Regina Stanz

Gruppensex, Lust und Hingabe


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so einfach war es nicht. Unter Acid konnte ich manchmal die verrücktesten Dinge tun. Ich fürchtete mich davor, sie auf zu fordern zu gehen, fürchtete mich, dass sie nein sagen würden, dass sie uns zusammenschlagen würden, mich, Bridget, Fips.

      „Ich habe Schäferhunde ausgebildet“, sagte der U-Boot-Kapitän oder doch nicht?

      „Ich möchte mit Lukas ficken“, flüsterte mir Isabell ins Ohr, „aber er möchte nur Nina rammeln.“

      „Schmerz ist gut für dich“, sagte Tobias. „Du musst lernen, ihn zu überwinden. Verwandle Schmerz in Genuss, und du wirst ihn überwinden. Das ist die höchste Form menschlicher Entwicklung. Schmerz ist gut für dich. Versuche es ein wenig, langsam, wie guter Wein...“

      „Sag ihnen doch, dass sie verschwinden sollen“, forderte mich Bridget noch einmal auf. „Möchtest du, dass ich es für dich mache?“

      Wollte ich es? Wurde ich masochistisch? Wogen von Selbstbeschuldigungen überschwemmten das Deck. Der Steuermann wurde wütend.

      „Hey, lasst die Ruder im Wasser“, schrie er. „Ich bin auf eurer Seite.“

      „Ja! Vielleicht ist sie doch in Ordnung“, brüllte einer der Ruderer. „Lasst sie lieber zum Teufel gehen, bevor wir alle ertrinken.“

      „Aber ich kann jetzt nicht weg“, sagte der Steuermann.

      „Du bist abgesetzt“, brüllten die Ruderer. „Nimm Bridget und Fips und verschwinde von hier.“

      Sollte ich ihnen das Appartement überlassen? Sie würden alles zerstören oder mitnehmen, meinen Laptop, meine Manuskripte... Isabell möchte möglicherweise die Schachtel zurück.

      Was war wichtiger, die Gesundheit oder der Besitz?

      „Du bist eine dumme kleine Fotze“, sagte irgendjemand zu Bridget.

      Los, los, los, los! schrien die Ruderer und drohten lautlos. Ich habe eine Idee, sagte der Steuermann. Sie ist allerdings etwas kompliziert...

      „Verrückt“, sagte Bridget zu mir, nachdem ich sie ihr erzählt hatte.

      „Bitte frag mich nichts mehr, ich bin verrückt, acid-verrückt. Ruf ihn an, dann kommen wir hier raus, ich, du und Fips.“

      Sie sollte Gabriel Kreisbach anrufen. Es war ein meisterhafter Plan, genial. Gabriel nahm niemals irgendetwas. Er war eine prinzipienfeste Persönlichkeit, konservativ und innerhalb der Gesetze. Das war seine Art, und darin fand er auch seinen persönlichen Wert. Genau richtig, um solche Spinnereien zu beseitigen.

      Bridget bekam Gabriel an den Apparat. Ich kann mich allerdings nicht mehr daran erinnern, was sie zu ihm gesagt hat, aber nach zwanzig Minuten klopfte es an die Tür. Er trug ein leuchtend rotes Sporthemd.

      „Die Tiroler Berge“, kicherte ich hysterisch und schlug ihm dabei zutraulich auf die Schultern.

      Ich zog ihn zur Seite und versuchte ihm so gut, wie es mir im Augenblick eben möglich war, zu erklären, dass er meine Wohnung bewachen sollte.

      Zuerst fuhr er mich verärgert an und dachte wahrscheinlich, dass ich ihn auf den Arm nehmen wollte. Bridget hatte ihm gesagt, dass ich gerade auf einem Trip sei und dass es wichtig sei, alles andere würde sie ihm später erzählen. Wir holten Fips vom Sofa und gingen anschließend hinaus.

      „Hey, wo wollt ihr denn hin?“, rief Lukas uns nach.

      „Schnell einmal die Bucht umsegeln“, brummte ich über meine Schulter.

      Freiheit, eine Taxifahrt zu Fips Wohnung - Bridget wie ein zerbrechliches Ei in meinen Armen - und für den Rest der Nacht in relativer Sicherheit. Bridget und ich schliefen auf der Couch.

      Fips blieb fast die ganze Nacht wach und hörte seine Lieblings-CDs. Er genoss jetzt seinen Trip und erzählte mir, dass ihn die Typen in meiner Wohnung ziemlich beunruhigt hätten.

