Eike Ruckenbrod

Franzi und die Ponys - Band V


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ich Geld hätte, würde ich dir alle abkaufen.“

      Jamil sah Franzi an. Seine Augen lächelten. Sie blickte beschämt zur Seite. Der Beduine stand auf, stellte Svarturs Huf in das Geflecht und umwickelte alles mit einem Tuch. Es sah witzig aus, als hätte Svartur einen Klumpfuß. Der Rappe stand ganz still, als wüsste er, dass der Junge ihm helfen wollte. Franzi half ihm und bald konnten sie die ersten Probeschritte testen. Das Pony stakste steif und unsicher mit den Körben durch den Sand. Ein Bild für Götter: ein Isländer mitten in der Wüste mit einem weißen Kopftuch, aus dem seine plüschigen Ohren herausragten, und vier umwickelten Körben an den Hufen.

      Aber seine Hufe versanken tatsächlich nicht mehr. Franzi lachte. Erleichtert schloss sie den Jungen in die Arme. Der schob sie von sich. „Komm, wir müssen gehen.“

      Franzi nickte und kletterte auf Lahthan. Jamil packte hastig zusammen, verwischte die Spuren und setzte sich hinter sie. Ein Prickeln durchfuhr das Mädchen, als sie seine festen Oberschenkel spürte. Lahthan richtete sich auf. Blitzschnell griff Franzi nach vorne in den Sattel, um nicht hinunterzufallen. Rasch gewöhnte sie sich an den schaukelnden Passgang des Kamels und daran, so weit oben und so nah bei Jamil zu sitzen. Sie fühlte sich jetzt schon zu dem schweigsamen Jungen hingezogen.

      Gefährliche Flucht

      Svartur brauchte nun weniger Kraft und sie konnten zwei Stunden im Schritt ohne Unterbrechung reisen. Bei jeder Pause kontrollierte Franzi seine Beine nach Scheuerstellen und dem Sitz der Körbe. Aber wie durch ein Wunder hielt alles und scheuerte nichts. Bald dämmerte es und die Hitze wurde erträglicher.

      „Wir schlafen jetzt ein paar Stunden und nutzen den Rest der Nacht, um umgesehen weiterzureisen“, erklärte Jamil. Franzi, deren Hosenboden schon brannte, nickte dankbar. Mit steifen Gliedern kletterte sie von dem Kamel. Jamil spannte das Segel, holte Essen und Trinken aus einem der Körbe und ließ sich neben dem Mädchen nieder. Schweigend aßen sie. Franzi brannten tausend Fragen auf den Lippen, aber sie wollte Jamil nicht nerven und war dankbar, dass er sich ihrer angenommen hatte. Nicht jeder hätte diese Last auf sich genommen. Er würde schon reden, wenn die Zeit gekommen war, vermutete sie und wickelte sich satt und schläfrig in ein weißes Tuch ein. Kurz darauf schlief sie.

      Der Junge blickte nachdenklich auf die Fremde und dann auf den Wallach, der völlig erschöpft flach auf dem Sand lag. Sein schwarzes Fell war klitschnass und sein Brustkorb hob und senkte sich in kurzen Abständen.

      Hoffentlich wird das gut gehen und wir schaffen es, das Tier lebend ins Lager zu bringen. Grübelnd starrte er vor sich hin, bis die Nacht hereinbrach. Er gähnte und streckte sich.

      Warum habe ich mir so eine große Last auferlegt?, fragte er sich gerade zum x-ten Mal, als ein großer Skorpion zielstrebig auf Franzi zumarschierte. Jamil beobachtete ihn eine Weile. Skorpione sind ausschließlich nachtaktiv, leben, je nach Art, im Sand, in Steppen, auf Bäumen, sind Wanderer oder Höhlenbewohner. Sie ernähren sich von Insekten, Spinnen, Eidechsen, kleinen Schlangen und Nagern. Diese ergreifen sie mit ihren Zangen und spritzen ihnen mit ihrem Stachel ein Gift ein. Es gibt wenige Arten, deren Gift für den Menschen tödlich ist.

      Mit langsamen Bewegungen zog der Junge seinen Säbel aus dem Gürtel und schlug, da das Spinnentier seine Richtung nicht wechselte, mit einer schnellen Bewegung zu. Der Skorpion zerfiel in zwei Stücke. Jamil vergrub sie im Sand.

       Wie soll ich da ein Auge zu tun? Ich muss das Mädchen bewachen. Es wird schon einen Sinn haben, dass gerade ich sie fand.

      Er rollte sich zur Seite und beobachtete den Sand in Franzis Umgebung. Aber schon bald fielen auch seine Augen zu.

