ganz umdrehte auch Svartur. Bald würde es wieder unerträglich heiß werden und das Pony extrem leiden. Franzi seufzte.
„Was ist?“, fragte der Junge.
„Ich dachte gerade an die Hitze und an mein Pony mit seinem langen F ...“ Franzi blieb das Wort im Hals stecken, denn genau in diesem Moment knallte ein Schuss. Lahthan rannte panisch los. Jamil drehte sich hastig im Sattel um.
„Mist, sie sind uns auf den Fersen. Halt dich fest!“ Er trieb das Kamel noch mehr an. Es galoppierte mit raumgreifenden Sprüngen. Die nach vorne gebeugten Reiter wurden hin und her geschleudert. Noch konnte das Pony mithalten. Wieder knallte es und eine Kugel zischte in der Nähe ihrer Köpfe vorbei. Hastig duckten sie sich noch weiter. Lahthan rannte so schnell er konnte. Svartur hatte Probleme, mit dem großen Tier Schritt zu halten. Die Tücher um die Körbe lockerten sich und lösten sich schließlich. Kurz darauf flogen die Körbe davon. Svartur kam ins Straucheln. Jamil sah es, zog den Säbel und schnitt das Seil, das ihn am Kamelsattel hielt, los.
„Nein, das darfst du nicht! Er muss mitkommen“, schrie Franzi und versuchte vergeblich, ihn abzuhalten. Das Seilende peitschte auf den Sand. Der Rappe wurde augenblicklich langsamer. Die Beduinen sprengten kurz darauf an dem Pony vorbei, ohne es zu beachten. Wieder flog ein Schuss in ihre Richtung. Franzis Herz raste wild. Sie bezweifelte, dass ihnen die Flucht gelingen würde. Die wilden Beduinen waren ihnen schon dicht auf den Fersen. Jamil zog am Seil. Das Kamel bog scharf nach rechts ab. Franzi krallte sich in den Sattel, um nicht heruntergeschleudert zu werden. Sie blickte sich um. Hier gab es keine so hohen Dünen mehr. Der Sand war eher gelb als rot und so locker, dass er bis zu den Reitern hochwirbelte. Franzi quälte ein heftiger Hustenreiz.
Bald darauf lag eine flache Sandfläche vor ihnen. Die Verfolger blieben abrupt stehen. Eine Staubwolke bildete sich über ihren Köpfen. Sie schossen noch zweimal in die Luft, dann machten sie kehrt und galoppierten davon.
„Was ist los, warum halten sie an?“, krächzte Franzi verwirrt. Jamil riss hart am Seil, aber es war schon zu spät. Das schwere Tier versank bei jedem Schritt tiefer im Sand. „Was ist das?“, schrie Franzi hysterisch.
„Wir sind im Treibsand gelandet.“ Jamil blickte sich hektisch um.
„Und jetzt? Wie kommen wir hier raus?“, fragte sie mit schriller Stimme.
„Wir müssen absteigen und versuchen, an den Rand zu kommen.“
„Und dein Kamel? Wir müssen es retten!“
„Mir wird schon was einfallen.“ Flink kletterten sie von dem großen Tier und legten sich flach auf den Bauch. Lahthan versank immer weiter. Der Sog des Sandes zog auch Franzi und Jamil ein Stück zurück.
„Ich rutsche zurück“, schrie Franzi panisch und ruderte mit den Armen.
„Bleib ruhig liegen! Sonst versinkst du“, herrschte der Junge sie an. Franzi musste sich dazu zwingen, ruhig liegen zu bleiben. Zentimeter für Zentimeter arbeiteten sie sich vorsichtig voran, bis sie endlich auf festere Sandschichten trafen. Das Kamel steckte bis zum Bauch fest. Es schrie und brummte voller Angst.
Zitternd und hustend warf sich Franzi auf den Rücken und blieb erschöpft liegen. Sie hatten es geschafft, aber was war mit Lahthan, der fest im Sand steckte? Gottseidank versank er nicht noch weiter, die großen Lastenkörbe schienen es wie Schwimmärmel an der Oberfläche zu halten. Jamil setzte sich auf und blickte verzweifelt zu seinem Freund. Ihm wollte einfach nichts einfallen. Franzi schloss die Lider und dachte angestrengt nach, als sie ein Schnauben vernahm. Gespannt riss sie die Augen auf und wurde nicht enttäuscht, denn Svartur stand keuchend neben ihr. Voller Freude sprang sie auf und umarmte ihr klitschnasses Pony. Wieder waren seine Nüstern blutverklebt.
„Du lebst, wie schön. Mein Gott, wie schön.“ Eine heiße Glückswoge durchströmte ihren geschwächten Körper. Jamil blickte mit einem weinenden und einem lachenden Auge zu den beiden.
Wie kann ich nur Lahthan retten? Ohne ihn sind wir so gut wie tot.
