Sara Jacob

Kümmer dich ums Kätzchen


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      »Und wieso redest du dann jetzt schon von der EU?«, fragt Maike.

      »Weil er ein Klugscheißer ist«, sagt Fabian und grinst dabei.

      »Weil ich von der Zukunft rede. Ich sagte: Die EU kauft irgendwann die Gebäude«, rechtfertigt sich Gregor. Ich interessiere mich mehr für das Atomium, das am Ende der Haltestelle Heyzel steht. Heyzel? Ist das nicht der Name eines Stadions? Gregor weiß die Antwort. Maike weiß nicht, wofür das Atomium steht, Gregor weiß es. Sie weiß auch nicht, wann es gebaut wurde. Er schon.

      »So was muss man sich auch nicht merken«, sagt Fabian.

      »Man muss sich gar nichts merken«, sagt Frank und dreht sich einen Joint.

      Schon gar nicht, wer das Manneken Piss geschaffen hat und warum es in verschiedenen Kostümen auftritt. Wir aalen uns in unserer Unwissenheit und finden nichts Schlimmes dabei. Brüssel sehen und vergessen, einmal kurz da und schon wieder weg. Warum auch nicht, wenn Frank die Taschen voller Gras hat.

      Frank sagt: »Los, ne Runde absoften...«, und wir machen das in einem Park in der Nähe der Jugendherberge. Anschließend ditschen wir um die Ecke. Wer zum Teufel ist Henry Frick? Warum hat man nach ihm einen Park benannt?

      »Egal«, sagt Gregor und ich mag ihn dafür, dass er einmal etwas nicht weiß oder wenigstens nicht so tut, als wüsste er es. »Ich bin ohnehin dafür, wir sollten den Park in Joint-Garten umbenennen.«

      »In die Bobel-Anlage«, schlägt Frank vor.

      »In den Barz-Park«, sage ich. Maike saugt umständlich an der Tüte und Katja lehnt wieder einmal höflich ab. So kommen wir doch nicht weiter. Vor allem sie nicht.

      Und bei Sonnenuntergang setzt dann der Höhenflug ein. Wir kichern uns an, sitzen auf einer Parkbank, spüren uns, sagen nichts und verstehen alles. Atemlose Oberfläche.

      Aus Franks Ghettoblaster dröhnt wieder einmal Fury in the Slaughterhouse. Ich gucke durch das Plastikfester auf die rotierenden Spulen. Pure Live steht drauf und das Lied, das wir immer wieder hören, beginnt mit einem Mann, der eine Fliege fängt. Gregor erklärt wieder einmal die Songtexte. Drogenschmuggel, sagt er, und DEA. Schon okay. Sein Englisch ist einfach besser, weil er ein Austauschjahr in den USA gemacht hat. Fabian hat es nicht gesagt, aber ich glaube, er beneidet ihn auch darum.

      Wir sind ein Herz und eine Seele, wenn wir nicht viel reden. Vielleicht hat sich in den letzten Monaten unser Verhältnis etwas gespannt. Das liegt sicher daran, dass er mit Maike zusammen ist.

      Als ich ihn einmal fragte, wie es so sei, mit Maike im Bett, blieb er wie immer wortkarg. Kino ist daher unsere natürliche Verbindung, unser Klebstoff, die gemeinsame Welt. Dann tauchen wir ab in die Realität von Bruce Willis und Batman, von Steve Martin und Indiana Jones. Nichts ist erregender als ein Besuch im Kino. Wir gehen mindestens einmal pro Woche in die neuesten Filme.

      Statt Poster von Popstars hängen in meinem Zimmer Filmplakate von Predator, Lethal Weapon, Zurück in die Zukunft, Platoon. Im Regal sind die Cinema-Hefte aufgereiht, die Filmlexika und Bücher über die besten Filme aller Zeiten, in meinem Bettkasten stapeln sich Videos. Ganz sicher macht mich Hollywood glücklicher als Burghausen.

      Frank, den Maike nur Koffer nennt, Koffer von Trelkowski, bekommt einen Dreitagebart. Wieder verschwindet Katja in der Jugendherberge.

      »Sie hat ihre Tage«, flüstert mir Fabian ins Ohr. Als ob ich so eine Information brauche. Dieses Wissen belastet nur. Kurz darauf ist Katja wieder da. Ich verdränge den Gedanken an blutige Binden, Tampons, Slipeinlagen, Körperflüssigkeiten. Nichts ist unerotischer. Der Verkehrslärm verebbt hinter den Bäumen. Der Joint kreist unverdächtig. Ich bin so frei, so cool. In Brüssel, mit Fabian und Frank und Maike und Katja und Gregor. Wir sechs zusammen auf Tour, ohne Eltern und Kontrolle.

      Wenn mich jemand fragen würde, wo mein Zuhause ist, würde ich immer wieder sagen: Dort, wo meine Freunde sind. Meine Mutter hat mir eine solche Aussage schon einmal übel genommen, als eine Frau vom Jugendamt bei uns war und fragte, wo ich wohne wolle:

      Bei meiner Mutter oder bei meinem Vater. Ich sagte, ich würde gerne weiter in meine Schule gehen und bei meinen Freunden bleiben. Meine Mutter sah mich mürrisch an. »Und was ist mit mir?«, fragt sie. Ich grinste verlegen.

