Norbert F. Schaaf

Afghanistan Dragon


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Schaaf

      AFGHANISTAN DRAGON

      Mohnanbau und Opiumschmuggel

       im Nordosten Afghanistans

      Roman

      Afghanistan Dragon - Opiumthriller

      Norbert F. Schaaf

      Copyright 2011 Norbert F. Schaaf

      published at epubli GmbH, Berlin

      www.epubli.de

      Titelillustration: nailiaschwarz / photocase.com

      ISBN 978-3-8442-1189-4

      Vorwort / Warnsatz:

      Dieses Buch ist geeignet, dass sich in ihren Gefühlen gewisse Leute verletzt fühlen könnten: Drogenhändler, Geheimagenten, Militärs, Manager, Politiker sowie Fundamentalisten unterschiedlicher Religionen. Gleichwohl sind alle handelnden Figuren rein fiktiv und Ähnlichkeiten mit Realpersonen rein zufällig. Das Nachwort indes ist kein unwichtiger Bestandteil des vorliegenden Buches.

      Vorspann

      Sanaubar richtete sich auf.

      Sie biss die Zähne zusammen, die linke Faust in die Hüfte gestemmt. Schmerzvolle Stiche bohrten sich ihr wie mit rasiermesserscharfem Krummdolch ins Rückgrat. Diese Qualen waren ihr alltägliche Erfahrung, doch an sie gewöhnen würde sie sich nie. Den dritten Tag schon war sie auf dem Mohnfeld. Größer gewachsen als die meisten anderen Frauen musste sie in stark gebückter Haltung arbeiten. Nur so vermochte sie mit dem kleinen, gekrümmten Messer jene haarfeinen Schnitte in die Kapseln zu ritzen, aus denen ganz allmählich, im Verlauf etlicher Stunden, die weiße, sämige Milch herausquoll.

      Sanaubar war geschickt im Anritzen der Mohnkapseln. Doch bekam man klebrige Finger dabei, die Sonne versengte einem das Gesicht und den Nacken wie ein Brandeisen. Selbst mit einem grobmaschigen Gitternetz als Sehschlitz einer Burka wäre die Arbeit nicht zu vollbringen. Das mandeläugige Mädchen in gelber hijab, dem Kopfschleier, hatte sich daher mit einer Mischung aus Hühnerblut und Erde eingerieben, doch auch das hielt die weißglühend vom Himmel herab stechenden Lichtstrahlen nicht völlig ab, die ihr die Augäpfel zu verschmoren drohten. Und doch war diese Arbeit noch die weniger unbequeme; jene Frauen, die einen Tag nach dem Anritzen den geronnenen Saft von den Kapseln abschabten und in kleine Blechdosen sammelten, waren weitaus schlechter dran. Die schwarzoxidierte Masse war widerspenstig, ab und zu fiel ein solches Klümpchen auf die Erde, wenn man schon glaubte, es an der Klinge zu haben. Dann war die Mühe umsonst gewesen. Es nützte nichts, das Klümpchen aufzuheben, denn daran klebten Erde und Pflanzenteilchen, die die Masse verunreinigten und im Wert minderten. Andernteils murrten die Männer, wenn die Frauen am Abend ihre Büchsen nicht gefüllt hatten.

      Das Feld, auf dem die Frauen arbeiteten, lag eine gute Stunde von Karambar entfernt, auf einer schwer zugänglichen Hochfläche, die sich schroff, steil bis abschüssig, zwischen felsigen Hängen der kälteblauen Berge wie ein am Hang ausgerollter bemalter Filzteppich erstreckte. Es hatte zwar genügend Wasser, doch nur karges Erdreich. Hier in der Bergregion des nordöstlichen Afghanistan gab es nicht viel bebaubaren Boden. Ein Feld wurde bestellt, solange es eine Ernte versprach, ehe man es brachliegen ließ, bis es wieder eine niedere Vegetation zeigte. Hatte diese eine gewisse Dichte erreicht, drosch man sie zusammen und grub Gezweig, Laubwerk und Binsengras unter. Dadurch gewann der Boden gerade so viel Kraft, dass er erneut bestellt werden konnte, freilich nur für eine kürzere Periode als zuvor.

      Vorwiegend wurde Mohn angebaut, seit unerdenklichen Zeiten schon. Die rosa oder malvenfarbigen Blüten bedeckten beinahe jedes Stück verwertbaren Bodens im Gebirge, im Bergwind wogende Blumenmeere. Der Mohn vertrug die Sonne, aber auch die Kälte der Nächte und kam mit wenig Feuchtigkeit aus. Und er war seit unzähligen Generationen das einzig gewinnbringende Tauschobjekt der Gebirgsbewohner. Sicher könnte man Trockenreis ziehen, man tat es auch in bescheidenem Umfang in unmittelbarer Nähe der Ansiedlungen, doch man brauchte zum Leben auch Öl und Salz, Geschirr und Werkzeug, Seife und elektrische Geräte, Brennstoff für die Lampen und Öfen sowie Kattun, um sich zu kleiden, und vieles mehr. Dies alles konnte man in den Tälern eintauschen gegen Opium. Ein einziger Sack voll brachte Salz und Öl für ein ganzes Jahr. Das klebrige, bräunliche Rohopium war deshalb für die Bergbewohner von jeher das Gold unter allen Erzeugnissen.