Franzi umarmte Svartur gerade wieder, als ihr eine Idee kam. „Vielleicht kann Merlin helfen, Lahthan zu befreien.“ Jamil blickte zweifelnd auf das kleine keuchende Pony, das wahrlich nicht so aussah, als könne es noch irgendjemanden retten.
„Wie glaubst du, soll das funktionieren? Kann er etwa doch zaubern?“
„Wir könnten gemeinsam mit Merlin versuchen, ihn rauszuziehen. Vielleicht klappt es. Lahthan steckt ja nicht ganz drin“, schlug Franzi vor. Der Junge bezweifelte es, meinte dann aber: „Was bleibt uns anderes übrig? Wie bekommen wir das Seil an Lahthan?“
„Hier hängt noch das lange Seil an Merlins Trense von vorhin. Das könnten wir nehmen.“ Sie knotete das stabile Seil los und wickelte es in großen Schlaufen auf.
„Ich werde zu Lahthan robben und das Seil an seinem Sattel befestigen“, meinte Jamil mit hoffnungsvoller Stimme. Schon wollte er sich auf den Treibsand legen. Aber Franzi hielt ihn zurück.
„Warte! Ich muss dich sichern.“ Sie nahm ihren Turban vom Kopf und wickelte ihn ab. „Gib mir deinen auch! Ich knote sie zusammen und binde sie an deinen Gürtel, so kann ich dich wieder rausziehen, falls du versinkst.“ Jamil nickte und fing an, den weißen Tuchstreifen abzuwickeln. Franzi beobachtete ihn gespannt. Endlich würde sie sein Antlitz sehen. Schon bald kamen dunkle Locken zum Vorschein und kurz darauf ein attraktives Gesicht. Franzi starrte Jamil mit offenem Mund an.
„Was ist?“, fragte der dunkelhäutige Junge, dem das peinlich war. Franzi konnte es nicht glauben: Jamil sah genau so aus wie Olli, nur mit dunkler Haut und dunkleren Haaren und Augen.
„Ich ..., äh, du ...“, stotterte sie. Jamil blickte nervös zu seinem Kamel. „Später, okay? Jetzt lass uns bitte Lahthan befreien.“ Franzi nickte, ohne ihren Blick von dem Jungen abzuwenden. Ihr Herz pochte vor Aufregung. Das konnte doch nicht wahr sein.
Deshalb kamen mir seine Stimme und die Augen so vertraut vor. Sie trat hinter ihn und band das Tuch an seinem Gürtel fest.
„Okay?“, fragte er, als er einen Ruck spürte.
„Du kannst los.“ Rasch legte der Junge sich auf den Bauch und robbte zu seinem Kamel. Dort knotete er fürsorglich das Seil am Sattel fest und robbte wieder zurück. Dabei versanken seine Beine im Sand.
„Du musst ziehen, ich versinke“, befahl er beunruhigt. Franzi zog so fest sie konnte an dem Tuchstreifen. Der Knoten zog sich zusammen.
Hoffentlich löst sich der Knoten nicht, dachte Franzi besorgt und zog nicht mehr aktiv, sondern hielt nur dagegen. Mit vorsichtigen Bewegungen konnte sich Jamil aus den saugenden Fängen des Treibsandes befreien. Endlich lag der Junge wieder auf festem Grund. Franzi drückte ihn herzlich.
„Wir müssen Lahthan befreien“, lenkte er, peinlich berührt, ab. Sie löste die Umarmung und legte rasch dem Wallach den Sattel auf den Rücken. Jamil wickelte das Seil um Svarturs Brust und um den Sattel. Franzi faltete den Stoff des Turbans zusammen und stopfte ihn unter das Seil, das über Svarturs Brust lief, damit es nicht einschnitt.
„Gut, du ziehst hinten mit und ich bleibe hier!“, bestimmte Franzi und forderte das Pony auf, loszulaufen. Svartur lief ein paar Schritte, bis das Seil sich spannte, und blieb dann stehen. Seine Atmung hatte sich immer noch nicht normalisiert.
„Nein, nicht stehen bleiben, komm weiter!“, befahl sie. Das Pony setzte wieder an. Jamil zog mit aller Kraft mit, aber das Kamel bewegte sich keinen Millimeter. Es war wie verhext. Nach ein paar Fehlversuchen gaben sie schweißüberströmt auf.
„Es hat keinen Wert. Merlin schafft es nicht“, keuchte Jamil gerade frustriert, als ganz in ihrer Nähe ein Schuss abgefeuert wurde. Der Schreck durchzuckte Mensch und Tier. Das Pony bäumte sich auf und zog dann mit aller Kraft an. Gleichzeitig ruderte das Kamel panisch mit seinen langen Vorderbeinen. Lahthan schaffte es, ein Stück weit aus dem Sand zu kommen. Svartur und Jamil legten sich so ins Zeug, dass das eingesunkene Tier bald darauf Halt fand und unter größter Anstrengung hinausklettern konnte. Durch den plötzlichen Ruck fielen Franzi und Jamil kopfüber hin.