Janine Senkel (geb. Günther)

Rabenlieder


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      Deutschsprachige Erstausgabe September 2014

      Copyright

      Rabenlieder© 2014 by Janine M. SENKEL

      Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de ISBN 978-3-7375-0716-5

       RABENLIEDER

      Ich widme dieses Buch meiner Freundin Angie, ohne die ich vermutlich nicht die wäre, die ich jetzt bin, ohne die ich einige Leute nicht kennengelernt hätte und ohne die ich einfach ein ganz anderes Leben geführt hätte. Ich hoffe, ich kann ihr mit den Büchern ein wenig zurückgeben.

       5 Jahre zuvor

      Sie war gerade auf dem Heimweg von "The Egg", einer angesagten Londoner Disco. Obwohl sie nicht auf die Musik dort - es wurde ausschließlich Techno gespielt - stand, ging sie da öfters hin, allein schon weil ihr die Location gefiel, die Cocktails gut waren und einige ihrer Kollegen - sie arbeitete im Hard Rock Café Shop als Verkäuferin - dort immer hingingen, weswegen sie sich ihnen ab und zu anschloss.

      Ihre rotbraunen Haare waren heute ausnahmsweise einmal geglättet und hingen ihr lässig über die Schultern. Sie trug einen kurzen engen Rock und darauf ein locker hängendes rotes Top, das oben eng geschnitten war, so dass es ihre Kurven gut betonte.

      Sie lief die einsame Straße entlang, Richtung Baker Street Station. Es war dunkel und beunruhigend ruhig. Ständig drehte sie sich verängstigt um, konnte jedoch nichts Ungewöhnliches erkennen. Ihre Schritte wurden größer, ihr Gang immer schneller, bis sie fast zu rennen begann.

      Ängstlich drehte sie sich immer wieder um und sah zurück.

      Sie konnte niemanden erblicken. Doch als sie sich wieder nach vorne drehte, stand plötzlich eine dunkle Gestalt vor ihr. Lange, fettige Haarsträhnen hingen dem großgewachsenem Mann ins Gesicht. Seine Haut war fahl, seine Augen leer und er sah sie mit einem Blick an, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Sie erstarrte und blieb regnungslos vor ihm stehen. Stille. Nur ihr pochendes Herz war zu hören. Angstschweiß rann ihre Stirn hinab, ihre Knie zitterten und ihre Augen wurden feucht. Sie wollte rennen, sie wollte schreien, doch es ging nicht. Auf einmal streckte die Gestalt ihre Hände aus und packte ihren Arm. Wie angewurzelt blieb sie stehen. Mit einem Satz wurde sie nach hinten geschleudert und knallte gegen die Hauswand hinter ihr. Ihre Beine drohten nachzugeben, aber die Gestalt war blitzschnell da und presste sie gegen die Wand. Etwas Spitzes und Scharfes bohrte sich plötzlich in ihre Haut und als sie schaute, was das war, sah sie wie der düster wirkende Mann an ihrem Hals hing, spitze Zähne blitzten hervor. Sie schrie innerlich auf. Das musste ein Alptraum sein. Es konnte gar nicht real sein. So etwas wie Vampire gab es schließlich nicht. Die spitzen Zähne drangen immer tiefer in ihr zartes Fleisch und der brennende Schmerz durchzog ihren ganzen Körper. Plötzlich spürte sie, wie auf der anderen Seite ebenfalls etwas Spitzes sich in ihren Hals bohrte und ein eklig vergammelter Geruch stieg ihr in die Nase. Sie drehte ihren Kopf ein wenig und sah einen schmuddelig aussehenden Mann, der wie der andere ein Vampir zu sein schien. Fassungslos starrte sie ihn an. Ihre Kraft schwand, je mehr Blut sie verlor, ihre Beine gaben nach und der Schmerz wurde so unerträglich, dass sie kurze Zeit später ohnmächtig zusammensackte.

