Elke Bulenda

Fatales Erwachen Epubli EPUB


Скачать книгу

ließ ich meinen Blick in Richtung Schreibtisch schweifen. Darauf stand ein kleiner Bilderrahmen, an dem ein zottiges, kleines Bärchen hing. Amanda sprach mit mir. »Ragnor, ich bitte um deine volle Aufmerksamkeit!«

      Imponierend zuckte ich mit meiner Brustmuskulatur. Erst mit der linken, dann mit der rechten Brust.

      Sie deutete auf ein Ding, dass sie als Display bezeichnete.

      »Hier wird die Laufgeschwindigkeit angezeigt. Und diese Anzeige verrät dir, wie viele Kilometer du gelaufen bist. Das Programm ist eingestellt, verschiedene Schwierigkeitsgrade, wie z.B. Bergauf-Laufen.«

      »In Ordnung«, war meine knappe Antwort. »Muss ich noch etwas wissen?«

      Frau Doktor Doktor fuhr fort.

      »Dieser rote Knopf ist der Sicherheitsschalter, oder auch Not Aus. Wenn du merken solltest, dass du nicht mehr kannst, dann drück diesen Knopf! Alles klar?«

      … Ich verlor mich in ihren dunklen Augen, war ganz hin und weg. Sie hatte ihr fast schwarzes, seidiges Haar, so wie gestern, hochgesteckt. Ein paar neckische Strähnen widersetzten sich und hatten sich gelöst. Hinreißend.

      »Ragnor? Hast du mir zugehört?«

      »Geht klar, ich bin soweit.«

      Die Ärztin nickte zufrieden. Sie drückte einen Knopf und das Band setzte sich in Bewegung. Mir blieb nichts anderes übrig, als zu laufen, zu laufen, zu laufen und zu laufen. Wenn man läuft sieht man im Normalfall die Umgebung. Hier war nur dieser fensterlose Raum. Mir wurde sehr schnell langweilig. Ich schielte zu Amanda hinüber, die wieder an ihrem Schreibtisch saß und sich eifrig Notizen machte. Vielleicht würde sie gerne ein kleines Schwätzchen mit mir halten?

      »Hast du Kinder?«, fragte ich sie einfach mal auf blauen Dunst.

      Ein finsterer Blick traf mich.

      »Das geht dich nichts an!«, war ihre Antwort.

      »Ich hatte Kinder. Und nun sind einfach so weg. Drei Jungen und zwei Mädchen. Einen Jungen hatte ich mit meiner ersten Frau. Sie wurden beide niedergemetzelt. Die anderen Jungen waren Zwillinge. Als ich sie zuletzt sah, waren sie schon erwachsen. Mjøllnir hatte einen Sohn, Jesko. Gungnir mein anderer Sohn, hatte fünf Kinder. Ein Sohn hieß Bjarki. Na ja, und Rahan war eine Jugendsünde von ihm, ein ganz süßer Fratz. Die Drillinge hießen Tyra, Freya und Ulfric. Lustig, denn Ulfric steckte sich alles in die Nase, oder in die Ohren. Meine beiden Töchter hießen Jule und Mara. Sie waren süße, kleine Engel. Jule hatte blondes, lockiges Haar. Mara kam eher nach ihrer Mutter, sie war brünett.«

      Wieso, fragte ich mich, stellte ich dieser herzlosen Person meine ganze Nachkommenschaft vor? Wahrscheinlich wollte ich ihr nur signalisieren, dass ein Opa auch ziemlich knackig und sexy sein konnte.

      Wieder dieser weiche Ausdruck in ihrem Gesicht, den ich so gerne sehe. Amanda drehte den Bilderrahmen um.

      »Das ist meine Tochter Alexandra, aber wir nennen sie Sascha. Sie ist jetzt acht Jahre alt.«

      So etwas hatte ich noch nicht gesehen. Es war kein Gemälde, sondern sah aus, als würde Sascha direkt im Bilderrahmen stecken. Sie hatte das dunkle Haar ihrer Mutter, aber ihre Augen waren heller. Und sie hatte viele, kleine Sommersprossen.

      Langsam wurde das Laufen wirklich etwas anstrengend. Ich keuchte.

      »Acht Jahre. .. das ist ein schwieriges Alter. Eigentlich sind sie in jedem Alter ... schwierig, richtige kleine Dickköpfe ... Liebenswürdige, kleine Dickköpfe.«

      Mir fiel es immer schwerer, Schritt mit dem Band zu halten. Dann strauchelte ich, das Band riss mir die Beine weg und krachend transportierte es mich nach hinten. Ein quietschendes Geräusch erklang, als mir das Band unter der Nase durchlief und dabei versuchte, sie mir abzureißen.

      ...Wie peinlich ist das denn?...

      Amanda hatte gute Reflexe. Sehr schnell war sie aufgesprungen und schaltete das Gerät ab.

