Elke Bulenda

Fatales Erwachen Epubli EPUB


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er derjenige, der einen grausamen Tod sterben würde.

      Mit sanfter Stimme ergriff der Priester das Wort.

      »Mein Name ist Vater Smith. Ich bin hier, um dir die schwere Bürde deines letzten Ganges zu erleichtern. Bei mir kannst du die Beichte ablegen, bevor du Buße tust und dir wird vergeben. Und gereinigt wirst du in Gottes Reich aufgenommen.«

      Jake war nicht gläubig. Hatte jedoch Freude am Quälen und Schockieren.

      Verschwörerisch beugte er sich zu Vater Smith.

      »Ich bereue nicht eine meiner Taten, ganz im Gegenteil. Ich bereue, dass ich nicht mehr Menschen ausgelöscht habe! Ich würde meine Seele verkaufen, nur um weiter morden zu können!«

      Der Priester streckte Jake die Hand hin.

      »Der Deal steht. Deine Seele für deine Freiheit! Schlag ein!«

      Jake zögerte nicht.

      Erst wenig später, als der Vollzugsbeamte einen Blick in die Zelle warf, wurde Alarm geschlagen. Noch nie zuvor war einem Gefangenen die Flucht aus der Todeszelle gelungen.

      Ungewöhnlich auch, dass er einen Priester mitnahm.

      Doch die Zelle war leer...

      *

      Lernen, ohne zu denken, ist eitel; denken, ohne zu lernen, gefährlich.

      ( Konfuzius )

       Mir war so, als hätte ich noch gar nicht lange geschlafen. Doch schon wieder ertönte das elendige Geklingel. Eine nervtötend fröhliche Stimme sprach folgende Durchsagen:

      »Guten Morgen, sehr verehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir hoffen, dass Sie eine geruhsame Nacht hatten. Es ist 6.00 Uhr, das Licht wird in wenigen Minuten eingeschaltet. Carpe diem!«

      ...Weckappell! ... Früher wurde wesentlich mehr dabei gebrüllt. Irgendwie ging mir diese morgens schon gut gelaunte Stimme mächtig auf den Nerv. Und wenn ich herausfand, wem sie gehörte, dem sollten die Götter gnädig sein! Ganz nebenbei beschloss ich einfach das Licht zu ignorieren und zog mir die Bettdecke über den Kopf. Wenn jemand etwas von mir wollte, würde er sich schon melden. Nach und nach erwachte alles um mich herum zum Leben. Das Rauschen der Duschen, Schritte auf dem Gang. Eben das ganz normale Leben in dieser schönen neuen Welt. Wenig später kam Blondie ins Zimmer.

      »Ragnor, warum liegst du noch im Bett? Steh auf, Dr. Ferguson erwartet dich. Und? Hast du gut geschlafen und etwas Schönes geträumt?«

      Vorsichtig legte ich mein Gesicht frei, schirmte mit der Hand meine Augen gegen das grelle Licht ab.

      »Ja, ich habe von einer Katze geträumt, wie ich mit ihr gespielt habe«, schnurrte ich.

      Simon stieg sofort darauf ein. »Magst du Katzen? Wenn du sie so gern hast, könnte ich dir ein Kätzchen besorgen. Erzähl mal von deinem Traum. Wie hast du denn mit ihr gespielt? Mit einem Wollknäuel?«

      »Nein, das ging so: Eine handliche Katze, eine Wand, etwas Ausdauer und ein zwergisches Putzkommando, das die Sauerei weg machte«, grinste ich hämisch.

      Simon murmelte.

      »Das mit dem Kätzchen, das lassen wir wohl doch lieber … Los steh jetzt auf! Ich habe dir deine Unterrichtsbücher mitgebracht.«

      »Keine Katze? Nicht mal ein paar Lemminge? Die fliegen gut, sind sehr windschnittig, und das Sterben macht ihnen nicht das Geringste aus!«, bemerkte ich.

      Simon legte den mörderisch großen Bücherstapel auf meinen Schreibtisch. Wohl oder übel musste ich aufstehen. Mein Quälgeist zuckte zusammen.

      »Und zieh dir gefälligst etwas an!«

      Ich steuerte auf das Bad zu und verschwand darin. In aller Ruhe rasierte ich mich, duschte gemütlich und kam blitzeblank wieder zum Vorschein.

      »Was ist das da für eine kleine Bürste? Zum Haarebürsten ist sie wohl ein bisschen zu klein!«

      Simon war wirklich geduldig, man lernt nie aus und ganz unter uns: mit einem frischen Pfefferminzgeschmack im Mund, sieht die Welt gleich viel freundlicher aus.

