Elke Bulenda

Fatales Erwachen Epubli EPUB


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folgte ich dem Verursacher des Lärms. Der Obstkorb enthielt kein richtiges Obst. Es war viel zu glasig. Und als ob mich das Schicksal verhöhnte, klingelte ausgerechnet die Banane! Ratlos nahm ich sie in die Hand. Wieder musste ich an Simon und seine frivole Geste denken, als er sich die Banane in den Mund steckte. Ich drückte einfach so lange auf den Knöpfen herum, bis eine Stimme ertönte. »Hallo? Simon?« Ich schüttelte den Kopf, keine Reaktion am anderen Ende. Jetzt fiel mir ein, dass man in ein Telefon hinein sprechen muss.

      »Nein! Hier ist Ragnor! Simon ist nicht da!«, pampte ich.

      Wieder erklang diese Stimme.

      »Gut, gut! Ich wollte sowieso mit dir sprechen. Mein Name ist Sal Ormond, ich bin der Leiter dieser Organisation. Wie geht es dir? Ist alles zu deiner vollsten Zufriedenheit?«

      Jetzt war es an mir, zu schnauben.

      »Hör gut zu, Sally! Was ist das überhaupt für ein blöder Name? Ist das eine Abkürzung von Salomo?«, redete ich mich in Rage.

      »Wie sollte es mir gehen? Man hat mich hier her verschleppt, ich bin eure Geisel! Meine Hörner hat man mir auch gestohlen. Man hat mich gefesselt, betäubt, gefoltert und meinem Hintern die Jungfräulichkeit geraubt! … Und, es ist unglaublich ... Ich telefoniere mit einer Banane! Was soll dieses blöde Fragerei?«

      Leider ließ sich mein Gesprächspartner nicht so leicht provozieren, er blieb völlig ruhig.

      »Sal ist eine Abkürzung für Salvatore. Hiermit entschuldige ich mich für alle Unannehmlichkeiten, die dir widerfahren sind. Die Welt ist nun einmal ein gefährlicher Ort. Aber die Natur erschafft nichts, was nicht einen eindeutigen Sinn hätte. Glaubst du an so etwas wie Bestimmung?«

      Wütend stierte ich ins Telefon. Sal fuhr fort. »Jeder hat seine Bestimmung. Und deine ist es, deine Fähigkeiten zu nutzen. Und diese brauchen wir nun einmal. Es passieren schlimme Dinge. Unschuldige Menschen verschwinden und böse Menschen verschwinden ebenfalls. Ganz eindeutig braut sich da etwas zusammen. Unsere Aufgabe ist es, sie zu finden und sie vor dem drohenden Unheil zu schützen. Unsere Organisation ist sozusagen das letzte Bollwerk, welches dem Bösen Einhalt gebieten kann. Hör zu, wir haben nicht viel Zeit. Ganz offen gestanden, brauchen wir deine Hilfe. Unser Orakel sagt, dass du der Richtige für diese Aufgabe bist.«

      … Aha. Er entschuldigte sich, er erklärte sich und sie hatten ein echtes Orakel … Rhetorisch gewandt wie ich nun einmal bin, sagte ich: »Äh, Entschuldigung angenommen.«

      »Fein! Simon wird dich in alles einweisen. Ach, und noch etwas ... Das mit deinen Kindern und Marlies tut mir wirklich leid. Ich beende jetzt das Gespräch und du musst den Knopf mit dem waagerechten Hörersymbol drücken.«

      Das Telefon tutete, und kein Sal war mehr zu hören. So drückte ich die Taste mit dem benannten Hörer. Eine Weile starrte ich noch den Hörer an, ehe ich die Banane wieder auf ihre passende Hälfte legte. Ein Schauer überlief meinen Rücken und mein Nackenhaar stellte sich auf, denn Misstrauen machte sich in mir breit. Natürlich konnte es sich um einen ganz simplen Zufall handeln, aber ich kannte nur einen, der Marla immer Marlies genannt hatte.

      Da mich diese Grübelei zu nichts führte, beschloss ich ein wenig den Fernseher zu testen. Einfach schrecklich verwirrend, dieses TV. Es wurde darin diskutiert, geliebt, gekämpft und noch viel mehr. Rastlos schaltete ich durch die Programme, bis ich etwas fand, das mir gefiel. Ein Kerl nahm es ganz allein mit einer Meute Gegner auf. Mit zerrissenem Unterhemd und barfuß. Immerzu schrie er den Namen "Holly". John McClane war sein Name - ein ganz harter Hund!

      Nebenbei schnüffelte ich an meinem Fetisch-Handschuh und ließ mich voll und ganz von der Handlung im Fernsehgerät fesseln. Gerade als es spannend wurde, kam Werbung. Wenn die neue Welt wirklich alles bereit hielt, warum wurden dann so viele Waren feil geboten? Während der Werbung erfuhr ich auch, was es mit dem Ding im Bad auf sich hatte. Es nennt sich WC und man muss ständig Reiniger hineingeben, weil Bakterien, Keime und Kalk diesen Ort in ihrer Gewalt haben. Wieso man sich so ein unheilvolles Ding ins Bad stellt, bleibt mir nach wie vor ein Rätsel. Plötzlich ertönten über mir Glocken.