      Irgendetwas kitzelte Jamil am Bein und er erwachte. Hastig sprang er auf. Es war stockdunkel. Er vermutete einen Wüstengecko oder einen weiteren Skorpion. Vorsichtig tastete er nach dem Mädchen. Es lag ruhig neben ihm. Seine tiefen Atemzüge verrieten ihm, dass es tief und fest schlief. Er beugte sich über sie und roch an ihr. Neugierig hielt er sich eine ihrer feinen Haarsträhnen unter die Nase. Sie roch so anders, als die Mädchen hier. Und sie war auch ganz anders. Hier hatten die Mädchen und Frauen nicht viel zu sagen und mussten sich ihren Männern und Brüdern unterordnen. Ihre Aufgabe war es, sich um das Essen, die Tiere und die Behausung zu kümmern. Oft wurden sie auch geschlagen. Sie durften sich nicht von ihren Ehemännern trennen, aber diese konnten sich von ihnen trennen. Eine Frau, die Ehebruch begann, war eine Schwerverbrecherin. Außerdem hatten sie überhaupt kein Mitbestimmungsrecht, was das Geld der Familie betraf.

      Doch Jamil war nicht so. Er wollte eine selbstbewusste Frau und sein Ziel war es, bald die Wüste zu verlassen und zu studieren. Aber vorher hatte er noch einiges vor, damit seine Familie ohne Angst und Schrecken hier leben konnte. Was dieses Mädchen dabei für eine Rolle spielte, wusste er in diesem Moment noch nicht. Vielleicht konnte es ihnen ja helfen. Zahra schien intelligent und mutig zu sein. Jeder Helfer war wichtig. Was konnten er, die Alten und seine Schwestern schon ausrichten? Er bräuchte viel mehr Leute, um die Schwarzen zu besiegen oder sie endgültig zu vertreiben. Die wurden immer dreister und gefährlicher, je mehr sich ihnen anschlossen. Und Schutzgeld konnte Jamils Familie auch nicht bezahlen. Der Junge stöhnte. Franzi drehte sich im Schlaf und lag nun halb auf seinem Gewand. Er konnte nicht weiter von ihr wegrutschen, ohne sie zu wecken. Er schmunzelte.

      So schnell hat sie mich eingewickelt. Aber ich muss sie jetzt sowieso aufwecken, wir müssen weiter ziehen. Er fasste an ihren warmen Oberarm und rüttelte leicht. Als sie nicht reagierte, beugte er sich über sie.

      „Zahra, wach auf“, sprach er eindringlich. Sie öffnete die Lider. Schwärze drang in ihre Augen. Sie spürte seinen Atem auf ihrer Wange. Ihr wurde mulmig. Ihr Herz fing an zu rasen.

      „Jamil?“, flüsterte sie.

      „Ja, ich bin` s. Komm, wir reiten weiter.“ Sie nickte, was er aber nicht sehen konnte. So gut es im Dunkeln ging, packten sie ihre Sachen zusammen, sattelten das Kamel und banden Svartur an dessen Sattel fest.

      „Warum machst du nicht eine Öllampe an?“, fragte sie, da sie Angst vor Spinnen, Schlangen und Skorpionen hatte.

      „Auch so ein kleines Licht würde man meilenweit sehen“, erklärte der Junge, während er die Spuren verwischte. Franzi kletterte auf das Kamel und wartete lauschend.

      Ob man die Schwarzen wohl hört, wenn sie angreifen?, fragte sie sich gerade, als Jamil das Kamel bestieg.

      „Alles klar?“, fragte er.

      „Bei mir schon. Mir geht´s wieder gut.“

      „Was ist mit Merlin?“

      „Der macht auch einen ausgeruhten Eindruck.“

      „Okay, dann reiten wir ein gutes Stück.“ Er gab Lahthan ein Kommando und tippte ihn mit einem kurzen Stock an. Das Tier erhob sich brummend und trottete los.

      Nach einer Weile fragte Franzi: „Woran orientierst du dich? Ich sehe absolut nichts.“

      Jamil blickte nach oben. „Nach den Sternen und dem Mond.“ Franzi war tief beeindruckt. Der junge Beduine lachte leise. „Ach was, Lahthan kennt den Weg in- und auswendig. Er läuft ihn schon so lange.“ Franzi knuffte ihn in die Seite und lachte. „Veralber kleine Mädchen nicht!“

      „So klein bist du ja gar nicht.“ Schweigend ritten sie weiter.

       Jetzt wäre der richtige Augenblick, um ihn nach seinem Alter zu fragen.

      „Wie alt bist du?“, erkundigte sich Franzi.

      „Ich weiß es nicht genau. Bei uns ist das nicht wichtig. Ich bin auf jeden Fall älter als meine drei Schwestern.“ Franzi schwieg, da er sie nicht nach ihrem Alter fragte.

      Die erste Stunde zog sich wie Kaugummi, aber je länger sie durch die Dunkelheit ritten, desto schneller verging die Zeit. Ihre Augen gewöhnten sich rasch an die Finsternis und auch ihr Gehör wurde viel feiner.

      Nach drei Stunden legten sie eine kurze Pause ein, aßen eine Kleinigkeit und kümmerten