      Die Menschen aus den Bergen interessierten sich nicht dafür, ob ihre Ware für medizinische Zwecke verarbeitet wurde oder als illegal hergestelltes Heroin in die Hände von Süchtigen geriet. Sie hatten die Mägen ihrer Kinder zu füllen. Niemand sonst tat das. Jede Regierung in Kabul hatte zwar schon vor einigen Jahren und wiederholt den Handel mit Opium verboten, doch das war eine Anordnung, um die sich in den Bergen niemand scherte. Wovon sollte man leben, wenn nicht vom Opium? Die Regierung gab keinen Reis. Sie ließ auch kaum Straßen bauen, die in die Berge führten, damit die Bewohner andere Produkte in die Täler transportieren könnten. Die wenigen, die es nun gab, waren zwar asphaltiert, jedoch viel zu unsicher, um sie regelmäßig zu benutzen. Der Regierung war es gleichgültig, ob in Karambar die Kinder hungerten oder nicht. Die Staatsmacht bestand nur aus Stammesfürsten und Kriegsherren, die an dem Handel mit dem Rohopium zumeist beteiligt waren.

      1

      Sanaubar dehnte und reckte und streckte sich. Die Gebirgswelt in der Weite um sie herum wirkte überwältigend, wenn sie aber auf den Erdboden herabschaute, herrschten Kargheit und Härte vor, die Natur und Klima der felsigen, zerklüfteten Landschaft eingeprägt hatten. Freilich sollte niemand sich täuschen: Das Gebirge gab sich einmal sonnig-heiter, ein andermal eisig-schroff.

      Seufzend machte sich Sanaubar wieder an die beschwerliche Arbeit, ohne ihre grübelnden Gedanken verbannen zu können. In Karambar machte sich niemand Illusionen über die Regierung. Wer sich auf sie verließ, war verloren. Der Präsident, eine vom Ausland eingesetzte Marionette in der albernen Mischkleidung aus verschiedenen Trachten einiger Landesstämme, redete ab und zu von der Notwendigkeit, etwas für die arme Bergbevölkerung zu tun, doch alles sah danach aus, als könnte er seine Herrschaften von dieser Notwendigkeit nicht überzeugen – falls er es überhaupt versuchte. So blieb alles beim Alten. Vor einiger Zeit war manches geändert worden, nachdem die ersten Flugzeuge der Briten und der Deutschen, vor allem jedoch der US-Amerikaner über den Bergen erschienen waren. Zunächst waren sie verschwunden, doch bald wiedergekehrt. Vielfach mit Hubschraubern, die keine Landebahn benötigten. Rasch war eine Militärinvasion daraus geworden. Mit ihr war eine neue Händlerschaft erstarkt, die nach allmählicher Verdrängung der bisherigen Aufkäufer in den Tälern wohnte und meist für die Kabuler War Lords und Kriegsgewinnler oder andere Schieber arbeitete. Diese neuen Händler sprachen englisch und trugen saubere, frisch gebügelte Uniformen. Sie brachten in ihren Flugmaschinen Säcke und Kisten mit erstaunlichen Dingen noch in den letzten Winkel des Landes: von der Taschenlampe mit eingebauter Wasserwaage über den Zimmerspringbrunnen bis zum Modell eines Hexenhäuschens, und die Bergbewohner fanden es günstig, dass sie ihr Rohopium nicht mehr mühsam über die halsbrecherischen Pfade in die Täler transportieren mussten.

      Es hatte den Anschein, als sei der Wohlstand in die Berge eingezogen. In den Lehmhäusern brannten am Abend helle Benzinlampen, die Kinder aßen Fleisch aus Dosen und tranken Milch, die als Pulver geliefert wurde. Sie naschten von dem Zuckerwerk, das die Fremden verteilten, und die Frauen trugen bunte Kattunkleider. Hier und da spielte ein Radio, flimmerte ein Fernsehgerät. Die Männer hatten Feuerzeuge und Digitalarmbanduhren. Das war jedoch nur eine Weile so gegangen. Heute luden die Fremden kaum anderes aus als Waffen, und die waren für die Leute in den Bergdörfern nutzlos. Zwar verfügten die Männer in Karambar wohl über Jagdflinten, meist sehr alte Exemplare, und sie freuten sich, wenn sie sie gegen neuere Modelle tauschen konnten. Wozu jedoch sollten sie Maschinengewehre oder Granatwerfer brauchen?

      Das Problem löste sich vorerst dadurch, dass bunt zusammengewürfelte Haufen von dozds aus dem nordwestlichen Pakistan über die Grenze kamen. Angehörige der Taliban, die seit ihrem Machtverlust wieder Kleinkriege gegen die eigene Staatsmacht im Lande führten. Für sie waren Maschinengewehre und Granatwerfer nützlich. Sie bezahlten mit Opium dafür. In Karambar lagerten in den Erdgruben unter den Lehmhäusern wochenlang Plastiksäcke, gefüllt mit der braunen Opiummasse, bis die Fremden sie holten und wieder Maschinengewehre dafür brachten sowie Handgranaten, Panzerfäuste und Munition. Nahrungsmittel gab es nur noch selten, die waren angeblich knapp geworden. Nach und nach