ganz recht. Was soll ich noch hier? Alles würde mich verdammt nochmal an sie erinnern."
Noch bevor ich reagieren kann, kommt Steven schnell auf mich zu und haut mir seine flache Hand ins Gesicht. „Was bist du denn für ein weinerlicher Jammerlappen?", sagt er laut. „Alter, du bist ein Mann und keine Tussi, die irgendwelchen widerwertigen Männern hinterherheult!"
Ich sehe ihn unglaubwürdig an und stelle mein Getränk ab. „Hast du sie noch alle?"
Steven verdreht die Augen und klatscht mir noch eine, diesmal auf die andere Wange.
„Alter!" Ich schuppse ihn am Kragen von mir. „Soll ich dich rausschmeißen?" Ich fahre mir mit dem Finger über meinen Kieferknochen und muss feststellen, dass er mich aufgekratzt hat. „Du schlägst wie 'ne Frau, du Wichser."
Er lacht auf. „Wenigstens hörst du endlich auf, dich wie eine aufzuführen. Hör zu. Ich kann verstehen, wenn du nach England abhaust, aber zur Hölle, Aiden, du siehst jetzt schon aus, wie das Elend höchstpersönlich. Brock dir nicht noch mehr Probleme ein, als du sie sowieso schon hast. Willst du die ganze Scheiße einfach so passieren lassen? Du liebst doch Raven, nicht wahr?"
Ich starre ihn nur an. Natürlich tue ich das.
„Dann verdammte Scheiße, musst du ihr das auch zeigen. Sie wird dir glauben, irgendwann wird sie dir glauben, ich schwöre es dir. Sie liebt dich mindestens genauso viel, wie du sie – obwohl ich das nicht nachvollziehen kann – und irgendwann knicken die Weiber immer ein. Wenn du schon Amerika verlässt, dann nur mit ihr! Gib dir meinetwegen jeden verdammten Tag die Kante, aber hör auf so rumzuheulen!" Er trinkt den letzten Schluck seines Biers und stellt es auf die Küchentheke. „Ich hab keine Ahnung, was du jetzt machen sollst, aber scheiße nochmal, hör auf zu jammern. Ruf mich an, wenn du hier raus musst oder Hilfe brauchst, aber verkümmere nicht." Er geht aus der Küche, richtet sich seine Jacke nochmal und öffnet die Tür. „Und jetzt sieh zu, dass du rausbekommst, wo sie ist, du erbärmliches Stück Scheiße. Sei ein Mann!"
Raven
Ich starre an die Decke des Zimmers von Alecs Mitbewohner. Ich fühle mich absolut nicht wohl und das liegt nicht nur daran, dass ich in einem fremden Bett liege. Mein Handy habe ich schon heute Mittag ausgeschaltet, weil ich Angst hatte, dass Aiden mich nicht mal versuchen würde anzurufen. Und es würde mich nur noch mehr quälen, wenn er es einfach so hinnimmt, ohne einen weiteren Versuch zu starten.
Ich schaue nach links auf das kleine Schränkchen neben dem kleinen Bett und sehe auf mein Handy. Die ganze Zeit spiele ich schon mit dem Gedanken meinen Vater anzurufen. Auch wenn ich mir fast sicher sein kann, dass er mehr als wütend sein wird, dass ich meine Chance in London durch Aiden verspielt habe und wir uns nach nicht einmal drei Wochen in New York wieder getrennt haben, will ich einfach mit ihm reden. Früher war er immer für mich da, wieso sollte er es heute nicht sein?
Schließlich greife ich nach meinem Handy und scrolle durch meine Kontakte, wage es nicht mal nachzusehen, ob ich verpasste Anrufe habe. Noch vor meinem Vater sticht mir Aidens Kontakt ins Auge, gleichzeitig ins Herz. Es ist das Beste, wenn ich seine Nummer lösche. Ich sollte alles löschen, was mit ihm zu tun hat. Ich werde sofort nach dem Gespräch mit Dad alle Bilder löschen, alle Nachrichten, alles. Ich muss so tun, als hätte er nie existiert, sonst packe ich das nicht.
Ich versuche eine weniger deprimierte Miene aufzusetzen, als ich mir das Handy ans Ohr halte und dem Tuten lausche. Ich möchte, dass Dad denkt, ich würde mit der Situation zurechtkommen. Es macht es nur noch schwerer, wenn ich auch noch sein schlechtes Gewissen im Nacken sitzen habe.
„Hey, Spätzchen", grüßt er mich glücklich.
„Hi, Dad", versuche ich seine Laune widerzuspiegeln. „Wie geht's dir?"