      »Nix passiert«, nuschelte ich.

      Simon setzte sich, nachdem er von seinem Sitz in die Höhe katapultiert war.

      Dr. Ferguson stemmte die Hände in die Hüften. »Ragnor? Wieso hast du nicht aufs Not Aus gedrückt?«

      »Hä? Welches Not Aus?«

      Verlegen rieb ich mir die Nase und meine erhitzte Oberlippe. Sie schnaubte wieder. Wie süß! Und dann verdrehte sie die Augen. Kritisch notierte sie sich meine Werte.

      »Ganz schlecht! Jeder gut durchtrainierte Sportler schafft eine längere Strecke...«

      Jetzt war ich aber wirklich schwer enttäuscht, ließ es mir jedoch nicht anmerken. Es folgten Test auf Test. Zumindest gab ich mir nicht die Blöße, wieder aufs Maul zu fallen. Ich drückte, schlug und biss, wurde gewogen und vermessen. Zwar wusste ich, dass ich ungefähr 7 Fuß groß bin. Aber jetzt bin ich 2,05 Meter groß … was mich sichtlich verwirrte. Wie viel ich wiege, dass wusste ich nicht. Nur, dass ich mich lieber auf stabile Bänke setzte, als auf einen Stuhl. Wenn ich in der Taverne etwas zu viel trank und nicht darauf achtete, worauf ich mich setzte, passierte es sehr schnell, dass der Wirt unfreiwillig Brennholz hatte. Und ich damit gleich eine wesentlich höhere Rechnung.

      Zahlen leuchteten auf, als ich auf die Waage stieg. Im Hintergrund verstellte Simon die Stimme und piepste:

      »Sie haben das Idealgewicht eines Einfamilienhauses, bitte steigen Sie unverzüglich ab, ich bekomme keine Luft mehr!«

      Darauf hin ertönte ein röchelndes Geräusch.

      Wütend warf ich ihm einen bohrenden Blick zu. Ich werde nicht gerne von jemanden hochgenommen, dessen Lebensinhalt es ist, sich von Pflanzen zu ernähren. Scheinbar fand Amanda den blöden Spruch lustiger, als ich. Sie lachte und meinte dann zu Simon: »Simon, du hast wohl heute einen Clown gefrühstückt?«

      Als sie so lachte, keimte schiere Eifersucht in mir auf. Simon brachte sie zum Lachen, was mir bisher noch nicht gelungen war. Dabei hat sie doch so niedliche Grübchen. Wenn sie lacht geht die Sonne auf, oder auch der Mond, von mir aus auch alles beides. Wer romantischer ist, sollte sich hier noch ein paar Sterne und romantische Musik dazu denken ...

      Die zweifache Doktorin drehte mir leicht den Hals zu, als sie das Display ablas. Sofort sog ich ihren Duft ein, hörte ihr Herz schlagen, ihr Blut durch ihre Adern rauschen. Selbst ihre Aura strahlte vor Vitalität. Knurren ertönte aus meinem Magen.

      In Gegenwart eines Vampirs sollte man solche Sprüche wie "Einen Clown gefrühstückt" oder "Einen Narren an jemanden gefressen", verzichten. Das wirkt auf uns Vampire sehr Appetit anregend und könnte uns zu unüberlegten Handlungen provozieren.

      »Knapp 140 Kilogramm. Ich schätze, wenn er austrainiert ist, werden es noch ein paar mehr sein.«

      ...Was war das denn? Ehrlich, ich hasste es, wenn sie über mich spricht, als wäre ich ein unmündiges Kind. Oder noch schlimmer, als wäre ich nicht einmal da ...

      »Simon? Wir sind mit den Tests jetzt soweit durch«, wandte sie sich dem Lesenden zu. Endlich schenkte sie auch mir wieder Beachtung.

      »Danke, Ragnor, das war es schon. Falls nichts dazwischen kommt, sehen wir uns dann zu den nächsten Tests, in einer Woche wieder.«

      Ich nickte. Eine Woche? Wortlos verließ ich mit meinem Begleiter den Raum.

      Eine Woche … So lange würde ich es nicht aushalten. Ich musste mir dringend etwas einfallen lassen...

      *

      Wir befanden uns auf dem Gang.

      »Du hast doch bestimmt bestialischen Kohldampf, oder?«, fragte mein Begleiter. Man muss nun wirklich kein Hellseher sein, um mir das anzusehen, schließlich war es nicht mal zu überhören.

      »Was denkst du denn? Ich bin 50 Kilometer gelaufen, habe verschiedene Instrumente verdroschen und du fragst mich, ob ich hungrig bin?«

      Simon grinste. »Du bekommst wohl auch immer schlechte Laune, wenn du Hunger hast! Los, gehen wir in die Kantine, den Weg musst du