Elke Bulenda

Fatales Erwachen Epubli EPUB


Скачать книгу

Flimm und Flumm begleitet, erreichten wir die Kantine. Sie war so ziemlich leer. War ja mal wieder typisch für mich. Ich hatte durch den elenden Test das Frühstück verpasst. In der Kantine wurde bereits das Mittagessen vorbereitet. Gemüse wurde geschnippelt, Fleisch paniert und angebraten; alles lief geschäftig von hier nach dort, rührte in Töpfen und wendete den Inhalt der Pfannen.

      Jetzt endlich sah ich, dass ich hier nicht die einzige Abnormität war. Kleine, geflügelte Elfen wischten dort die Tische, wo die Zwerge nicht heranreichen konnten.

      Damals wurde ich selbst zu einem Ehrenzwerg ernannt. Weil ich "Tony, die Fliege" gerettet hatte, der beinahe mit seiner Kutsche und den durchgehenden Pferden in den sicheren Tod gerast wäre. Seitdem kam ich immer prächtig mit den Zwergen aus. Aber Vorsicht! Niemals sollte sie jemand anderes als Zwerge bezeichnen, das ist sehr ungesund. Sie beherrschten die Axt, den Kriegshammer und ihre kleinen Messer, so wie weitere Hieb-und Stichwaffen so gut, dass man sich nicht wundern musste, wenn sie einem die Beine direkt über den Knien absäbelten. Sie selbst betrachteten sich eher als unter-groß, nannten sich lieber die Kleinwüchsigen und alle anderen dagegen - zu groß geratene Hohlköpfe.

      Meine kleinen Freunde, die, nachdem ihre Heimat – Die Zwergenkanne - abgebrannt war, das Angebot angenommen hatten, mit meiner Familie und mir, gemeinsam in unserer herrschaftlichen Villa zu wohnen, waren immer für eine Überraschung gut.

      Nie brauchte ich weit zu gehen, wenn mir nach einer Partie Knobeln, oder Kartenspielen zumute war. Im Gesinde-Raum, mit seinem zerkratzten Tisch, knallten die Becher, Karten und Ohrfeigen. Ein sehr temperamentvolles Völkchen. Außerdem verstanden sie es, ganz hervorragende Getränke zu brauen. Die Spirituosen waren so gut, dass man nie viel trinken musste, um mal eine ordentliche Dröhnung zu bekommen. Wenn etwas im Haus benötigt wurde, war es im Handumdrehen organisiert - und das auch noch umsonst. Die Kleinwüchsigen nannten ein ausgeklügeltes Logistik-und Informationssystem ihr Eigen. Der Begriff "Kleinkriminalität" bekam unter diesen Umständen eine völlig neue Bedeutung.

      Im Moment war Simon vergessen, als ich an den Tisch trat und vor einem Zwerg in die Knie ging, was ein lautes Knacken zur Folge hatte. Die eigentlichen Zwerge sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Wie ich aus Erfahrung wusste, waren sie schon immer sehr fortschrittlich. Schon unsere Mitbewohner hatten darauf geachtet, keine Zipfelmützen und lange Bärte zu tragen. Eigentlich taten sie alles, um nicht nach "Zwerg" auszusehen.

      Auch dieser machte keine Ausnahme, denn er trug eine gelbe Mütze mit einem Schirm. Auf der Mütze selbst prangte ein Lakers Emblem. Zwar wusste ich nicht, wer oder was "Lakers" bedeuten sollte, aber das Abzeichen war fast genauso groß, wie der Kopf des Zwerges selbst. Der Bart war nicht lang, er reichte nur bis zu seinem Hemdkragen.

      »Warum müsst ihr die Tische wischen, mein Freund? Geht der Bergbau so schlecht? ... Und gehören die Elfen nicht in den Wald?«

      Ich bemühte mich, nicht zusammenzuzucken, als eine eindeutig weibliche Stimme erklang.

      ...Oh! Tja, ich vergaß. Alle Zwerge hatten einen Bartwuchs. Die Zwergen-Frauen auch. Viele trugen einen Bart, außer Mama Zwerg, die sich nicht im typischen Kettenhemd kleidete. Jetzt, im Nachhinein wird mir vieles klar...-das hat sie also immer mit meinem Rasiermesser angestellt!...

      »Nö, der Bergbau lohnt sich nicht mehr! Viele erkrankten an einer Staublunge und seit wir die Unfall-Verhütungs-Vorschriften haben, kurz UVV, die bei zu hoher Arbeitsplatzbelastung einen Arbeitsschutz, in Form einer Atemschutzmaske vorsehen, ist es auch nicht mehr so wie früher! MAK! Maximale Arbeitsplatz-Konzentration! Pah! Früher konnte man sich wenigstens mit seiner Staublunge in die Frührente verabschieden! Egal, jetzt haben wir hier einen besseren Job; weniger Stunden klopfen, und wenn wir gebraucht werden, holen wir den Radbagger raus, oder den Tunnelbohrer. Die Arbeit hier in der Kantine machen wir freiwillig! Die Trolle sind wieder aus dem Einsatz zurück und haben Langeweile. Da missbrauchen sie uns gerne mal für dem Zwergen - Weitwurf!«, zeterte die Zwergin erregt. »Und die Elfen ... Ja, es ist traurig! Das Waldsterben und diese schrecklichen Autobahnen! Weißt du wie viele von ihnen an einer Windschutzscheibe sterben? Es ist ein Jammer! Aber hier sind sie sicher, mit uns in der Putzkolonne passiert ihnen nichts, die Zusammenarbeit ist soweit okay.«

      Das sah man, sie ergänzten sich prächtig. Eine Elfe im Haus, erspart dem Zwerg die Fußbank.

