Maxi Hill

Laila - Die Farben der Klänge & Verfluchte Liebe


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wusste.

      Mit moralapostelionischer Heuchelei versuchte ich, ein Lächeln auf Connys Gesicht zu zaubern.

      »Ich weiß, du bist nicht gerade eitel, aber du bist sehr mutig, und kannst den Blick in den Spiegel ertragen. «

      »Wenn du alles noch verschlimmern willst«, presste sie heraus, ohne Ausrufezeichen, ohne Punkt. »Dann denke ruhig weiter, was du gerade denkst …!« Sie hob drei Finger zum Schwur, doch ihr Mienenspiel glich schon ein wenig mehr jener Conny, die ich kannte, die beim Orgasmus zwar keine Lieder jauchzte, die aber ihre körperliche Unterlegenheit vor einem Mann mit weiblicher Wortgewalt kompensiert. »Deine Ehrlichkeit ist wie der Schwanz einer indischen Kuh - heilig, aber irgendwie total beschissen.«

      Jetzt kam das Ausrufezeichen. Laut und klar überschlug es sich im Raum und hallte dreifach von den Wänden wider. Wer kann das Weib als solches schon verstehen? Warum wurde sie jetzt so ekstatisch und warum konnte ich mein Lästermaul nicht halten?

      »Hättest du damals in ähnlicher Ekstase einen Orgasmus vorgetäuscht, wäre es mit uns beiden nicht das letzte Mal geblieben. Mir zuliebe hast du dir nicht die Mühe gemacht.«

      Vielleicht war es Tarrach ähnlich ergangen, wer weiß das schon. Ich wendete mich schweigend meinem Monitor zu und erlebte nicht zum ersten Mal das Paradoxon, das ich selbst nicht verstand. Seit ich Laila kannte, gingen mir die anderen Weiber komplett auf die Ketten und Conny sprang gerade mit voller Kraft auf meinen Bremsklötzern herum.

      »Fick du deine indische Kuh, lass mich aber in Zukunft in Ruhe«, schrie sie, versetzte ihrem unschuldigen Bürostuhl einen gewaltigen Stoß und rannte heulend aus dem Zimmer.

      »Versprochen!«, raunte ich ihr hinterher, doch ich musste ziemlich bedeppert ausgesehen haben. Es hatte sich also herumgesprochen, das von Laila und mir. Früher hätte mich das in eine schadenfrohe Höchststimmung versetzt, doch das jetzt ging zu weit. Zum ersten Mal taten mir so dahergesagte Worte sehr weh. Gekränkt vertiefte ich mich in meine Arbeit und war sogar froh darüber, wie stark mich die Qs & As in Anspruch nahmen. Nicht eine einzige meiner grauen Zellen widmete sich der Frage, ob Conny im Begriff war, hier und jetzt ihren vorprogrammierten Suizid zu vollenden.

      In Deutschland sterben zurzeit mehr Menschen an Selbstmord als im Straßenverkehr, das hatte ich gelesen, wusste aber zugleich, dass Männer den Rekord hielten, nicht die Frauen. Lass sie, dachte ich, sie wird zu feige sein. Es traf mich nicht einmal, dass sie mich zu hassen schien. Ich hatte ja nichts mehr mit ihr vor, war die Ruhe in Person und irgendwie begriff ich plötzlich Mamas Erdbeerenpredigt.

       Seit man immer Erdbeeren bekommt, mag ich sie gar nicht mehr. Weißt du noch Matthias, wie du dich gefreut hast, wenn Mama ein Körbchen Erdbeeren erstanden hatte? Und wie die geschmeckt haben, so frisch vom Feld und so natürlich – Nicht wie die heutigen, künstlich hochgezüchteten, luftgepolsterten ...

      Auch ich ertappte mich neuerdings in der geduldigen Warteschleife, bis die natürliche Zeit anbrechen möge, die Laila-Zeit, wie früher die ostdeutsche Erdbeerzeit. Ein bisschen genascht hatte ich ja schon, aber beim Naschen kommt der Appetit.

      Noch bevor die Chefs einrückten, hatte ich meine Vorgabe erledigt und erinnerte mich wieder an Conny, deren Stuhl noch immer verwaist mitten im Raum stand, wohin er nach ihrer wütenden Tirade gerollt war. Ich ging nachsehen wo sie steckte. Wie konnte es anders sein – im Serverraum. Sie lehnte am Pfosten und trauerte den wilden Zeiten mit Tarrach nach. Ihr Körper zuckte, ihr Blick aber hätte jedes Ungeziefer getötet, wäre dies nicht ohnehin der sterilste Ort in der Agentur gewesen.

      »Illusionen sind gefährliche Typen«, sagte ich. Die Worte waren eine einstudierte Hypothese, die ich aus der Tiefe meiner Erinnerungen schöpfte. »Sie tun alles was du möchtest und scheren sich einen Dreck um die Wirklichkeit. «

      Conny warf sich heulend an meinen Hals und jammerte:

      »Vergiss das mit der Kuh, es war nicht so gemeint.«

      Es war schwierig, Conny noch zu mögen, so verheult und unmanierlich wie sie war. Zum Schutz meines empfindlichen Trommelfelles verlor ich kein Wort. Ich zog sie wortlos mit mir aus dem Raum. Früher wäre es nicht bei der unverhofften Umarmung geblieben, wir hatten schließlich unsere Rituale, die im Moment vor der Tugend Platz machten. Die Tugend warnt den Menschen vor Irrwegen – doch die meisten metaphysischen Fragen sind für die weibliche Vernunft unlösbar.

