wenig knapp, das war großartig von dir. Ich habe ja nicht ahnen können, dass der Vampir sich wie ein Schwamm, mit dem Zeug vollsaugt. Zum Glück haben wir Nachschub bekommen. Gut, ich gehe dann mal wieder.«

      Sal nickte und meinte: »Gern geschehen, ich helfe doch immer gerne.« Und schloss hinter sich die Tür.

      Simon und Amanda machten sich auf den Weg.

      *

      Etwas störte meinen Schlaf. Wenn ich es genauer betrachte,