Dr. Rainer Schneider

Wege aus der Angst. Psychologische Ursachen und praktische Lösungen


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die Endzeitstimmung, desto besser. Am Beispiel Klimawandel lässt sich besonders schön zeigen, wie sehr Politik, Publizistik, Industrie und Kartelle zusammenarbeiten, um Ängste zu schüren und die Konsumhaltung in der Bevölkerung in eine bestimmte Richtung zu beeinflussen. Andererseits werden klimawirksame Manipulationen, die echtes Angstpotential haben und in der Bevölkerung bei Kenntnis heftige Reaktionen auslösen würden, kleingeredet oder geleugnet. Wenige unabhängige Fachleute, die echte Aufklärung betreiben, werden entweder belächelt, verunglimpft oder bekämpft (23-25).

      Das bei vielen ThemaMachen Sie selbst einmal den Test. Ein Blick in die Tageszeitung genügt.

      Sie verstehen jetzt, warum ich (rational) vermittelte Angst für so problematisch halte. Unsere Gefühle werden über den gesunden Menschenverstand angesprochen und die einzig gangbare Lösung der Angst wird automatisch mitgeliefert. Ich behaupte nicht, dass die Menschen es nicht besser wüssten. Bekanntlich ist man hinterher ja immer schlauer. Aber das Paradoxe an der vermittelten Angst ist, dass uns die Entscheidung, die wir treffen, zwar rational vorkommt. Tatsächlich wird sie aber emotional kurzgeschlossen.

      Wirtschaft- und Finanzkrisen, Klimakrisen, Existenzkrisen – Wer würde da keine Angst bekommen? Eine Welt, die immer bedrohlicher und ungewisser erscheint, lässt kaum noch angstfreie Fluchtorte. Wir leben in einer Zeit, in der Unsicherheit das konstituierende Element des Lebens geworden ist. Es verwundert nicht, wenn vor diesem Hintergrund Angststörungen zunehmen. Unsicherheit ist einer der größten Stressoren, den es gibt. Sie ist verbunden mit der Unmöglichkeit, gezielt zu planen und zu handeln. Klassischerweise fasst man unter Angststörungen nicht notwendigerweise Angst vor Krieg, Inflation, Krankheit etc. zusammen, zumindest dann nicht, wenn für sie eine scheinbar objektive Grundlage zu bestehen scheint (Stichwort Schweinegrippe). Aber diese Ängste können ein Fundament bilden, auf dem typische Angststörungen aufbauen.

      Und vielleicht sind die Deutschen besonders anfällig für Angst. Wir machen uns z.B. mehr Sorgen bei Familien- oder Zukunftsplanung als andere Völker (26). Im anglo-sächsischen Sprachraum hat man den Begriff Angst inzwischen als eigenständigen Begriff aufgenommen und bezeichnet damit eigentlich das, was man im Deutschen als Panik oder Agonie (Todesangst) bezeichnet.

      Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Ich will Ängste nicht trivialisieren oder lächerlich machen. Auch sage ich nicht, dass es keine lebensbedrohliche Krisen und Krankheiten gibt oder diese nur eine Verschwörung bestimmter Eliten sind.

      Aber Angst vor Krisen und Krankheiten löst in uns ganz elementare Schutzmechanismen aus, die dazu dienen, Leib und Leben zu retten. Angst, die darauf beruht, macht verständlicherweise manipulierbar und so verwundert nicht, dass es Kräfte gibt, die daraus Profit schlagen, sei es finanziell, politisch, religiös oder ideell. Das inzwischen fast schon beflügelte Wort des Geschäfts mit der Angst ist eines der einträglichsten überhaupt. Die Umsätze im Gesundheits(un)wesen sind schwindelerregend, vor allem auch deshalb, weil sich beim Bekämpfen von „Problemen“ riesige Interessenlobbies etabliert haben, die unzählige Billionen an Umsätzen und Gewinnen erzielen.

      Allerdings ist diese Angst gewissermaßen ein Artefakt, also ein Kunstprodukt. Wie soll man sie bewältigen, wenn ihre Auslöser eigentlich nicht existent sind oder zumindest bei weitem nicht von der behaupteten Tragweite? Aus meiner Sicht helfen nur zwei Dinge, sich gegen solche Ängste zu immunisieren: Erstens Aufklärung, zweitens Gelassenheit. Letzteres kommt mit ersterem. Gelassenheit kommt mit Wissen. Es lohnt sich z.B., selbst einmal zu recherchieren, wie es um bestimmte Gefahren wirklich steht, die einem vorgegaukelt werden. Alternative, unabhängige und nicht profitorientierte Informationsquellen können wahre Wunder wirken, bestimmte Ängste zu zerstreuen. Hier bietet das Internet (noch) die Möglichkeit, unmanipulierte Informationsquellen zu finden. Eine (Auf)Klärung durch die Massenmedien ist leider nicht zu erwarten, weil sie weder wirklich unabhängig sind, noch investigativ arbeiten (27).