      »Ja, natürlich. Und wegen dir.« Mein Blick ging zur Frau vom Jugendamt. Sie sah mich an, und ich glaubte, ein leichtes Nicken zu erkennen.

      Meine Mutter sprach danach eine Woche lang nicht mehr mit mir.

      Der Joint ist aufgeraucht.

       2.

      Der Himmel ist klar, Schäfchenwolken leuchten rot im Sonnenuntergang. Ich lache uns zurück in die Herberge, wo die Engländer grölend durch den Flur torkeln. Mein Handrücken brennt. Die Blase ist da. Egal. Jetzt weiß ich, wie es sich anfühlt.

      Auf dem Rückweg vom Waschraum kommen mir Fabian und Maike entgegen. Hand in Hand. Mit Handtüchern über der Schulter. Maikes Titten mit Brustwarzen wie kleine Murmeln hüpfen unter ihrem engen T-Shirt über den Speckröllchen über den breiten Hüften.

      Ich habe ein paar Jahre zuvor auf dem Rückweg von einer Party ein einziges Mal mit Maike geknutscht, da war ich 16 und sie 14, doch ergeben hat sich daraus nichts. Es war zwischen uns, als hätte der Kuss nie stattgefunden. Maike grinst wie Meg Ryan, und mit den kurzen, blonden Haaren sieht sie auch beinahe aus wie sie, nur fünf Kilo schwerer.

      Und wie Meg Ryan kann sie nicht lüstern grinsen, das geht nicht, kein Mädchen, das ich kenne, ist dazu in der Lage. In meiner Klasse ist Sex oder Erotik geschweige denn Pornografie kein Thema. Kein Junge liest Pornos, keiner beichtet, wie häufig er sich einen runterholt oder wie es ist, Sex zu haben.

      Nur die große, überschlanke Melanie stellt im Biounterricht viel zu offensive Fragen, fragt nach der analen Phase bei Kleinkindern und schreibt zum Abschied einer Mitschülerin Gedichte wie: »Losgelöst vom Klassenboden knetet Koffer seine Hoden« oder »Sehr versaut ist auch Daniel Koch, sagt’s zwar nicht und ist es doch.« Aber Melanie ist mir zu aufdringlich, zu fordernd, zu groß und zu rothaarig.

      Die Haare zu glatt, die Sommersprossen zu dicht, die Brüste zu klein, die Hemden zu weit. Außerdem weiß sie gar nicht, wie versaut ich bin, zu versaut für sie. Was ich weiß, wird sie niemals erfahren. Mehr als einmal habe ich sie erfolgreich abgewimmelt, als sie nach der Schule zu mir kommen wollte, um zu lernen oder Video zu gucken.

      »Viel Spaß«, sage ich, die beiden kichern nur. Diesmal kein Wichsen im Klo. Ich brauche Sex mit mir an der frischen Luft. Das letzte Licht schwindet. Ich warte ein Auto ab und überquere die breite Straße. Der Bobel-Park liegt jetzt dunkel und still.

      Nur eine Laterne auf der Straße wirft gelbes Licht. Nach ein paar Schritten scheint nur noch der Mond über mir. Eichen, Weiden und Erlen in schwarzblauen Schatten. Unter meinen Schuhen knirscht der Kies.

      Mit einem großen Schritt steige ich über ein Rosenbeet und lasse mich von der Dunkelheit zwischen hohen Büschen verschlucken. Ein paar Schritte weiter sehe ich kaum noch die Hand vor Augen. Ich passiere eng beieinander stehende Eichen, taumele vor erregter Spannung. In meiner Hose pocht mein Schwanz hart und verlangend.

      Nur allmählich reißt das fahle Mondlicht Konturen und Silhouetten aus der Nacht. Vor mir öffnet sich eine kleine Wiese, auf drei Seiten von hohen Hecken begrenzt, hinter mir von der Reihe Eichen.

      Ich gehe nach links, hocke mich halb in eine der lichten Hecken auf den harten Boden, mache meine Hose auf und streife sie bis zu den Knien herunter. Vorsichtig hole ich mir einen runter. Im Rücken Schatten, vor mir der kleine, dunkelgrüne Streifen Rasen. Blätter streifen sanft meine Eichel.

      Ich stecke mir den Mittelfinger der linken Hand in den Mund und führe ihn von hinten zwischen meine Pobacken. Langsam gleitet der Finger in die feste Öffnung. Bis über das erste Glied schiebe ich ihn in den engen Kanal und bewege ihn in meinem Arsch. Die Lust hat mehrere Potenzen. Mir wird schwarz vor Augen. Mein Körper zittert, juckt, zieht sich zusammen. Tu dir was Gutes, Daniel, wenn es sonst niemand macht. Tu dir was Gutes. Du weißt allein, wie gut das tut.

      Deine