Eike Ruckenbrod

Franzi und die Ponys - Band II


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Frau Knoll ihre Nichte.

      „Danke, Wiebke, ich glaub‘ dir kein Wort.“ Franzi schüttelte den Kopf, so gemein konnte ja nicht einmal Wiebke sein. Sie wandte sich an ihre Chefin. „Was macht der Hengst? Sind seine Wunden von letztem Jahr gut verheilt? Kann man ihn reiten?“, erkundigte Franzi sich neugierig.

      Frau Knoll stöhnte frustriert. „Ja, Franzi, der Hengst – mit dem haben wir so unsere Probleme. Seine Wunden sind alle sehr gut verheilt. Bis auf ein paar Narben am Röhrbein merkt man ihm nichts mehr an. Aber er ist immer noch sehr wild und hat kein Vertrauen zum Menschen. Es war ein Drama seine Verbände zu wechseln. Er lässt sich nur ungern anfassen. Theoretisch könnte man ihn reiten, aber er buckelt wie wild. Er hat Olli schon ein paar Mal in den Sand gesetzt.“ Franzi erschrak, denn das hatte er ihr nicht geschrieben. „Oh je, ich hoffe, ihm ist nichts passiert.“

      „Nein, du kennst ihn doch, der ist zäh. Er ist sofort wieder aufgestiegen - und war gleich wieder unten.“ Margarete Knoll schüttelte traurig den Kopf.

      „Olli kann nichts einschüchtern, der ist knallhart“, meinte Wiebke bewundernd. Johanna nickte.

      „Ich weiß nicht, was ich mit dem Hengst noch anstellen soll, damit er ein gutes, zuverlässiges Reitpony wird. Ich setze mich mit meinen alten Knochen nicht auf ihn. Bei mir würde er schnell lernen was es heißt, bockig zu sein“, sagte sie sehr von sich überzeugt. Franzi streichelte nachdenklich Rafis Hals und gab ihm noch eine Karotte.

      Ich hätte da schon eine Idee. Aber ich traue mich nicht, zu fragen. Dann gab sie sich einen Ruck. „Ich weiß, sie erklären mich bestimmt für verrückt, aber ich würde es auch gerne mal mit ihm versuchen.“ Frau Knoll sah das Mädchen zweifelnd an. „Du?“

      „Ja, ich hab' so viel über Pferdeflüsterer gelesen, dass ich diese sanfte Methode gern mal selbst ausprobieren würde“, versuchte sie die Hofbesitzerin zu überzeugen.

      „Das schaffst du doch nie. Wenn Olli es nicht mal geschafft hat“, warf Wiebke gehässig ein. Margarete Knoll blickte Franzi ernst an. „Du weißt, dass ich deiner Mutter nach dem Unfall letztes Jahr etwas versprochen habe.“

      „Ja, ich weiß, aber ich geh' ganz bestimmt kein Risiko ein“, versprach diese und schaute bittend.

      „Tante, das ist doch viel zu gefährlich. Am Ende fällt sie runter und bricht sich den Hals“, regte sich Wiebke auf. Wenn Blicke töten könnten, wäre Wiebke tot umgefallen, so böse starrte Franzi sie an.

      Dieses Biest, ich könnte sie auf den Mond schießen, dachte sie verärgert.

      „Lasst uns zuerst Abendbrot essen, bevor wir so schwer wiegende Entscheidungen treffen“, schlug Frau Knoll vor.

      Warum müssen Erwachsene immer erst so lang überlegen?, fragte sich Franzi.

      Sie hätte natürlich gern gleich eine Entscheidung gehabt, aber traute sich nicht zu sehr zu nerven. Also stimmte sie der Hofbesitzerin notgedrungen zu. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg in den Speisesaal.

      Franzi schaute sich neugierig um und ging von Tisch zu Tisch, um die Mädchen zu begrüßen und sich den Neuen vorzustellen. Diese fixierten sie schüchtern, respektvoll, schweigend, mit großen Augen.

      Sobald Franzi zum nächsten Tisch ging, steckten sie die Köpfe zusammen und flüsterten.

      Da stimmt doch was nicht. Also hat Wiebke doch Mist über mich erzählt, stellte Franzi fest und blickte mit zusammengekniffenen Augen zu dem rothaarigen Mädchen. Wiebke winkte mit einem hämischen Grinsen zu ihr hinüber.

      Als Franzi auf ihrem Platz saß, knurrte lautstark ihr Magen. Der Stuhl neben ihr war leer. Er war für Olli bestimmt.

      Ich vermisse ihn jetzt schon. Hoffentlich kommt er bald.

      Nach dem Essen saßen sie noch lange zusammen und erzählten von den Ereignissen des vergangenen Jahres.

