Eike Ruckenbrod

Franzi und die Ponys - Band II


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dürft ihr aufsteigen. Caroline! Mach‘ du es bitte vor.“ Das angesprochene Mädchen nickte, stellte sich neben die erdbraune Stute und stieg gekonnt auf. Sie ließ sich sanft in den Sattel gleiten und lobte Fauta, die brav stehen geblieben war. Franzi erläuterte, was man beim Aufsteigen alles beachten musste. Nacheinander stiegen die Mädchen auf und Franzi kontrollierte die Länge der Steigbügel.

      In dieser Stunde durften die Mädchen nur im Schritt reiten. Franzi stellte ein paar Baustellenhütchen auf, um die sie Slalom reiten mussten. Sie übten auch vom Sattel aus das Anreiten und das Stehenbleiben, ohne am Zügel zu zerren.

      „Denkt dran, eure Ponys fühlen es, wenn sich eine Fliege auf ihren Körper setzt, also gebt die gelernten Hilfen mit viel Gefühl. Seid dankbar, wenn sie euch brav tragen, und behandelt sie mit Respekt. Wenn ihr ihnen ein fairer Anführer seid, werden sie euch lieben, euch folgen und euch brav tragen. In der Natur übernimmt die stärkste, die mutigste und die intelligenteste Stute die Führung der Herde. Alle Pferde verlassen sich auf sie und suchen in ihrer Nähe Sicherheit. Der Hengst beschützt die Herde und kümmert sich um die Fortpflanzung. Jetzt müsst ihr die Rolle der Leitstute übernehmen, um zu erreichen, dass euch die Ponys folgen und dorthin laufen, wohin ihr wollt“, erklärte Franzi und schaute in ratlose Kinderaugen. „Keine Angst, wir werden alles zusammen lernen, sodass ihr und die Ponys Spaß habt.“

      Die Reitstunde verging wie im Flug, und schon kam Lisa an die Hallentür und rief: „Es ist Zeit aufzuhören. Kommt ihr?“

      „Ja, gleich“, antwortete Franzi und an die Mädchen gewandt:

      „Reitet in die Bahnmitte, bleibt einen Moment ruhig stehen und lobt dabei eure Ponys! Danach nimmt ihr beide Füße aus den Steigbügeln und steigt mit Schwung ab!“

      Als alle abgestiegen waren, schoben sie die Steigbügel hoch und gingen mit Lisas Gruppe über den Hof zum Stall. Dort sattelten sie die Isländer ab, kratzten die Hufe aus, bürsteten kurz über die Sattellage und führten sie auf die Weide.

      Die Ponytaufe

      Der Mittag schleppte sich träge dahin, denn Franzi konnte es kaum erwarten, bis es endlich Nachmittag war und sie anfangen konnte, mit dem Hengst zu arbeiten. Der stand auf einer sicher eingezäunten Weide mit einigen Junghengsten zusammen.

      Als es Zeit war, eilte Franzi alleine zu der Weide, denn sie wollte den Hengst in Ruhe kennenlernen. Sie stellte sich an den Zaun und beobachtete den Rappen. Er war nicht besonders groß, aber kräftig und hatte eine herrlich lange, wellige Mähne. Sein buschiger Schopf bedeckte fast komplett die Augen. Und sein schwarzes Fell war so glatt, dass sich das Sonnenlicht darin spiegelte. Schon jetzt konnte sie aus seinem Verhalten erkennen, dass er ein ängstliches, schreckhaftes Tier war, das sich ständig von den Jährlingen ärgern ließ.

      Als Franzi die Weide betrat, kamen die einjährigen Hengste neugierig auf sie zu. Der Ältere blieb verunsichert am Rand stehen.

      „Na, ihr Lieben, ihr seid ganz schön frech, der könnte euer Vater sein“, tadelte sie vorwurfsvoll die Jährlinge, die sie umringten. Langsam, Schritt für Schritt, ging sie auf den Hengst zu. Die jungen Pferde folgten ihr. Mit ein wenig Abstand blieb sie stehen und atmete tief durch, um sich zu entspannen. Der Wildling spürte ihre Aufregung, das verunsicherte ihn noch mehr. Er wich einige Schritte zurück und Franzi blieb stehen.

      Warum bin ich denn so aufgeregt?, ärgerte sie sich und versuchte krampfhaft, sich zu entspannen, was natürlich nicht funktionierte.

      Nach einer Weile ging sie mit gesenktem Blick einige Schritte weiter in seine Richtung und blieb wieder stehen. Das wiederholte sie so oft, bis sie direkt neben ihm stand.