      Frau Dr. Samenraub konnte ruhig noch etwas warten.

      »Was soll ich denn anziehen?« Ratlos betrachtete ich den Inhalt meines Schrankes. Normalerweise habe ich keine Probleme mich zu bekleiden. Ein Kettenhemd, eine lederne Hose, Stiefel und eine Tunika, kein Problem. Zum Glück hatte Simon den Durchblick.

      »Du musst zum Leistungstest. Zieh dir eine Unterhose, Jogginghose, ein T-Shirt und Socken an, dazu Laufschuhe.« Er holte die passenden Kleidungsstücke aus dem Schrank und warf sie mir auf mein Bett. »Los, zieh dich an!«

      »Ich weiß gar nicht was du hast, ich bin doch längst angezogen!«

      Simon guckte nicht schlecht. »Wie hast du das gemacht?«

      Gelangweilt winkte ich ab. »Ach, das ist so eine alte Soldatenkiste. Was denn? Gibt es kein Frühstück, oder was?«

      Kopfschütteln von Simons Seite. »Nein, du sollst nüchtern bleiben!«

      … So ein Mist. Schon allein bei dem Wort "nüchtern" überfiel mich das Verlangen nach etwas Hochprozentigem. Nun ja, nützte ja nichts. Gehorsam schleppelte ich Simon hinterher, als er das Zimmer verließ. Meine beiden Freunde, Flimm und Flumm waren auch wieder da. Freudig begrüßte ich sie mit einem Kopfnicken. »...Ladys...«

      Sie ignorierten diesen markigen Spruch geflissentlich und geleiteten Simon und mich durch verschiedene Gänge. Aufmerksam prägte ich mir die Route ein. Gähnende Leere überall. Wo waren nur all die anderen hin? Kurz darauf hatten wir unser Ziel erreicht. Seltsam nüchterne Buchstaben wiesen den Raum als "Leistungskontrolle" aus.

      Irgendetwas musste sich, während meiner langen Abwesenheit, mit der Schrift getan haben. Die Schreiber hatten die kunstvollen Schnörkel vergessen.

      Einmal angeklopft und Simon öffnete die Tür. Vorsichtig ließ ich meinen Blick schweifen. Speziell suchte ich nach dem Gerät, womit mich Mandelduft angegriffen hatte. Als die Luft rein war, entspannte ich mich. Dieser große Raum enthielt verschiedene Instrumente. Wieder sah ich Kästen mit blinkenden Lichtern. Und da saß sie, in ihrer vollen Schönheit.

      »Simon, was hat bei euch so lange gedauert? Der Test sollte eigentlich schon seit einer viertel Stunde laufen.« Amanda erhob sich von ihrem Schreibtisch, nahm ein Clipboard mit und nickte mir unterkühlt zu.

      »Als ich Ragnor abholen wollte, lag er noch in der Furzmulde!«, betonte Simon und warf mir einen leicht angesäuerten Blick zu.

      Wölfisches Grinsen breitete sich über mein Gesicht aus.

      »Hallo Mandy!«, winkte ich ihr galant. Leider ging sie wieder einmal nicht auf mich ein.

      »So, so. Ragnor, komm her!«

      Zu gern tat ich, wie mir geheißen.

      »Hier siehst du verschiedene Geräte, mit denen wir den momentanen Stand deiner Fitness messen können.«

      Ich nickte. Amanda fuhr fort. »Auf diesem Laufband testen wir deine Ausdauer, wie lang du laufen kannst, ohne zu ermüden.«

      Nun zeigte sie auf ein anderes Instrument. »Hier testen wir die Kraft deines Schlages und deiner Tritte, eine hochauflösende Kamera misst die Geschwindigkeit. Und an diesem Gerät dort, wird ermittelt, wie viel Druck du mit der Faust und deinem Kiefer ausüben kannst. Wir messen den Druck in Pascal oder auch Pa. Das ist die Einheit, wie viel Newton auf einem Quadratmeter ausgeübt werden. Von unseren Mitarbeitern verlangen wir das Höchstmaß an Leistung. Nur wenn ihr fit genug seid, können wir euch in den Einsatz schicken.«

      Das hatte sie so schön gesagt, obwohl ich das mit dem Pascal nicht so ganz verstanden habe. Ich kannte mal einen Pascal, und der war eine gottverdammte Schwuchtel.

      Dr. Ferguson brachte mich zum Laufband. Simon setzte sich still in eine Ecke und blätterte in einem sehr dünnen Buch. International Journal of Medical Science.