      »Oh, das wusste ich nicht, dann seid ihr gerne hier?«, fragte ich erstaunt. Sowohl die Elfe, als auch die Zwergin nickten energisch. Da ich nicht weiter stören wollte, überließ ich sie wieder ihrer Arbeit.

      »Komm mit«, sagte Simon. »Ich will dich der Diätberaterin vorstellen.«

      … Diät? Ein wenig fühlte ich mich gekränkt. Dabei bin ich doch gar nicht dick!... Da es sich nicht verhindern ließ, trottete ich hinter ihm her.

      »Das ist Ragnor«, stellte er mich der älteren Dame vor. »Ragnor, das ist Anna Stolz, unsere Diätberaterin.«

      Nicken meinerseits. Die Dame war zwar Diätberaterin, doch hielt sie persönlich wohl nur sehr wenig vom gemäßigtem Essen. Rotbackig und drall war sie, genauso wie man sich jede gute Küchenmagd vorstellt.

      »Da haben wir aber einen strammen Burschen!«, bemerkte sie erfreut.

      Vorsichtshalber drehte ich mich mal kurz um, merkte aber schnell, dass sie mich gemeint haben musste.

      »Ja«, erwiderte Simon. »In Zukunft bekommt er die V-Diät.«

      Ah, jetzt ja … Der Groschen war gefallen ... V - wie Vampir.

      War ja auch klar, dass sie mich nicht mit Erbsensuppe abfüttern konnten. Die stolze Anna lief los und kam wenig später mit einem vollen Krug warmen Blutes zurück. »Und was kann ich für dich tun, Simon?« Anna ist eine Perle und ich schloss sie sofort in mein kaltes Herz.

      »`N` Kaffee wäre nicht schlecht!«

      Ratzfatz hatte Simon ebenfalls eine Kanne in der Hand. Wir setzten uns an einen Tisch. Simon deutete auf die Ecke, gleich hinter dem Eingang.

      »Da drüben ist ein Regal, dort gibt es Tabletts, Teller, Tassen, Becher, Gläser, Besteck und Servietten. Wenn du hier in Zukunft deine Nahrung aufnimmst, musst du dich vorher dort bedienen. Tablett brauchst du ja keins.«

      ...Würde das bedeuten, dass ich mich hier bald frei bewegen konnte?...

      Nachdem ich mir das Regal angesehen und für Simon einen Becher und für mich ein Glas besorgt hatte, pfriemelte ich ungeschickt an der Kanne herum. Simon zeigte mir, dass man nur auf einen Knopf drücken musste. Überhaupt funktionierte hier scheinbar alles nur per Knopfdruck. Während ich mir mein Blut in Rekordzeit einverleibte, rührte Simon in seiner Tasse herum. Von ihr stieg ein wirklich herrlicher Duft auf.

      »Kaffee! Das erfrischt und belebt, gerade am frühen Morgen!«

      Schnellstens besorgte ich mir ebenfalls einen Becher und trank meinen ersten Kaffee. Er war gut, ein wenig bitter, doch mit Zucker gleich viel besser. Ein anderes Süßmittel als Honig kannte ich nicht, scheinbar war der ihnen wohl ausgegangen? Oder zum Met brauen entwendet? So etwas wie Hoffnung keimte in mir auf.

      »Du bist ein seltsamer Vampir, ich dachte ihr trinkt nur Blut?«, fragte Simon.

      »Nein, trinken kann ich alles, es macht natürlich nicht satt. Essen vertrage ich nicht, davon muss ich mich erbrechen, aber trinken geht schon in Ordnung.«

      Simon nickte.

      »Hör zu, dem Blut haben wir eine hohe Dosis Beta Karotin beigemengt. Das belebt etwas deine Hautfarbe. Wenn wir hier fertig sind, werden wir verschiedene Fotos für deine Papiere machen. Für den Außeneinsatz brauchst du Pässe, Ausweise und Führerscheine. Und das von jedem Land, in dem wir einen Einsatz haben. Sie werden aber erst erstellt, wenn wir unser Ziel wissen. Wir arbeiten zwar mit jeder Behörde zusammen, doch können wir es nicht gebrauchen, wenn ein kleiner Dorfsheriff unsere Mitarbeiter verhaftet, weil sie ohne Papiere fahren. Nicht jeder weiß über unsere Aktionen Bescheid. Vieles wird gar nicht bis dort durchdringen, allein schon, um die Bevölkerung nicht zu verängstigen. Obendrein bekommst du einen Firmenausweis mit eingebauter Schlüsselkarte, die dir zu verschiedenen Türen Zugang verschafft. Je besser