Sara Jacob

Kümmer dich ums Kätzchen


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benutzbar ist.

      »Bestens«, sage ich. »Rauchen wir einen?«

      »Na klar«, murmelt er und fummelt umständlich mit seiner unverletzten rechten Hand seinen Penis aus der Hose. Dabei hält er die linke Hand in Schulterhöhe, als habe er Angst, sich auf den Gips zu pissen. »Erst ne Runde absoften und dann langsam um die Ecke ditschen.«

      4.

      Auf dem Weg durch die Stadt, an der Seite meiner Freunde, im McDonald’s, beim Kiffen im Park lähmt und erregt mich zugleich die Fantasie von einer gut aussehenden Holländerin, die mich anspricht, mich in eine dunkle Ecke zieht und mir den Schwanz aus der Hose holt, um ihn mir zu blasen.

      In der Jugendherberge suche ich die Waschräume auf. Mit steht mein Schwanz seit über einer Stunde. Was war auf dem Kneipenklo passiert, was war mit dem Sperma, das aus der heißen Stange schoss.

      Frank stellt sich beim Zähneputzen neben mich. Er riecht nach Zigarette und summt ein Lied von Phillip Boa. Ich habe Hunger. Wie wäre es, die Zahnbürste zu essen? Platzmangel im Schritt erinnert mich an das dringende Bedürfnis. Ich drücke Frank meine Kulturtasche in die Hand.

      »Ich muss noch aufs Klo. Legst du mir das aufs Bett?«

      »Klar.«

      »Aber nicht aufessen«, sage ich. Frank kichert.

      Ich nehme die erste Kabine, schließe die Tür und greife sofort in meine Hose. Wichsend beuge ich mich über die Toilettenschüssel, bereit für die Erleichterung, als ich leises Flüstern aus einer der anderen Kabinen höre.

      Sekundenlanges Rascheln. Jemand flüstert, eine andere Stimme antwortet flüsternd. Ich kann nichts verstehen. Etwas pocht gegen die Kabinenwand. Keuchen, tiefes Brummen, das Klatschen von Haut auf Haut.

      »Gefällt es dir?«, flüstert eine weibliche Stimme.

      »Ja, mach weiter«, zischt ein Typ.

      Ein rhythmisches Schlagen beginnt, ein Rhythmus der Geilheit, dazu leises Keuchen, unterdrücktes Stöhnen. Meine Freundin ist auf einmal bei mir, sie und der Schwanz im Klo des Coffeeshops, die glatte Eichel, das harte Fleisch. Der harte Schwanz vor meinen Augen.

      Hättest zugreifen sollen, warum hast du es nicht gemacht, warum hast du ihn nicht in die Hand genommen und gewichst. Lust auf das fremde Gleiche. Nicht verboten, das Tabu nur im Kopf.

      Wie damals, damals, kurz vor meinem 15. Geburtstag, als mich meine Mutter im Sommer nach dem Auszug meines Vaters auf eine Freizeit schickte. Mein Zimmergenosse Stefan ließ sich in den Mädchenduschen beim Spannen erwischen ließ und nervte durch ständige Renitenz.

      Albern mit Stefan war ein Abenteuer. Eines Abends reichte er mir die Kopfhörer seines Walkmans. Die Tonspur eines Pornofilms sprengte beinahe meine Hose. In der vierten Woche lag Hitze über unserem Ferienlager. Wir waren die letzten auf dem Weg zum See. Der Flur wie ausgestorben, in der Etage Totenstille. Ich in Badehose, Stefan aufgeregt. Keine Spur mehr von Renitenz.

      Ob ich noch kurz Zeit hätte. Ob ich das T-Shirt auf dem Stuhl hängen, die Shorts noch einmal ausziehen könne. Auf dem Bett, die Badehose sehr schmal, glitten seine Finger an den Innenseiten meiner Schenkel, am Saum meiner Badehose entlang auf meinen Bauch, drehten eine Runde und zitterten an der anderen Seite wieder hinab. Berührung statt blöder Witze.

      Gefiel dir diese Nähe, Daniel? Nähe. Bei dieser Berührung hätte ich zurückzucken müssen. Nähe war nicht mein Ding. Weglaufen kam mir in den Sinn. Zurückzucken. Stefan, im Ferienlager, und ich auf dem Bett nur in Badehose. Nicht weglaufen, nicht zurückzucken.

      Ich spüre bei geschlossenen Augen den Druck auf der Zunge, die Eichel ist heiß und trocken. Der Schwanz gleitet in meinen Hals, voll und schwer und geil. Stefans zuckender und gegen meinen Gaumen spritzender Schwanz.