      Der vernünftige Umgang mit der Angstquelle ist somit ein erster Schritt, der helfen kann, Ängste in den richtigen Zusammenhang zu stellen. Das geht alleine dadurch, dass man die betreffenden Sachverhalte relativiert. Hat man sich erst einmal klargemacht, wie groß eine bestimmte Wahrscheinlichkeit ist, dass diese oder jene Gefahr wirklich besteht, verliert die Angst schnell einen Großteil ihres Potentials. Bekanntlich macht ja gerade Alternativlosigkeit besonders Angst (und diese Vokabel wird auch gerne in der Politik genutzt). Alternativlosigkeit heißt, etwas nicht vermeiden zu können. Damit wird der eine propagierte Lösungsweg zum Königsweg; alle anderen müssen zwangsläufig ins Verderben führen. Das ist der psychologische Trick hinter dieser Form der Angstinduktion, gleichzeitig aber auch die Lösung. Alternativen geben Handlungsfreiheit und diese reduziert Angst!

      Es lohnt sich, einmal genauer hinzuschauen, warum solche „diffusen“ Ängste in Stärke und Ausmaß immer mehr zunehmen. Eine Umwelt voller Gefahren muss irgendwann dazu führen, dass die Welt nur noch durch die Angstbrille wahrgenommen wird. Hier ist die Schweinegrippe wieder ein gutes Beispiel. Ein tödliches, sich schnell und vermeintlich unkontrollierbar ausbreitendes Virus eignet sich sehr gut, vor allem tendenziell ängstliche Menschen auf Angst zu primen. Sogenannte Primes sind vorgeschaltete Reize, die die Wahrnehmung verändern. Und Primes sind sehr wirkmächtig. In Experimenten macht man das so: Man bietet Personen z.B. einen negativen Prime-Reiz dar, bevor eine sonst neutrale Information verarbeitet werden soll. So ein negatives Prime-Wort kann z.B. das Wort traurig sein. Die meisten Personen beurteilen dann diese an sich neutrale Information prompt eher negativ. Dieser Mechanismus kann sich innerhalb weniger Millisekunden abspielen, sogar unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Ohne es zu merken, ändern Primes die Bedeutung des Wahrgenommenen (28).

      Sie werden sich vielleicht immer noch fragen, warum ich so relativ ausführlich auf induzierte Ängste eingehe. Gehören Sie überhaupt in einen Angstratgeber? Möglicherweise plagen Sie ganz persönlich völlig andere, gleichsam „echte“ Ängste.

      Man kann natürlich unterschiedliche Angstformen unterscheiden. Angst vor öffentlichen Orten fühlt sich anders an als Angst beim Schauen von Gruselfilmen. Ich habe jedoch bereits darauf verwiesen, dass verschiedene Ängste zumindest neurobiologisch gesehen identisch sind: Sie entstehen in den gleichen Hirnarealen, involvieren die gleichen Neurotransmitter, die gleichen Synapsen und haben die gleichen Erregungsmuster. Weil das so ist, kann man z.B. Angstreaktionen künstlich verlängern, wenn man Personen experimentell bestimme Substanzen gibt, die die Ausschüttung von Neurotransmittern blockieren (Opiat-Antagonisten), die normalerweise Angst reduzieren (29).

      Es geht in diesem Buch nicht um Angst vor Viren, Krieg, Not und dergleichen, jedenfalls nicht unmittelbar. Ich möchte zeigen, dass ein Perspektivenwechsel bei allen Ängsten helfen kann, diese in ihrer Wirkung zu relativieren. Selbst bei Panikattacken kann die sinnhafte Neudeutung einen gewissen Beitrag leisten, Angst zu reduzieren. Genau das machen manche psychotherapeutischen Schulen. Im Kern geht es eigentlich um Sinnstiftung, also darum, Emotionen und Erlebnisse so zu deuten, dass sie stimmig werden und nicht isoliert ihr angstauslösendes Potential entfalten. Im einleitenden Kapitel hatte ich das als Integration bezeichnet. Wie schon angedeutet, geht das nicht unbedingt über eine kognitive Umstrukturierung sensu Selbstüberzeugung. Emotionen kann man sich ja nicht einreden, man muss sie erleben und fühlen. Dazu später mehr. Klären wir zunächst einmal, warum Angst nicht unbedingt immer etwas mit Realität zu tun hat.

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