Elke Bulenda

Fatales Erwachen Epubli EPUB


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klang verdammt gut. Jedenfalls würde ich nicht bis ans Ende meiner Tage hier verrotten. Und wenn er mir mehr Freiheiten in Aussicht stellte, dürfte ich vielleicht auch länger fernsehen. Dieser Gedanke gefiel mir.

      Simon zeigte mir seine Karte. »Deine musst du gut sichtbar tragen, sie wird mit einem Clip befestigt.«

      Auch gut. Ich las, was auf Simons Karte stand.

      Simon Friday. Er war schon 30 Jahre alt. Wir waren fast gleichaltrig, ich wurde etwa in seinem Alter zum Vampir gewandelt. Man sah ihm sein Alter überhaupt nicht an, er wirkte auf mich wie ein Knabe. Zu meiner Zeit war man mit 30 Jahren schon fast alt. Falls man das Kindesalter überstand, erwartete einen ein Leben, das von harter Arbeit geprägt wurde. Damals, war das Leben wesentlich anstrengender, so ganz ohne Knöpfe.

      Er nahm die Karte wieder an sich und guckte auf sein Handgelenk.

      »Gehen wir los, wir haben ein volles Pensum, denn heute bekommst du eine Einführung in deinen Stundenplan. Ich stelle dir die Lehrer und deine Mitarbeiter vor. Ihr seid die Gruppe R, das R steht für Rehabilitation.«

      Beim Verlassen der Kantine hörte ich die Zwergin schimpfen:

      »Verdammt! Sagt mal diesen bekloppten Zentauren, sie sollen nicht immer unter den Tisch scheißen!«

      *

      Zum Fotografen ging es zuerst. Simon stellte ihn mir vor.

      »Das ist Stuart Richardson, er ist unser Hausfotograf.«

      Stuart nickte mir zu und machte dabei den Eindruck, als wolle er vor mir davonlaufen. Nachdenklich stierte er auf meine Zöpfchenfrisur.

      »Hm, Simon, vielleicht sollten wir etwas mit seinen Haaren machen. Wenn er so mit dem Auto fährt, halten sie ihn sofort an, um ihn auf Haschisch, oder andere Drogen zu filzen.«

      Fragend warf mir Simon einen kritischen Blick zu. Missmutig schüttelte ich den Kopf. »Das kommt gar nicht infrage!«

      »Machen wir die Fotos,« bekundete Simon. »Falls Ragnor es sich anders überlegt, machen wir eben ein paar neue. Für den Internen reicht es erst mal.«

      Stuart drehte an einem Hocker, bis er niedrig genug war, damit ich darauf Platz nehmen konnte. Das Fotografieren empfand ich als sehr unangenehm und wir schossen mehrere Fotos, weil ich, wenn es blitzte, ständig die Augen zukniff. Wir entschieden doch, ein paar Fotos mehr zu machen. Leider musste ich mich dafür ein paar mal umziehen, damit die Bilder verschieden alt aussahen.

      Stuart hatte einen schier unerschöpflichen Fundus an Kleidung in allen Größen. Ich ließ es bleiben, mein Haar hinter die Ohren zu schieben. Meine Ohren sehen alles andere als menschlich aus, sie sind oben nicht mehr rund, sondern haben eine zugespitzte Form. Das will und soll nun wirklich niemand sehen.

      Denkt nicht einmal daran, sie Elfenohren zu nennen! Klar?

      Hinterher konnte ich mir die Fotos, halb blind vom elendigen Geblitze, in einem Kasten ansehen, den Simon Computer nannte. Tatsächlich sah meine Gesichtsfarbe jetzt wesentlich gesünder aus.

      Trotzdem...Was für eine Verbrechervisage!...

      Stuart bearbeitete meine Augenfarbe. Wieso pfuschten sie an meinen Augen herum? Ungehalten knurrte ich.

      »Im Einsatz wirst du farbige Kontaktlinsen tragen, ihr dürft so wenig wie möglich auffallen«, erklärte mir Simon.

      »An so einem PC ist alles möglich«, sagte mein Begleiter. Dann lachte er. »Hey, Stuart, Ragnor will die Queen durchvögeln! Los google mal nach der englischen Königin!«

      Dieses Gekicher machte mich äußerst misstrauisch. Auf dem Monitor erschien das Bild einer seeehr alten Dame mit Krone. Ich schnappte nach Luft und gab einen entsetzen Laut von mir.

      »Und? Immer noch buschig?«, fragte Simon und kicherte wie ein Kobold.

      »Kannste knicken! Mir ist die Lust irgendwie vergangen, da sehen ihre Hunde sogar noch besser aus«, war meine Antwort.