„Es geht mir gut, wirklich gut. Ich habe mir deinen Rat vom letzten Mal zu Herzen genommen. Ich habe eine Frau kennengelernt. Sie ist toll. Du wirst sie mögen, wenn du mich mal wieder besuchen kommst."
Ich schürze die Lippen. Ich gönne ihm sein Liebesglück, doch es kommt mir gerade ungelegen. „Das freut mich ehrlich für dich."
„Danke." Nach einer Pause, sagt er: „Ist alles in Ordnung? Du klingst erschöpft."
„Es war ein harter Tag", seufze ich.
„Oh, verstehe. Wie geht es denn Aiden? Wie läuft es mit seinem Buch?"
Allein sein Name bringt meine Brust zum Bersten. „Aiden ist ... Wir haben uns getrennt." Ich muss stark klingen.
„Was? Wieso? Was hat er getan?" Dad klingt wütend.
Ich muss schwer schlucken. „Er hat nichts getan", lüge ich. „Es – Es hat einfach nicht funktioniert ... Wir sind zu verschieden."
„Verstehe ... Und du kommst damit klar?"
Nein. „Ja, ich komme damit klar. Es geht mir gut."
„Das beruhigt mich wirklich. Schade eigentlich, denn Aiden war echt ein guter Junge."
Ich schweige. Ja, das war er.
„Und wo bist du jetzt? Ich nehme an, dass ihr nicht mehr zusammen wohnt", sagt mein Vater vorsichtig.
„Ich wohne bei einem Freund in seiner Wohnung. Ich weiß noch nicht, was zukünftig passieren wird."
„Komm zurück nach England."
„Ich kann nicht einfach wieder zurückkommen, Dad. Ich kann nicht ständig das College wechseln ... Das ist alles eine sehr große Belastung."
„Komm wenigstens zu deinem Geburtstag zurück nach England. Ich will nicht, dass du diesen Tag allein verbringen musst. Tante Emma und deine Mutter vermissen dich sowieso."
„Ich kann das nicht bezahlen", erkläre ich traurig. „Aiden hat immer die Flüge bezahlt. Ich weiß nicht mal, wie ich hier in New York um die Runden kommen soll ... Das ist alles ein riesiges Chaos." Ich schlucke den Kloß in meinem Hals herunter.
„Ich bezahle es dir."
„Nein, das kannst du nicht."
„Schatz, ich bezahle es dir. Ich musste jetzt die ganze Zeit, die du in New York warst keine Studiengebühren bezahlen, weil Aiden alles geregelt hat, jetzt kann ich dir auch deinen Flug bezahlen. Es ist das Mindeste, was ich momentan tun kann. Sieh es als kleines Geburtstaggeschenk."
Die Studentengebühren habe ich total vergessen. Dad wird sie wieder bezahlen müssen, weil ich wahrscheinlich wieder in ein Wohnheim ziehen muss. Sein Gehalt war schon immer unter dem Durchschnitt und ich war glücklich darüber, dass er die Gebühren nicht mehr bezahlen musste, aber jetzt ... Alles nur, weil ich so naiv war.
„Es tut mir leid, dass du die jetzt wieder bezahlen musst", sage ich kleinlaut. „Ich werde dir den Flug zurückzahlen. Morgen besorge ich mir sofort einen Job hier in New York und ich werde versuchen, dir alles zurückzugeben."
Er seufzt. „Ravely, ich bin dein Vater. Du musst mir nichts zurückzahlen. Jeder Vater muss für das College seiner Kinder bezahlen, ich sollte keine Ausnahme sein. Außerdem will ich nicht, dass du mit achtzehn Jahren schon ständig arbeiten musst, während ich dir eigentlich helfen könnte. Deine Situation ist natürlich schwerer als gedacht, doch ich mache dir keine Vorwürfe."
Ich lächle leicht. „Danke ... Ich dachte, du wärst sauer auf mich."
„Quatsch. Warum sollte ich sauer sein?"
„Wegen Aiden ... Weil es nicht funktioniert hat."
Kurz herrscht Stille, dann sagt er: „Wir alle machen Fehler, aber wir müssen daraus lernen. Um ehrlich zu sein, hat es mich Stolz gemacht, dass du so selbstlos warst und London für ihn aufgegeben hast. Ich bin mir nicht sicher, ob du das gemacht hättest, bevor du aufs College gegangen bist. Du hast dich sehr verändert was das angeht. Ich weiß nicht, ob ich das damals für deine Mutter gemacht hätte. Aber das steht momentan nicht im Vordergrund. Wichtig ist, dass du deinen Geburtstag hier mit deiner Familie feiern kannst."
Ich bedanke mich bei ihm und entschuldige