Andreas Nass

Erwachen


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Aussehen und die charismatische Ausstrahlung trugen zu meinem ersten Eindruck bei. Besonders auffällig waren seine schlanken, grazilen Finger, die nicht nur ein Instrument in Schwingung versetzen konnten, dem war ich mir sicher. Seine Tracht war sichtlich fein gearbeitet und betonte die führende Stellung in der Zunft. Kein Grau zeigte sich in dem dunklen Haar und ich bemerkte die mich musternden, wachen Augen.

      Nach seiner Verneigung ging er auf mich zu und ich reichte ihm meine Hände. Erneut verneigte er sich und ich genoss den gekonnten Handkuss, mit dem er nicht nur meiner herausgehobenen Position am Hofe, sondern auch meiner Weiblichkeit schmeichelte.

      »Bitte, Prinzessin Crish, nehmt doch Platz.« Er wies auf eine Sitzgelegenheit mit niedrigem Tisch. »Darf ich Euch etwas zu trinken einschenken?«

      »Gern, Zunftmeister Tymolo. Habt Ihr einen Weißwein?«

      »Gewiss«, er ging zu einer Anrichte und füllte aus einer der bereitstehenden Karaffen Wein in zwei Gläser ab.

      Ich setzte mich auf die Couch und lehnte mich zurück. Der geschlitzte Rock ermöglichte mir, die Beine übereinanderzuschlagen und in ihrer ganzen Länge zur Geltung zu bringen.

      »Zum Wohl, Prinzessin.« Der Zunftmeister reichte mir ein Glas und setzte sich zu mir. »Auf Eure schönen Augen.«

      Mit unseren Blicken sprachen wir miteinander und ich strahlte ihn über den Glasrand hinweg an. Der Wein war von außergewöhnlicher Qualität und mundete mir sehr. Ein, vielleicht auch zwei weitere Gläser hätten mich den Grund meines Besuches vergessen lassen. Die Gesellschaft des Zunftmeisters empfand ich als ausgesprochen angenehm. Auch er schien über meine Anwesenheit erfreut und sein Blick schweifte mehrmals über meinen kurvenreichen Körper, bevor er das Wort erhob.

      »Womit habe ich die Ehre Eures Besuches verdient, Prinzessin Crish?«

      »Die Ehre liegt ganz auf meiner Seite, Zunftmeister. Ihr müsst mir verzeihen, denn ich habe viel zu lange schon meinen Besuch der Bardenzunft aufgeschoben. Umso mehr freue ich mich über die Gastlichkeit des Hauses. Der Wein ist vortrefflich, und auch alles, was ich bisher gesehen habe, behalte ich gerne in meiner Erinnerung.«

      »Für Euer Lob danke ich im Namen der Bardenzunft, Prinzessin. Sollte Eure königliche Hoheit einen Wunsch haben, dann lasst ihn mich wissen.«

      »Auf das Angebot komme ich gerne zurück, und ich habe tatsächlich ein Anliegen, für das ich die Gelegenheit meines Besuches nutzen möchte.« Ich machte eine kurze Pause und beugte mich meinem Gastgeber entgegen. »Ich habe eine Bitte, Zunftmeister, bei dem ich auf das Wissen der Zunft hoffe. Barden hören viele Geschichten, unter anderem über Gegenstände und ihre Besitzer. Ich besitze ein Instrument und möchte mehr darüber erfahren.«

      »Sagen und Legenden sind unser Metier, fürwahr. Um was für ein Instrument handelt es sich?«

      »Ich habe den Gegenstand dabei, seht selbst«, offerierte ich und schnippte mit der rechten Hand. Mein roter Kristalldildo erschien. »Oh«, ich gab mich überrascht und sorgte dafür, dass sich meine Wangen beschämt dunkler färbten.

      »Zweifellos ein Instrument, dass Eure königliche Hoheit zu spielen weiß.«

      »Ich gebe zu, damit mehr Übung als mit diesem hier zu haben«, gestand ich und schnippte mit der linken Hand. Die Querflöte erschien und ich reichte sie dem Zunftmeister. Dabei berührte mein Fuß wie zufällig sein Bein.

      Aufmerksam betrachtete er den Gegenstand. Indessen flüsterte ich ein Befehlswort und der Dildo verschwand wieder im Handschuh. Ich widmete mich dem Wein und wartete.