      „Ich habe ihnen nicht zugehört - hatte mit mir selbst genug zu tun.“

      Ich fürchtete mich, in meine Wohnung zurückzukehren. Als ich ankam, war alles nicht so schlimm, wie ich gedacht hatte. Gabriel schlief auf der Couch. Nachdem ich mir einen kurzen Überblick verschafft hatte, stellte ich nur das Fehlen von einigen CDs fest.

      Es brauchte eine lange Woche, bevor ich mich wieder ganz von diesem schlechten Trip erholt hatte. Einmal war ich nervös, dann wieder lethargisch und brachte nichts zustande. Ich arbeitete gerade an einer Geschichte, aber es gelang mir nicht viel - beinahe hätte ich das Manuskript weggeworfen.

      Am frühen Sonntagmorgen läutete mein Handy. Es war Flora.

      „Savio?“

      „Ja, was gibt‘s?“

      „Pless und Nina sind tot.“

      Stille.

      „Was ist denn geschehen?“

      „Ein Autounfall... Sie fuhren nach Frankreich, nachdem sie mich hier in Genua abgesetzt hatten. Pless hatte meine Handynummer in der Tasche, und die Botschaft rief mich an, wohin man die Körper überführen sollte...“

      „Bist du sicher, dass es die beiden waren?“

      „Ja, die Dame aus der Botschaft hat sie mir beschrieben.“

      „Mein Gott... Erzähl mir doch nochmals, wie es passiert ist.“

      „Ihr Wagen hat sich überschlagen, auf einer schmalen Landstraße, glaube ich. Sie hat nicht viel mehr zu mir gesagt, nachdem sie erfahren hatte, dass ich keine Verwandte bin. Sie wollen wissen, wohin man sie überfuhren soll. Ich gab ihr die Namen und Adresse von Plesss Familie.“

      „Flora... Bist du sicher, dass es ein Autounfall war?“

      „Die Frau hat es wenigstens gesagt; der Wagen hat sich überschlagen.“

      Ich fand in der Zeitung eine kleine Notiz: Sohn eines bekannten Nachrichtenmoderators mit seiner Frau während einer Urlaubsreise tödlich verunglückt.

      Ich rief Plesss Familie an, um den Ort und die Zeit des Begräbnisses zu erfahren, aber das Mädchen wollte mir keine Auskunft geben, und sie wollte mich auch nicht mit seinen Eltern sprechen lassen. Ich glaube kaum, dass ich ihm beigewohnt hätte, aber vielleicht hätte ich Blumen oder etwas Ähnliches hin gesandt.

      Anfänglich kam mir Plesss Tod so unwirklich vor, so unendlich weit entfernt wie der Tod eines Schauspielers im Fernsehen. Ich schien wie durch Elektronen von einer grausamen Wirklichkeit getrennt zu sein, durch den Kontinent überspannende Kabel und Sendesignale; ich fühlte überhaupt nichts.

      Mein Intellekt wusste es zwar, nicht aber mein Gefühl. Es war ein statistischer Tod: (1) Mein Nachbar im Untergeschoß hatte für immer sein Appartement geräumt. (2) Zwei Menschen, die bisher einen bestimmten Raum in meinem Leben eingenommen hatten, waren nicht mehr da, weg für immer; alle Fragen an sie würde man in Zukunft in der Vergangenheitsform formulieren müssen, Vorstellungen nur noch, die sich an einer verflossenen Wirklichkeit orientieren konnten, vielleicht auch phantastische Imaginationen, auf jeden Fall - vorbei.

      Information ohne Gefühl ist gleich der Trennung durch den Tod, die Abwesenheit eines Bildes, ein Vakuum in der gewohnten Kommunikation.

      So empfand ich es am Anfang. Kein Schmerz, nichts. Ich lief durch die Straßen und suchte nach ihnen, nach dem Begräbnis - ich fand nichts.

      Es ist der Schock, sagte ich zu mir selbst, der abstumpfende, schützende Schock nach einem harten Schlag. Aber ich war weder geschockt noch empfand ich einen Schmerz. Ich war nur verwirrt, aber irgendwo in mir verbarg sich etwas Angst, weit entfernt, nicht greifbar, vielleicht etwas Melancholie.

      Pless war tot, und alles, was er hinterlassen hatte, war ein Vakuum. Es fiel mir in jenen Tagen schwer, etwas Vernünftiges zu Papier zu bringen. Plötzlich wurde ich unbändig hungrig - ich wollte mich vollfressen, mich besaufen mit Wein, viel Wein und ficken, ja, vor allem wollte ich ficken. Ich wollte die vibrierenden Wände einer Fotze um meinen Schwanz spüren, den lüsternen Geschmack einer