Elke Bulenda

Fatales Erwachen Epubli EPUB


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Blonde antwortete: »Klang irgendwie wie eine Drohung, nicht?«

      Scheinbar hatte ich einen Bruder im Geiste gefunden.

      »Du sagst es, du sagst es! Jetzt gib mir was zu trinken, ehe ich noch verwelke!«

      *

      Natürlich war ich nicht erbaut darüber, dass ich wie ein Baby gesäugt wurde. Über eine blanke Brust hätte ich mich gefreut, aber trinken mit einem Schlauch? Aus einem Beutel? Wenigstens hatte das Blut eine angenehme Temperatur und war nicht kalt. Nichts hasse ich mehr, als kaltes Blut, außer Kruste. Igittigitt, bäh! Für den Moment war ich zwar erst mal satt, aber aber auch ziemlich schlapp. Genauer gesagt, fühlte ich mich, als wären mir Arme und Beine amputiert worden.

      »Eine Erklärung wäre jetzt fein, Simon! Habt ihr mich vergiftet?«, nuschelte ich.

      Das Zusammenspiel von Zunge, Zähnen und Gaumen funktionierte nicht mehr richtig. Die Zunge hing kraftlos im meiner Mundhöhle herum.

      »In dem Blut ist eine Muskelrelaxans, Pipecuronium, das ist normalerweise nicht mehr verfügbar, aber wir mussten auf eine lange Wirkdauer bauen. Du wirst dich jetzt nicht mehr sonderlich gut bewegen können. Ich kann nur hoffen, dass ich dir vertrauen kann, aber ich habe mich abgesichert. Wie du weißt, ich bin der Leiter der technischen Abteilung. Wir haben eine nette Überraschung für dich, denn dir wurde eine Sonde eingesetzt. Wenn du jemanden Schaden zufügen solltest, wird sie aktiviert. Erst bekommst du schlimme Kopfschmerzen und anschließend explodierst du.Wenn du mich töten solltest...Bäng! Solltest du ausbrechen...Bäng! Du hast die Wahl, entweder du hast dich im Griff...«

      … Das blöde Bäng ging mir auf den Keks ...

      »Jaha ... Ich habe verstanden … Oder Bäng!«

      Unverschämt grinsend, nickte Simon ...

      »Wir können dich überall damit orten ... Ja, und es ist eine Analsonde!... Und die milde Version dieser Wirkung hast du heute am eigenem Leib erfahren. Wenn ich dir schon nicht vertrauen kann, appelliere ich hiermit an deine Vernunft!«

      Und wenn es mir an Vernunft fehlte?

      Eins ist klar ...

      Ich würde einen ziemlich spektakulären Abgang haben.

      *

      Salomons Ring

      Der Siegelring des weisen Königs war

      Der Talisman, der jedes Übel abhielt

      (Auszug aus dem Gedicht von Ludwig Storch)

       Ziemlich fluffig lag ich auf meiner Liege. Simon sprach in einen seltsamen Kasten, der neben der Tür hing. Kurz darauf kam ein Pfleger ins Zimmer, während ich mit dem Schlaf und einem völlig unwilligen Körper kämpfte. Der Mann in weiß schaltete die Geräte ab und entfernte die Schläuche. Jetzt war es wesentlich leiser. Nur das Brummen der Deckenbeleuchtung über meinem Kopf war noch zu hören. Nun wurden auch endlich meine Fesseln gelöst. Simon tätschelte mein Gesicht und grinste, als er sah, dass ich mich vollsabberte. Meine Ohren waren schon ganz nass.

      »Ragnor, lauf nicht weg! Ich besorge dir schnell etwas zum Anziehen und für mich eine Kleinigkeit zu essen, ja?«

      Des Sprechens nicht mächtig, lachte ich über seinen blöden Witz; belohnte ihn mit einem nicht gerade freundlich Funkeln und blubberte. Eigentlich sollte es das Wort "Rasiermesser" bedeuten. Sicher sein konnte ich mir nicht, ob er es auch nur ansatzweise verstanden hatte. Gemeinsam mit dem Pfleger verließ Simon den Raum.

      Zum ersten Mal seit langer Zeit war ich wieder allein.

      Ha, ha ... Und ich sollte nicht weg gehen. Na, so ein Spaßvogel. Mit Armen und Beinen kämpfend, beschloss ich, dass es keine so schlechte Idee wäre, mir vielleicht doch ein wenig die Beine zu vertreten. So rollte ich mich nach links, dann nach rechts, wiederholte diese Prozedur so lange, bis ich von der Liege rollte und hart auf dem Boden aufschlug. Das hatte ja mal wieder ganz hervorragend funktioniert. Autsch … Nie zuvor war mir klar, dass Sitzen eine so anstrengende Angelegenheit sein konnte … Während dieser kräftezehrenden Tätigkeit musste ich wohl eingeschlafen sein.