      Wie geil wäre es gewesen, diesen Schwanz zu lutschen, zu lecken. Das Pärchen in der Nebenkabine fickt immer polternder. Die Stöße werden schneller, das Pochen zu einem Stakkato. Wimmern wird zu einem Stöhnen. Klatschen von Haut auf Haut, nasse Finger quietschen. Meine Zunge gleitet an der Unterseite des langen Schwanzes herab. Meine Lippen schließen sich um Stefans Rohr.

      Ich sauge an der Eichel, schiebe mir das pulsierende Stück tiefer in den Mund. Die Eichel am Gaumen, die Lippen fest um den Schaft geschlossen. Du Idiot. Warum hast du die Gelegenheit verpasst? Warum hast du nicht wenigstens zugegriffen? Langsam ziehe ich den Schwanz aus meinem Mund, bis ich die Kerbe der Eichel an den Lippen spüre.

      Schon reicht es mir. Wir kommen zusammen. Der Typ und ich. Kein Wunder. Ob sie auch kommt? Synchron zum Höhepunkt in der Nachbarkabine spritze ich meinen Saft in die Toilettenschüssel. Noch vor dem Paar in der anderen Toilette verlasse ich meine Kabine und gehe befriedigt ins Bett.

      Ein paar Minuten später kommen Fabian und Gregor in den Schlafsaal. Wir lachen noch ein wenig zu viert, um elf Uhr wird das Licht gelöscht.

      Sieh mal an

       1.

      Zwei Stunden von Amsterdam nach Brüssel. Im Zug spielen wir Skat, das heißt: Frank, Fabian und Gregor spielen, weil ich zu schlecht bin. Katja und Maike unterhalten sich über die Schule, über Lehrer.

      In Brüssel haben wir nur eine Nacht gebucht. Ausreichend, um das Atomium, Manneken Pis und das Rathaus anzusehen. Von mehr haben wir keinen blassen Schimmer. Keiner hat an einen Reiseführer gedacht. Wir wollten uns die Informationen vor Ort holen und stoßen auf das Offensichtliche. Kein Geheimtipp, kein Sonderweg. Wir laufen in den Fußspuren Millionen anderer Touristen.

      Die Jugendherberge, die ziemlich weit außerhalb liegt, hält nicht wie vorgesehen ein Familienzimmer für uns bereit. Wir müssen uns nach Geschlechtern aufteilen.

      Mit uns sind noch ein paar Engländer abgestiegen, die mit viel Alkohol bewaffnet in den Fluren herumlaufen, als habe jemand eine Pille gegen den Kater erfunden. Katja und Maike tuscheln, verschwinden im Zimmer und tauchen kurz darauf wieder auf. Warum müssen Frauen immer tuscheln und ständig auf die Toilette?

      Während wir auf Katja warten, zieht sich Maike ihr enges T-Shirt glatt, bis jeder Engländer auf dem Flur die Nähte ihres BHs erkennen kann. Über dem Bund ihrer Jeans wöben sich Speckröllchen. An ihrer Stelle würde ich weite Sachen anziehen.

      »So eine scheiß Jugendherberge«, entfährt es mir. Maike sieht mich überrascht an.

      »Die ist doch toll. Und billig.«

      »Man kann sich alles schönreden.«

      »Warum bist du eigentlich so negativ? Sieh es doch mal positiv.«

      Ich lache. Ich kann nicht anders. Ich erinnere mich nur an das Negative, an das, was mir peinlich ist. Das verfolgt mich immerzu. Als ich im Unterricht das Falsche gesagt habe, als ich nicht zu fragen wagte, ob ich auf Toilette gehen dürfe, als ich in der Silvesternacht verprügelt wurde. Ich stell mir dann vor, was ich anders machen würde. So wie Judith und. Was noch? Frau Döring, meine Nachbarin. Und die Sache im Ferienlager. Und Anja. Hätte ich doch.

      »Ich bin nicht negativ. Ich bin nur Realist«, sage ich. »Das Leben ist nun mal Scheiße. Und wenn du Scheiße rosa anmalst, bleibt es immer noch Scheiße.«

      Schließlich kommt Katja aus der Toilette. Dumme Nuss. Warum braucht die so lange?

      Brüssel wirkt auf mich wie eine einzige Spekulationsruine. Unfertig, grau, trist und ungemütlich. Meine Jeansjacke müht sich vergebens, mich warm zu halten.

      »Hier hoffen alle, dass die EU irgendwann Gebäude kauft. Deshalb investiert hier niemand mehr. Die warten alle die Preissteigerungen ab«, sagt Gregor.

      »Ich denke, das heißt EG?«, fragt Fabian.

      »In den Maastrichter Verträgen vom 1. Februar ist beschlossen worden, die europäischen Gemeinschaften unter dem Verbund der EU zusammen zu fassen.«

      »Ab jetzt?«, fragt Frank. Gregor starrt hinaus auf rostbraune Klinkerbauten, in denen bestimmt niemand mehr wohnt,