      Gegen zwanzig Uhr meinte Frau Knoll: „Zeit zum Schlafengehen. Ihr müsst morgen früh raus!“ Die Mädchen sprangen lautstark von den Stühlen auf und strömten quasselnd aus dem Saal. Gerade lief Johanna an Franzi vorbei. Die hielt sie am Arm fest. „Johanna, sag' Wiebke bitte, sie soll schnell in den Stall kommen, ich muss dringend mit ihr reden. Sie soll sich nicht von der Knoll erwischen lassen.“

      Schnell eilte Franzi in den Stall.

       Na warte, du Hexe, dir werde ich‘s zeigen. Das ist zwar ein uralter Trick, aber er funktioniert immer noch bestens.

      Sie füllte einen Eimer mit Wasser, spannte eine Schnur über die Stallgasse und lockerte das Stroh auf. Schon hörte sie Schritte. Franzi versteckte sich hinter dem Strohhaufen und hoffte innigst, dass es nicht ihre Chefin war, die im nächsten Augenblick durch diese Tür stürmen würde. Wiebke riss die Stalltür auf. In diesem Moment entleerte sich der gefüllte Eimer über ihrem Kopf. Das Mädchen schrie erschrocken auf, torkelte nach vorne, stolperte über die gespannte Schnur und fiel kopfüber in den Strohhaufen.

      „Franzi, du Ekelpaket, wo bist du?“, rief Wiebke wutentbrannt. Lachend kroch diese aus ihrem Versteck.

      „Das war nur ein kleiner Denkzettel. Jetzt sind wir quitt. Ich hoffe, überlegst dir in Zukunft, was du über andere Leute erzählst. Das nächste Mal landest du im Misthaufen.“

      Wiebke warf mit Stroh nach Franzi. „Du bist echt das Letzte. Ich hab' gar nichts gemacht.“

      „Und wenn du hier noch Sauerei machst, kannst du gleich noch fegen“, erwiderte Franzi kalt. Wiebke schaute sie böse an und stampfte aus dem Stall. Bei jedem Schritt wippten die Strohhalme in ihren roten Locken auf und ab und erinnerten Franzi irgendwie an Spagetti mit Tomatensoße.

      Lächelnd warf sie sich ins Heu, und bald dachte sie an Olli und die schönen Momente, die sie hier zusammen erlebt hatten. Sie stellte sich ihr Zusammentreffen vor.

       Bestimmt werde ich knallrot und weiß nicht, was ich sagen soll.

      Verträumt schloss sie die Augen und versuchte sich Olli vorzustellen. Aber so richtig klappte es nicht, irgendwie hatte der Junge eher Ähnlichkeit mit einem Klassenkameraden, den sie nicht mochte, als mit Olli.

      Nach einer Weile streckte sie sich gähnend, stand auf, klopfte sich das Heu aus den Kleidern und machte sich auf den Weg zu ihrer Dachkammer.

      Die Kammer war noch genau so, wie sie diese vor einem Jahr verlassen hatte. Die Pferdepostkarten und Poster hingen noch an den Wänden, der runde Tisch, die zwei Hocker ohne Lehne, das Bett mit den schrecklich weichen, dreigeteilten Matratzen und die Kommode füllten den kleinen Raum voll aus. Alles wie gehabt. Franzi fühlte sich gleich wie zu Hause, zog sich zufrieden aus und legte sich mit einem Buch über Pferdeausbildung ins Bett.

      Mist, jetzt haben wir gar nicht mehr darüber gesprochen, ob ich mit dem Hengst arbeiten darf, fiel ihr plötzlich ein. Ich werde es schon schaffen, sie zu überreden, wenn das rote Hexchen nicht in der Nähe ist.

      Nachdem das Licht aus war, zähmte sie im Traum auf wunderbare Weise den Hengst.

      Die erste Reitstunde – wer führt eigentlich wen?

      Am nächsten Morgen fütterte Franzi mit Lisa die Ponys und mistete die Laufställe aus. Danach besprachen sie beim Frühstück den Tagesplan mit Frau Knoll.

      „Solange Olli nicht da ist, übernimmt Lisa die Gruppe mit den fortgeschrittenen Mädchen, und du die Kleinen, Franzi“, erklärte sie.

      „Wann kann ich denn mit dem Hengst anfangen?“, fragte Franzi, so als sei schon alles abgemacht. Margarete Knoll lächelte leicht. „Du bist immer noch die gleiche sture und ungeduldige Franzi. Traust du dir das wirklich zu?“, fragte sie zweifelnd.

      „Ich will's einfach mal versuchen. Wir werden ja sehen, ob an der Methode was dran ist oder nicht.“

      „Gut, du darfst versuchen, dich mit ihm anzufreunden, aber reiten darfst du nicht.“