und Schleier. Das Kleid war oben sehr figurbetont und fiel ab der Taille weit geschnitten nach unten. Es war ein Traumkleid, doch trug es die falsche Frau. Kris lächelte seine frisch angetraute Frau verliebt an und sie küssten sich erneut. Es lag so viel Leidenschaft in der Luft. Die umstehenden Leute applaudierten, Reis flog durch die Luft und hüllte den Platz in Weiß. Auf einmal tauchte vor ihr eine in Licht gehüllte Gestalt auf. Die Gestalt war schwarz gekleidet, hatte langes welliges Haar, das von einem Haargummi zusammen gehalten wurde. Schokobraune Augen glänzten im Sonnenlicht. Er war groß und muskulär gebaut. Das schwarze enge Muskelshirt betonte seine Figur perfekt und Tattoos zierten seine Arme. Sie fragte sich gerade, wer dieser mysteriöse Mann war, doch dann verschwamm die Situation erneut und sie war plötzlich in einem dunklen feuchten Kellerraum. Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinunter, als sie sich in dem Raum umsah, der ihr nur zu gut bekannt war und den sie in ihren Gedanken zu verdrängen versucht hatte. Die Tür ging quietschend auf und herein kamen zwei Männer, ungepflegt und schmutzig. Angst kroch in ihr hoch und sie schrie, als die Männer über sie herfielen und sie schändeten.
3
Mit einem Satz war Saya auf den Beinen, ihre Stirn und ihr Rücken pitschnass vor Schweiß und sie zitterte am ganzen Leib. Aniola schlief tief und fest und hatte ihren Schrei scheinbar gar nicht wahrgenommen. Saya sah auf die Uhr.
Es war kurz nach acht. Die Sonne müsste bald untergehen, aber solange müsste sie hier in dem dunklen Keller abwarten. Ihr Herz schlug laut in ihrer linken Brust, was für einen Vampir ungewöhnlich war. Der Mythos, dass Vampire keinen Herzschlag hätten, war Unsinn. Wie sollten denn all die Körperfunktionen noch funktionieren, wenn das Blut nicht durch den Körper fließt. Das Herz arbeitete einfach langsamer und auch der Verdauungstrakt war anders, als bei normalen Menschen, weswegen sich die meisten Vampire ausschließlich von Blut ernähren konnten. Das war auch der Grund, warum Pfählen sie nicht tötete, sondern lediglich lähmte. Wunden konnten gut und schnell verheilen und das Herz konnte so einiges ertragen und es kam nur ganz oder fast gar nicht vor, dass das Herz eines Vampirs schneller schlug. Doch bei Saya war alles ein wenig anders. Sie konnte bis zu einem gewissen Grad auch normale Nahrungsmittel zu sich nehmen, ihr Herz schlug bei Kris jedes Mal wie wild - der Gedanke stimmte sie traurig, vor allem als ihr die Bilder ihres Traumes, die von seiner Hochzeit, in den Kopf kamen - und auch jetzt pochte es vor Angst. Sie hatte lange zuvor keine so schlimmen Alpträume mehr und dann noch die Erinnerung an damals, die sie so sehr zu verdrängen versucht hatte. Leider kam es in letzter Zeit immer häufiger wieder ans Licht. Öfters wachte sie auf, weil sie von ihrer Wandlung und der damit verbundenen Schändung ihres Körpers geträumt hatte. Saya drehte sich um, als es auf einmal ein dumpfes Klopfen zu hören war. Im nächsten Moment ging die Tür quietschend auf und Shania kam hinein. Sie hatte ein Glas bei sich und Saya konnte den frischen Geruch von A Positiv wahrnehmen. Shania musterte ihre Freundin besorgt, als sie sah, wie verschwitzt sie war.
Ihre Stirn war leicht in Falten gelegt. Sie drückte ihr das Blutglas in die Hand und setzte sich neben sie. »Ich hatte dich schreien gehört und dachte, frisches Blut wäre nicht schlecht. Besser als das abgestandene Zeug im Kühlschrank.« Shania warf ihr langes Haar über die Schulter und lächelte ihre beste Freundin aufmunternd an. »Wow! Da sieht man mal, wie fest unsere Ani schläft!« Saya musste lachen. Es tat ihrer Seele richtig gut. Shania schaffte es, dass sie für einen Augenblick alles Schlechte vergessen konnte.
Sie setzte das Glas an ihre Lippen und nippte daran. Das Blut war sogar noch warm. Es rannte ihre Kehle hinunter und gab ihr ein Gefühl von Zufriedenheit, als es ihren Körper von innen mit Wärme erfüllte. Sie fragte sich, woher Shania so frisches Blut hatte und sah ihre Freundin fragend an. Ihr Blick fiel auf den rechten Unterarm der jungen Hexe.
Dort war ein tiefer Schnitt zu sehen und es quoll Blut hervor.