      Schmerz. Sie spürte nichts als Schmerz. Ihr Hals brannte, ihre Beine taten weh, ihr Kopf pochte. Unerträgliche Schmerzen. Sie öffnete ihre Augen, alles war noch verschwommen. Sie blinzelte und langsam wurde alles schärfer. Sie konnte sich kaum bewegen, deswegen sah sie nur mit ihren Augen umher. Sie war in einem leeren, dunklen Raum. Kein Möbelstück, keine Geräte, nichts. Der Boden auf dem sie lag fühlte sich feucht an und es roch modrig. Außerdem war es relativ kalt. Sie zitterte leicht und auf ihren Armen hatte sich Gänsehaut gebildet. Vermutlich war sie in einem Keller eingesperrt. Plötzlich kamen ihr wieder die Bilder von den zwei Gestalten in den Sinn. Das letzte woran sie sich erinnern konnte. Sie mussten sie hier eingesperrt haben. Tränen liefen ihre Wangen hinab. Auf einmal wurde eine schwere Tür aufgerissen und Schritte waren zu hören. Es waren zwei Personen. Ihr Zittern wurde stärker. Sie konnte den penetranten Geruch der zwei Männer erkennen, die sie angegriffen hatten. Mit einem Ruck wurde sie nach oben gerissen und gegen die dreckige Kellerwand gepresst. Ängstlich schloss sie die Augen. Ein kaltes Lachen ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Dann rammten die beiden erneut ihre spitzen Zähne in ihren Hals. Das Brennen wurde heftiger und sie schrie lauthals auf. Die Männer lachten nur hämisch und raubten ihr all ihre Kraft. Sie konnte sich nicht wehren. Dann begannen sie auch noch, mit ihren dreckigen Händen unter ihr Oberteil zu fahren und sie zu begrabschen. Auch vor ihrem Höschen machten sie keinen Halt. Sie schändeten ihren Körper bis aufs Äußerste und fügten ihr immer mehr Schmerzen zu, was sie auch noch zu genießen schienen. Nach einer Weile, durchfuhr sie ein noch schlimmeres Brennen am Hals, als ob Gift ihre Venen durchlief. »Was habt ihr mit mir gemacht?« Sie presste diese Worte schwach und kaum hörbar hervor und sackte zusammen. Reglos, nackt und geschändet blieb sie auf dem kalten, feuchten und schmutzigem Kellerboden liegen. Die beiden Männer stiegen über sie hinweg, als wäre sie Abfall und die Tür knallte, als sie verschwunden waren.

      Sie konnte sich nicht rühren und dann verschwamm erneut alles vor ihren Augen.

       1

      Schweißgebadet wachte Saya auf, ihre Augen weit aufgerissen vor Schreck. In letzter Zeit hatte sie immer wieder diesen Traum. Diese schreckliche Erinnerung, wie sie vor einigen Jahren gequält und zum Vampir verwandelt wurde. Tränen stiegen ihr in die Augen und sie krallte ihre Finger fest in die Decke. Die Sonne war bereits untergegangen, das konnte sie spüren. Sie kroch also aus ihrer dunklen Höhle und ging ins Bad, um zu duschen.

      Fertig angezogen schlenderte sie in die Küche. Da klingelte das Telefon. Saya nahm ab und am anderen Ende war eine helle weibliche Stimme zu hören. »Hallo Saya. Kannst du ins Bat kommen?« Irritiert über diesen frühen Überfall - 22

      Uhr kann man zwar normalerweise nicht gerade früh nennen, aber für einen Vampir, der tagsüber schläft, sieht das Ganze wieder anders aus - wusste sie erst gar nicht, was sie antworten sollte und stammelte vor sich hin. »Shina? Was ist denn los?« Ein Lachen schallte aus dem Hörer. »Bist wohl gerade erst aufgestanden, was?« Shina war zwar kein Vampir, aber eine Werleopardin und sie hatte zudem viel Kontakt mit Vampiren, weswegen sie die Angewohnheiten dieser Spezies gut kannte. Sie kannte Saya nun seit einem Jahr und sie waren öfters zusammen ausgegangen.

      Zusammen mit ihren zwei anderen Freunden, Shania und Aniola, eine Hexe und eine Vampirin. Ihr Stammlokal war das Bat in the Moon - von ihnen auch liebevoll oft nur Bat genannt - einem Vampirclub, der sich in Harrow on the Hill befand, direkt neben dem Pub the Moon on the Hill, wodurch der Club auch seinen Namen erhalten hatte.

      »Natürlich bin ich gerade erst aufgestanden. Aber jetzt erzähl mir doch mal bitte, warum ich jetzt so dringend ins Bat kommen soll? Ist irgendetwas passiert?« Stirnrunzelnd wartete Saya die Antwort ihrer Leopardenfreundin ab.

      »Ehrlich gesagt, weiß ich das auch nicht so genau. Shania will irgendetwas mit uns besprechen. Ani hatte mich gerade angerufen.« Saya knirschte mit den Zähnen. Shania wollte ihnen was mitteilen und sie erfuhr das über drei Ecken? Sie war doch ihre beste Freundin. Und Aniola, oder Ani, wie Shina sie so schön nannte, kannte sie erst seit einem Jahr.

      »Warum hat sie mir denn nichts erzählt?« Erneut war ein herzhaftes Lachen am anderen Ende zu hören.

      »Eifersüchtig?« Saya schnaubte nur. »Aber im Ernst, Saya, das wird schon einen Grund haben.« Erneut war ein verächtliches Schnauben zu hören. »Pah!« Shina seufzte verzweifelt über die Sturheit ihrer Freundin. »Du hättest sie doch wahrscheinlich nicht in Ruhe gelassen, bis sie dir alles erzählt. Wahrscheinlich wollte sie das vermeiden und es uns allen zusammen mitteilen.« Nun seufzte auch Saya und ließ sich auf den Stuhl im Esszimmer nieder. »Du hast ja Recht.«

      Sie lehnte sich zurück. »Ok, dann komm ich gleich vorbei.

      Bis dann!« Noch bevor Shina antworten konnte, hatte Saya auch schon aufgelegt. Mit einem Schwung war sie wieder auf den Beinen, stellte das Telefon zurück in die Ladestation, nahm ihre Handtasche von der Couch, ihren Schlüssel aus dem Schlüsselkasten und schon war sie aus