      »Ding-Dang-Dong. Sehr geehrte, ach was sage ich? Hochverehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in fünf Minuten wird das Licht gelöscht. Begeben Sie sich in ihre Betten. Wir wünschen Ihnen eine geruhsame Nacht!«

      Schnell lokalisierte ich, dass diese Laute aus der Decke kamen und ein rundes Ding mit Löchern diese Töne verbreitete. Licht aus? Kein Problem. Ich sehe ganz hervorragend in der Dunkelheit. Müde war ich nicht, also würde ich mir die Zeit mit diesem TV vertreiben. Nach kurzer Zeit erklang wieder das Glockenläuten. Es wurde dunkel … und der Fernseher auch … och nö!...

      *

      Huntsville, Texas.

       Nachdem Jake Mullrony bestialisch eine ganze Familie ausgelöscht hatte, musste er jetzt für seine Taten gerade stehen. Nun befand er sich in der Todeszelle und wartete auf die Vollstreckung des Urteils. Tags zuvor wurde er aus Livingston, wo er Jahre lang unter unwürdigen Umständen, in völliger Isolation in der Polunsky Unit auf seine letzte Stunde gewartet hatte, hier her gebracht. Für das Backsteingebäude, in dem die Hinrichtungen vollzogen wurden, hatte er nur ein abfälliges Grunzen übrig. Dieses Gebäude war die Wall Unit.

      Die Menschen in Huntsville waren ein freundliches Völkchen. Sie boten sogar in dem Schnellimbiss "Mr. Burger" gegenüber der Wall Unit, einen speziellen Killer- Burger an

      Für Jake war das Urteil ungerecht. Er war noch nicht fertig mit dieser Gesellschaft. Er war der Meinung, dass man nie genug von diesen selbstgerechten Spießern aus-löschen konnte. Aber nun war es so weit. Die letzte Stunde hatte geschlagen. Man hört immer wieder von Todeszellen-Kandidaten, die Jahre oder Jahrzehnte auf ihre Hinrichtung warteten. Jake Mullrony war nicht unter diesen Glücklichen. Texas hatte ein flottes Tempo, gleich so, als befürchtete der Staat, dass eines Tages die Exekution abgeschafft werden würde, und sie auf dem Klärschlamm der menschlichen Gesellschaft sitzen blieben.

      Auch spendete es Jake wenig Trost, dass er einen Grabstein mit Namen bekam. Zumindest wurden die Todeskandidaten nicht mehr auf dem elektrischen Stuhl geröstet. Old Sparky, wie der von Gefangenen selbst gebaute Todesstuhl hieß, war schon lange in Rente. Jeder, der einen Drang verspürte sich zu gruseln, konnte dieses Tod bringende Sitzmöbel im Gefängnismuseum betrachten. Und sich genüsslich einen Schauer über den Rücken jagen lassen, weil man nicht vom rechten Pfad abgekommen war und nicht so schrecklich enden musste. Old Sparky wurde durch die humanere Letale Injektion abgelöst.

      Die Uhr tickte, genauer gesagt, Jakes letzten Minuten verstrichen. Es würde keinen Aufschub geben. Er würde seine letzte Henkersmahlzeit niemals verdauen. Sie würden ihm Windeln umbinden, wie man es bei einem Säugling tat. Damit verhinderten die Vollzugsbeamten, dass er auf dem weißen Laken eine Sauerei veranstaltete, wenn seine Muskeln nach Eintritt des Todes erschlafften. Und all das musste er über sich ergehen lassen, weil sich der dumme Mr. Johnnson geweigert hatte, sein Wohnmobil zu verlassen und es Jake abzutreten.

      Wieso musste jeder Amerikaner der Meinung sein, mit einer Pistole sein Eigentum zu verteidigen? Und wenn das schon so sein sollte, wieso vergaßen diese Helden die Sicherung, bevor sie abdrückten?

      Jake hatte seine Waffe besser im Griff gehabt. Und als Mrs. Johnnson wie eine Geisteskranke schrie, schoss Jake ihr das Hirn weg, dass es nur so spritzte. Die Tochter hatte er zuerst nicht bemerkt. Dieses Luder hatte sich im Badezimmer versteckt und nur durch ihr Wimmern wurde er auf sie aufmerksam. Sie hatte zu viel gesehen. Und das war ihr Pech. Seins jetzt auch.

      Vor der Exekution würde er allen Zurückgebliebenen ins Gesicht lachen. Und seine letzten Worte würden betonen, welch ein Heidenspaß es gewesen war.

      Die Zellentür öffnete sich und ein junger Priester erschien. Trotz des Zölibates und den ständig von den Kirchen abfallenden Gläubigen, schienen immer wieder Priester nachzuwachsen. Im Geiste hatte der Mörder einen Tattergreis, einen runzligen Rockträger erwartet. Mit Freuden hätte er ihn weggeschickt. Wenn ihn jemand "Mein Sohn" nannte, bekam Jake eine Hasskappe. Er hatte bei einem Angelausflug seinen voll-trunkenen Vater elegant entsorgt. Statt Strafe bekam er sogar Mitleid. In diesem Mitleid hatte