Entsetzt und mit weit aufgerissenen Augen sah sie von der Wunde zu ihrer Freundin auf. Shania zuckte mit den Achseln und winkte ab. Saya hatte sich geschworen, ihre Freundin niemals anzupacken, geschweige denn, ihr Blut zu trinken, aber es schmeckte so köstlich und sie hatte das Gefühl, dass sie sich dadurch schon besser fühlte. Es schien, als würde es ihr eine gewisse Stärke verleihen. Höchstwahrscheinlich lag das daran, dass es das Blut einer Hexe war und nicht das eines gewöhnlichen Menschen. »Willst du mir erzählen was los war?« In Shanias Stimme lag noch immer große Besorgnis. Saya schaute sie achselzuckend an, nickte jedoch schließlich. »Ein Alptraum nach dem anderen.« Sie seufzte schwer und dann erzählte sie ihr alles. Von dem Traum mit Kris und seiner Zukünftigen, über den mysteriösen gut aussehenden Mann, bis hin zu dem grausamen Erlebnis von damals. Sie ließ nichts aus und als sie ihr all dies erzählte, traten ihr Tränen in die Augen. Shania legte ihren Arm um sie und Saya weinte sich an ihrer Schulter aus.
*
Sie saßen einige Zeit einfach nur so da, Sayas Kopf an Shanias Schulter und diese streichelte ihr tröstend über den Rücken. Dann hörten sie ein lautes Gähnen und Aniola kroch hervor aus ihrem Schlafgemach. »Morgen!« Shania schenkte ihrer Freundin ein gut gelauntes Lächeln, doch diese sah sie nur finster an. Dunkle Augenringe zeichneten sich in ihrem Gesicht ab und ihr Haar war leicht zerzaust.
Trotz allem sah sie immer noch umwerfend aus. Aniola brummte etwas vor sich hin und ging dann die Kellertreppe hinauf Richtung Bad, wo sie sich erstmal frisch machen wollte. Saya sah ihr ein wenig amüsiert hinterher. Sie selbst war auch ein Morgenmuffel - obwohl der Begriff Nachtmuffel für einen Vampir wohl eher angebracht wäre -
aber es war immer wieder lustig zu sehen, wie mies gelaunt andere waren. Sie bekam es nur von Vampiren mit, da sie meist schon schlief, wenn andere aufstanden. Als Aniola perfekt gestylt vom Bad zurückkam und sich zu Shania setzte, machte Saya sich auf den Weg, um sich abzuduschen, sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen und ihre Schminke zu erneuern. Das Bad war relativ groß und schön geschnitten. Es war kein Schlauch sondern schön quadratisch und in weiß-grau gehalten. Neutrale zeitlose Farben. Es befand sich ein großes Waschbecken darin, eine Toilette, eine große Duschwanne und ein BD. Saya schlüpfte aus ihren Klamotten, stieg in die Duschwanne und zog den Vorhang zu. Sie drehte das Wasser auf und erschauerte, als es erst kalt über ihren Körper lief. Es wurde aber schlagartig warm und sie genoss die angenehmen Wasserstrahlen auf ihrer Haut. Es war wie eine gute Massage. Nachdem sie einige Minuten einfach so unter dem Duschkopf gestanden hatte, drehte sie das Wasser ab und griff zum Duschgel, um sich einzuseifen. Shania benutze eine andere Cremedusche als sie, das machte aber nichts. Sie verteilte das Duschgel gleichmäßig auf ihrer Haut, dann griff sie zu dem Shampoo, das gleich daneben stand und massierte es in ihr Haar ein.
Sie drehte das Wasser wieder auf, das diesmal sofort angenehm warm war und wusch sich den Schaum ab.
Gründlich spülte sie alles aus ihren Haaren hinaus. Als sie komplett sauber war, stieg sie aus der Dusche, trocknete sich mit dem Badetuch ab, das über dem Heizkörper neben der Badewanne hing und zog sich an. Sie wickelte das Handtuch wie einen Turban um ihr Haar und ging dann ins Wohnzimmer hinunter, wo Aniola und Shania bereits auf dem Sofa saßen und sich angeregt unterhielten. Als Saya den Raum betrat, sahen die beiden Frauen sie an. Ihrem Blick zufolge wussten sie nicht, ob sie lächeln, oder sie sie mitleidig ansehen sollten. Um die Spannung zu lösen, versuchte Saya ein Grinsen aufzusetzen und erleichtert, verzogen sich auch die Münder ihrer Freundinnen zu einem sanften Lächeln. »Mädels, ich werde mich mal auf den Weg machen.« Verdutzt sah Aniola von Saya zu Shania und dann wieder zu Saya. »Wohin?« Shania lachte und stupste ihre Vampirfreundin in die Seite. Saya verdrehte leicht genervt die Augen. »Zu Kris.« Ein Klos steckte ihr im Hals, als sie seinen Namen aussprach. Sie schluckte schwer. Aniola seufzte leise. »Ich muss die Sache einfach klären, sonst lässt es mich nie in Ruhe.« Zustimmendes Nicken. Dann nahm Saya ihre Sachen, umarmte ihre Freundinnen zum Abschied und verschwand aus der Tür.
Sie wartete auf den Bus, um zu Kris und Ravens Haus zu fahren. Immer wieder machte sie Anstalten, doch wieder umzukehren. Es war ein innerer Kampf gegen sich selbst.
Sie hatte Angst. Was sollte sie ihm sagen? Was würde sie machen, wenn er ihr erzählte, es sei ihm nie ernst mit ihr gewesen und dass er die Rabenfrau liebte?