      Franzi hatte alle Hände voll zu tun, um sich die Junghengste vom Leib halten, die an ihr herumknabbern wollten, ohne den Älteren damit zu verscheuchen. Sie redete beruhigend auf ihn ein. Aufmerksam beobachtete er sie. Seine Ohren zuckten nervös vor und zurück. Er hob den Kopf hoch und blähte die Nüstern. Vorsichtig streckte sie die Hand in Richtung seiner Nüstern. Er zögerte. Franzi hielt die Luft an. Er zögerte immer noch. Ich habe ja noch eine Karotte in der Tasche, fiel ihr ein. Sie schaute nach den Jährlingen. Die hatten sich wieder in kleinen Gruppen auf der Weide verteilt und widmeten sich ihrer Lieblingsbeschäftigung, dem Fressen.

      Mit langsamen Bewegungen holte sie diese heraus und streckte sie ihm entgegen. Neugierig roch er daran und nahm sie vorsichtig zwischen seine Lippen. Franzi freute sich und senkte die Hand wieder.

       Zum Glück haben die Jährlinge das mit der Karotte nicht mitbekommen, sonst hätte ich jetzt ein Problem ...

      Ein paar Minuten blieb sie noch bei ihm stehen. Er graste wieder, ohne sie aus den Augen zu lassen. Am Spiel seiner Ohren erkannte sie, dass er sehr aufmerksam war. Ab und zu schleuderte er seinen Schweif herum, um die lästigen Fliegen zu vertreiben. Franzi riss einen Grashalm ab und kaute darauf herum.

      Schlendernd verließ Franzi die Weide.

      Das reicht für heute. Ich bin schon weiter gekommen, als ich dachte.

      Die jungen Hengste folgten ihr bis zum Zaun, immer noch in der Hoffnung, etwas Leckeres zu ergattern.

      Auf dem Weg in den Stall traf sie Lisa. „Na, wie war‘s? Konntest du ihn anfassen?“, fragte sie interessiert. Gerade kam auch Wiebke vorbei, stellte sich zu ihnen und Franzi erzählte: „Ich war so nahe bei ihm, dass er mir eine Karotte aus der Hand fraß, und das reicht mir für heute. Gut, dass die Jährlinge es nicht mitgekriegt haben, sonst hätten sie mich noch mehr bedrängt.“

      „Toll, dass du ihm Zeit gibst. Du schaffst es bestimmt ihn zu zähmen“, meinte Lisa hoffnungsvoll. „Das wär‘ echt krass“, stimmte ihr Franzi verträumt zu. Im Gedanken war sie schon so weit, dass der Hengst ihr folgte wie ein Hund und alles mit sich machen ließ.

      „Du weißt ja, dass wir die Ponys auf den Weiden nicht füttern dürfen, wegen dem Futterneid“, meinte Wiebke altklug. Franzi drehte ihr demonstrativ den Rücken zu und schlug Lisa vor: „Wir sollten ihm einen Namen geben. Ich find‘ es traurig, dass ihn jeder nur ‚Hengst‘ nennt.“

      „Stimmt. Warum eigentlich?“, fragte Lisa.

      „Er hat sehr wohl einen Namen. Jedes Fohlen mit Papieren bekommt in Island gleich nach der Geburt einen Namen“, warf Wiebke ein und stellte ich neben Lisa.

      „Die Knoll hat ihn mir letztes Jahr gesagt, aber ich weiß ihn nicht mehr. Er war unaussprechbar. So ähnlich wie Glasvattur fraaa Hafsteinssowieso“, erzählte Franzi, ohne das rothaarige Mädchen zu beachten.

      „Wir können ihm ja morgen, in der Theoriestunde, einen neuen Namen geben. Das gefällt den Mädchen bestimmt“, meinte Lisa.

      „Mh, gar keine schlechte Idee. Ich klär‘ das noch mit Frau Knoll“, stimmte Franzi zu.

      Alle Mädchen - außer Wiebke - freuten sich, als Franzi ihnen am nächsten Tag mitteilte, dass sie abstimmen durften, welchen Namen der Hengst bekommen sollte. Natürlich hatte sie es vorher mit der Besitzerin abgesprochen. Sie war einverstanden, da der Name wirklich schwer auszusprechen war.

      „Und wenn er dann einen Namen hat, werden wir ihn feierlich taufen. Ich spendiere Chips und Cola für uns und einen Eimer Karotten für den Hengst“, versprach Franzi. Plötzlich plapperten alle aufgeregt durcheinander.

      „Heeeyyy“, rief sie laut. „Jetzt seid wieder leise, damit wir zügig vorankommen. Sonst ist nichts mit feiern.“

      Die Mädchen beruhigten sich wieder, und Lisa verteilte kleine Zettel, auf die sie ihre Namensvorschläge schreiben konnten.

      „Soll es ein isländischer Namen sein?“, fragte die zwölfjährige Svenja.

      „Ich kenn‘ ja gar keine“, jammerte Ines.

      „Ich fänd‘s schon schön, wenn er einen isländischen Namen bekommen würde. Wenn es euch lieber ist, dann schreibe ich ein paar Namen auf die Tafel und ihr sucht euch einen davon aus“, schlug Franzi den Mädchen vor, nahm sich