      Soweit die Weisheit, aber inzwischen gab es Laila, und so manche meiner Weisheiten über die Frauen passten einfach nicht mehr. In diesem entscheidenden Moment wünschte ich mir, Laila könnte sehen, wie stark, wie konsequent ich war, doch im Handumdrehen war dieser fromme Wunsch zweitrangig geworden. Unten kamen Galle und Tarrach zur Tür herein. Ich schob Conny vor mir her und drückte sie konsequent auf ihren Stuhl. Galle, wie immer geschniegelt und gebügelt, wallte erhabenen Schrittes an uns vorbei ins Chefzimmer. Es fehlte nur noch eine Mitra und der alte Galle könnte wieder von der Kanzel predigen, von der er sich einst abgewendet hatte. Es war schon komisch. Als er merkte, dass ihm diese Art Verkündigungen nicht lagen, versuchte er es mit Werbung. Jetzt formte er andere Götzenbilder, betete sie an und erwartete von seiner (Rezipienten-) Gemeinde absolute (Produkt-) Ergebenheit.

      Der Tag zog sich hin, aber irgendwie langweilte er mich weniger als die unzähligen Tage vorher in dieser Agentur. Das lag wohl an der Gewissheit, tagsüber ohnehin nicht mit Laila sprechen zu können. Ich nahm mir vor, sie vom Dienst abzuholen, wusste aber nicht so genau, wann das sein konnte und wie ich es anstellen würde. Auch war mir nicht klar, wie Laila darüber denken würde. Ob sie mich liebt? Eine solche Frage wäre mir früher nie in den Sinn gekommen. Ich schämte mich beinahe vor mir selbst. Ich, der sich den Frauen ausschließlich mit der Geilheit eines Heißblütlers genähert hatte, ich sollte, so mir nichts dir nichts, die Unbeschwertheit eines jungen Fohlens aufbringen? Niemals im Leben hatte ich von Liebe gesprochen. Welcher Mann kann daran schon ernsthaft glauben? Ich hatte Liebe gemacht wo immer es ein verborgenes Plätzchen gab, aber ich hatte nie geliebt und bin wohl auch niemals geliebt worden – Oma Hannah mal ausgenommen und Mama und Vater selbstverständlich auch. Im Zentrum eines Wirbelsturmes verführerischer Frauen war ich der Held, der mit vollem körperlichem Einsatz alles umknickte, was ihm beliebte. Darin lag meine wichtigste Daseinsform. Nie hätte ich daran gedacht, mich eines Tages nach Sanftheit zu sehnen, nach Sekunden, die durch nichts außer empfangener Zärtlichkeit in mir ruhen bleiben. Ich hatte auch keine bestimmte Vorstellung davon, wie lange so etwas anhalten konnte. Nur eines war mir klar; all diese absurden Wünsche sah ich in Laila erfüllt. Sie war sanft und gütig und schien mich zu mögen, aber sie war eben nicht von dieser Welt. Ihr Stolz, den sie zuweilen an den Tag legte, und ihre Tiefgründigkeit, machten merkwürdigerweise die erschreckende Erkenntnis vergessen. Zumindest in den normalen Momenten des Lebens mit ihr.

      Ich lief durch die Stadt, die ich aus unbestimmten Gründen verabscheute. Alles hier schien meine Phantasie zu lähmen. Es war also gesetzmäßig, dass ich ein Kind der Nacht geworden war. Der Gedanke, ich könnte eines Tages mit weichen Knien und einem Glückstaumel in meinem Kopf vor eine Frau hintreten, wäre wohl nicht nur mir ziemlich lächerlich vorgekommen.

      Ich nahm den Weg vom Altmarkt zum Neumarkt durch die Marktstraße, direkt auf das Rathaus zu. Es zog mich immer öfter direkt an Lailas Haus vorbei, obwohl ich wusste, dass sie nicht zu Hause war. Ein süßer Duft verwirrte meine Nase.

      »Laila«, packte mich ein unverhoffter Wunsch, sie möge vor Sekunden hier entlang gelaufen sein und ich würde sie im nächsten Moment treffen. Es wäre ein Glücksumstand, sie zufällig zu sehen. Sie könnte keine Absicht vermuten und mir niemals Vorwürfe machen, ihr nachgestellt zu haben.

      Ich hob meine Nase ein wenig, um diese Lieblichkeit zu inhalieren, die ungestört in meiner Erinnerung geschlummert hatte. Mein so erhabener Blick verriet mir schnell und schonungslos den Grund meiner kurzen Verwirrung.

      Wie oft bin ich schon hier entlang gelaufen? Noch niemals hatte ich die üppigen Blütenwülste bemerkt, die blau und gelb von den Fenstersimsen des Rathauses rankten und dem ehrwürdigen Backsteinbau die Freundlichkeit des Sommers einhauchten. Warum sah ich sie an diesem Tag zum ersten Mal? Warum hatte ich die Schönheit der Friedhofspforte vorher nie wahrgenommen? Mein überreiztes