      Später ertönte die erstaunte Stimme meines Betreuers.

      »Ragnor! Was machst du auf dem Boden? Und hat dir schon mal jemand gesagt, dass du schnarchst?«

      Vorsichtig öffnete ich ein Auge. »Sitzen und ja.«

      Simon stellte eine Tasche auf meiner Liege ab.

      »Wo warst du so lange? Das hat ja eine Ewigkeit gedauert! Musstest du dir erst mal ein Reh jagen? Oder was?«, murrte ich ungehalten.

      Das schlechte Gewissen in Person stand direkt vor mir und heißt Simon. Überhaupt hatte ich es bei ihm mit einem echten Sensibelchen zu tun. Wenn ich noch eine Weile weiter lamentiert hätte, wäre er bestimmt in Tränen ausgebrochen.

      Unwirsch winkte ich ihm zu. »Sprich! Unwürdiger!«

      »In der Kantine war es voll, ich musste leider etwas länger warten. Reh? Ich esse kein Fleisch!«

      Kein Wunder, dass er so ein halber Hahn ist, vom Äsen allein wird man nicht sehr kräftig.

      »Hier, ich habe dir Kleidung mitgebracht.« Etwas zirpte. »Da haben wir T-Shirt, Unterhose, Hose, Sweatshirt, Socken ...«

      Während er die Wundertüte auspackte, hielt er das jeweils Erwähnte vor sich an seinen Körper, gerade so, als wolle er mir erklären, wo man das Kleidungsstück trug. Dass er nicht gänzlich dahinter verschwand, verdankte er nur seinen energischen Bewegungen, sowie seiner Gelenkigkeit.

      »... Und Schuhe! Grundgütiger, die sind ja so groß wie Geigenkästen!«

      Mir war nicht klar, was er damit meinte. Wenn ich mir seine kleinen Füße so ansehe, wundert es mich wirklich, dass er damit das Gleichgewicht halten konnte.

      »Die Unterhose kannst du gleich wieder mitnehmen! Ich trage keine Unterwäsche!«, knurrte ich genervt.

      Ein enttäuschter Ausdruck trat auf sein Gesicht.

      »Aber, es wäre besser w...«

      Da mir nicht mehr ganz so matschig zumute war, versuchte ich mich vorsichtig aufzurichten. Simons Augen folgten dem Akt. Eine Welle der Übelkeit rollte über mich hinweg. Mir war schwindelig und ich schwankte, wie eine Tanne im Wind.

      Er öffnete den Mund. Mal wieder ...

      »Tja, ich wusste ja, dass du nicht gerade klein bist, aber in der Senkrechten...«

      »Ach, halt einfach die Klappe, ja?«, grunzte ich. Auf der Liege kam ich bequem zu sitzen, zog die Socken, das T-Shirt und die Hose an und stutzte. Keine Schnüre, Haken oder Ösen. Nicht mal Knöpfe, na ja, einer war schon da, aber das konnte es doch wohl noch nicht gewesen sein.

      »Wie schließt man das Ding?«

      Ich zeigte auf den mir bisher völlig unbekannten Reißverschluss.

      »Einfach an dem Zipper hochziehen!«, war seine Antwort. Gut, das klang ganz einfach und ...

      »Arrrrgh!«, gab ich zu Protokoll. »Nun, gib schon die scheiß Unterhose her, ich habe es mir anders überlegt!!!..«

      Wenig später saßen wir entspannt am Tisch. Zumindest war ich recht entspannt. Simon sah eher etwas verängstigt drein, aber das macht in meiner Gegenwart jeder, der mir zum ersten Mal gegenüber sitzt. In Anbetracht dessen, dass Vampire zehnmal schneller und stärker als Menschen sind, ist eine gewisse Voreingenommenheit nicht zu verübeln.Trotz seines offensichtlichen Muffensausens, knurrte sein Magen. Unruhig rutschte er auf seinem Sitz herum und ergriff das Wort.

      »Wenn du nichts dagegen hast, würde ich gerne mein Abendessen zu mir nehmen.«

      Nickend meinte ich: »Nur zu!«

      Raschelnd entblätterte er ein Brot. Ein Käsebrot, aber was für Käse! Verwesungsgeruch? Kein Problem! Moder, Ruß, Staub, Schweiß, Sumpfgase? Macht mir nichts!

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