      Schließlich habe ich auch meinen Stolz. Dabei bin auch noch ziemlich wählerisch, was meine Bettpartnerinnen angeht. Bei nicht ganz so hübschen Weibern mache ich schon mal eine Ausnahme. Schließlich gibt es kein Frauengesicht, das größer ist als ein Herrentaschentuch. Also, kein Problem kann so schlimm nicht sein; aber die Queen? Die war mir doch etwas zu reif. Nachdem das geklärt war, fragte mich Simon nach meinem Namen.

      »Wieso fragst du? Du weißt doch wie ich heiße, Ragnor!- Hey, Simon, ich bin es! Fühlst du dich nicht gut?«

      Simon schnaubte. »Danke, mir geht es gut. Nur wenn du einen Ausweis bekommst, brauchst du mehr als einen Vornamen. Auch einen Zunamen, oder Nachnamen.«

      Ach so.

      »Ich bin Ragnor invictus belliperitus emigrare barbarus nuc cornus! Äh, das "nuc cornus" können wir jetzt ja wohl streichen!«

      Schließlich hatten sie mir eigenhändig meine Hörner abgenommen.

      Leicht genervt, zeigte Simon noch einmal seinen Ausweis.

      »Guck dir mal einen Ausweis an. Den kann man nicht von oben bis unten mit seinem Namen vollschreiben! Da stehen auch Geburtsdatum, Größe, Augenfarbe und so weiter, drauf.«

      Das sah ich ein, wohl oder übel musste ich ihm recht geben.

      »Hör mal, Ragnor, ich weiß, dass man sich früher selbst einen Namen gab, oder den Namen von seinem Vater annahm, oder was weiß ich. Wir sollten dir einen anständigen Namen geben.«

      Giftige Blicke meinerseits.

      »Nun guck mich doch nicht so an, ich kann es doch auch nicht ändern. Denk dir einen aus, so schwer wird das für dich nicht sein, aber einen Normalen. Keinen lateinischen, heute ist englisch die Hauptsprache.«

      Woher sollte ich mir jetzt einen neuen Namen holen? Mir fiel sofort der Kerl aus dem Fernsehen ein.

      »McClane?«

      Simon versuchte mir auf die Schulter zu klopfen.

      »Hey, das ist cool! Stirb langsam, richtig? Mit Bruce Willis! Du hast wirklich Humor, Mr. McClane!«

      *

      Wie trampelnde Rinds-Viecher, folgten uns die Sicherheitsleute auf den Fuß. Vor einem Raum blieb Simon stehen und wollte die Türklinke drücken, doch er verharrte.

      »Der Fitnessraum, wir müssen erst die Spiegel austauschen, sonst gibt es gleich wieder eine Katastrophe, den sehen wir uns ein anderes Mal an.«

      Sogleich gingen wir weiter. Und nun traten wir ein, ins Reich von Meister Chen. Misstrauisch beäugte ich die vielen Menschen, die sich wie Tänzer bewegten, ruckartig ausholten, und dabei wilde Schreie ausstießen. Auf mich wirkte das Herumgehopse irgendwie schwul. Vor der Menge stand ein kleiner Mann, der völlig schwarz gekleidet war. Freudig wurde er von Simon begrüßt.

      »Meister Chen, das ist unser Neuzugang, Ragnor.«

      Der Meister hatte schmal geschnittene Augen, fast so wie die meiner Mutter. Und er schaute auch so, genauso, als hätte ich etwas Schlimmes ausgefressen.

      An Simon gewandt meinte er: »Simon, der Kerl ist ein großer, weißer Trampel! Und er ist klobig wie ein Ork! Ich glaube nicht, dass ich ihm etwas beibringen kann!«

      Seine Worte kamen mir ziemlich recht, denn ich beabsichtigte nicht im Geringsten, mich diesem seltsamen Getanze anzuschließen. Schlitzauge war noch immer aufgebracht. So trat er an mich heran, reichte mir einen Stock und meinte: »Du bist viel zu langsam!« Dabei stach er mir seinen Zeigefinger in die Brust. »Schlag mich!«

      Hilflos guckte ich zu Simon rüber. Dieser zuckte mit den Achseln.

      »Hör zu, Meister Chen, ich weiß wirklich nicht, wie du drauf bist, aber ich halte das für keine wirklich gute Idee...«

      Meine Weigerung führte nur dazu, dass mir der kleine Mann, noch ein paar Male seinen Zeigefinger in die Brust pikste und immer wütender wurde.

      »Du sollst mich angreifen! Los, du