      »Das ist eine hervorragende Arbeit, Prinzessin. Sie ist gewiss nicht menschlichen Ursprungs. Mein erster Eindruck ließe mich fast behaupten, sie entstamme elfischen Händen, allerdings ist das verwendete Holz untypisch für Elfen. Aber die Form ist definitiv elfisch. Elfen nutzen die Querflöte zur Begleitung ihrer hohen Lieder, doch sind sie bei ihnen länglicher als die Eure.« Er nutzte seine Hände, um den Größenunterschied zu verdeutlichen. »Querflöten sind bei den Elfen in etwa so lang wie ein Arm. Das in diesem Fall genutzte Holz ist mir überhaupt nicht bekannt und ich kenne auch nichts Vergleichbares. Zwar habe ich derlei Holz schon gesehen, aber das waren allesamt Dinge, die aus der Zeit vor dem Magierkrieg stammten.«

      »Könnte sie aus der Zeit vor dem Magierkrieg stammen?«

      »Zu meinem Bedauern muss ich gestehen, dass ich keine Ahnung über die Herkunft Eurer Querflöte habe. Allerdings wäre diese Möglichkeit nicht ungewöhnlich.«

      »Welche Sagen sind über die Schaffung eines solchen Instrumentes aus der Zeit vor dem Krieg überliefert?«

      »Niemand kennt sich besser über die Art der Fertigung von Musikinstrumenten aus wie ich. Und eine solche Form ist nicht bekannt, da bin ich mir gewiss. Sie ist eine Mischung aus einer gewöhnlichen Flöte und einer Querflöte nach elfischer Machart.«

      »Ist denn jemand bekannt, der das gespielt hat?«

      »Dieses Instrument hier? Nein.«

      »Kann denn ein solch einzigartiger Gegenstand unauffällig bleiben? Ich meine, es sollten doch Geschichten darüber bestehen, die überliefert worden sind.«

      »Wenn Ihr wollt, Prinzessin, kann ich in den Archiven suchen.«

      »Ich habe wenig Hoffnung, in den Schriften etwas zu erfahren. Wenn es Aufzeichnungen über ein solch ungewöhnliches Instrument gäbe, hätten diese Einzug in Lieder und Erzählungen gehalten.«

      »Nein, mündlich ist nichts überliefert.«

      »Nur wenige Schriftstücke sind aus der Zeit vor dem Magierkrieg erhalten, nicht wahr?«

      »Dem ist so. Aber in diesem Fall muss ich zugeben, die Angelegenheit geht über meinen Horizont hinaus. So ungern ich das zugebe. Die Querflöte gehört eindeutig zu den sehr seltenen Gegenständen. Es kann gut und gerne mehr über sie zu berichten geben, aber leider nicht aus unserem Hause.«

      »Könnt Ihr mir sagen, wen ich fragen oder mit wem ich mich über die Querflöte unterhalten könnte?«

      »In der Zunft hat niemand mehr Ahnung als ich. Da muss ich Euch leider enttäuschen.«

      »Ehrlich gesagt hatte ich mir mehr von meinem Besuch erhofft, Zunftmeister«, bekundete ich enttäuscht und stellte das Weinglas auf den niedrigen Tisch ab, »dennoch danke ich für die aufrichtigen Worte.«

      »Vielleicht gibt es einen Barden, der etwas wissen könnte«, beschwichtigte der Zunftmeister. »Ihr habt Glück, Prinzessin, denn er hält sich momentan hier im Scharlachroten Tempel auf. Sicherlich habt Ihr bereits von ihm gehört. Sein Name ist Schattenlaute.«

      »Ich habe ihn bereits gesehen.«

      »Nur selten besucht er den Tempel. Die überwiegende Zeit reist er durch das Land und wandert auch über die Grenzen unseres Reiches hinaus. Er kennt die meisten Lieder unseres Standes.«

      »Und er könnte mehr wissen als Ihr?«

      »Das denke ich doch. Wie es der Zufall so will, hat er mich gerade erst besucht. Wir haben zusammen Wein getrunken und er hat sich erkundigt, wie es um die Zunft steht. Vorhin war ich mir sicher, er habe mir lediglich seine Aufwartung gemacht. Wenn ich jetzt diesen Gegenstand sehe … nun, wer weiß.«

      »Ihr meint, es ist mehr als ein Zufall«, ich zweifelte nicht daran. Jemand zog im Hintergrund seine Fäden und ich grübelte über mögliche Verantwortliche und deren Motive.

      »Ich möchte mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, Prinzessin. Aber seltsam ist es doch.«

      »Wohin ist Schattenlaute gegangen?«

      »Das hat er mir nicht gesagt. Er hat den Raum kurz vor Eurem Erscheinen verlassen, daher vermute ich, er befindet sich noch im Scharlachroten Tempel.«

      »Solltet Ihr ihn in nächster Zeit sehen, bitte teilt ihm mit, dass ich ihn sprechen möchte.«

      »Das werde ich.«

      »Dann möchte ich Eure kostbare Zeit nicht weiter in Anspruch nehmen, Zunftmeister.