Thomas Riedel

Kreaturen der Nacht


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war ein Werk, welches Blake bedenkenlos satanischem Wahnsinn zuschrieb. Die grässliche Tat musste schneller verrichtet worden sein als man für ein hastiges ›Our Father‹ gebraucht hätte. Blake musste seine ganze Willenskraft aufbieten, um angesichts dieses Bildes die erforderliche Ruhe zu bewahren.

      Mit schnellen Schritten ging er zum Fenster. Es stand weit offen. Die frische Kühle nach dem Gewitter drang belebend in das Zimmer. Einer inneren Eingebung folgend besah er sich die Fensterbrüstung genauer.

      Ohne Probleme erkannte er dieselben seltsamen Spuren wie im Fall Drummond, und obwohl er damit gerechnet hatte, kam ihm ein leiser Ausruf der Überraschung über die Lippen.

      Nachdem er sich etwas gesammelt hatte, wandte er sich um. Jetzt musste er zunächst einmal dafür sorgen, dass die offizielle Untersuchung anlief.

      Sein Blick richtete sich auf Anthony Kincaid. In dem wachsbleichen Gesicht des Privatgelehrten bewegte sich kein einziger Muskel. Nur in seinen Augen schien noch Leben zu sein. Tief in ihnen brannte es in verzehrender Glut.

      »Was sagen Sie nun?« Er sah den Chief Inspector scharf an. »Ich sehe es Ihnen doch an, dass Sie einen Bezug zum Fall Drummond gezogen haben.«

      »Das habe ich tatsächlich«, erwiderte Blake. »Und ja, ich glaube Ihnen, wenn Sie mir jetzt zu verstehen geben, dass dieser teuflische Unhold zugeschlagen hat.«

      »Vermutlich soll ich das hier als Warnung verstehen!«, bemerkte Kincaid leise.

      Blake warf einen Blick zum Bett mit den grausigen menschlichen Überresten.

      »Ich habe auch einmal geglaubt, dass mich als Kriminalisten nur Fakten überzeugen können«, sagte er und schüttelte dabei leicht den Kopf, »aber das hier ist auch eine Tatsache!«

      Anthony Kincaid wollte behutsam eine Decke über die verstümmelten Leichenteile auf dem Bett legen, wurde aber von Blake direkt zurückgehalten.

      »Hier darf nichts verändert werden«, erklärte er ihm. »Ich werde die ›Fatal Accident Inquiry‹ und Doktor Witherspoon verständigen.« Dann fasste er den erschütterten Mann am Arm und zog ihn aus dem Zimmer. »Kommen Sie bitte mit hinunter! Ich werde alles Nötige veranlassen, damit Sie so schnell wie möglich von diesem Anblick erlöst werden.«

      Als die beiden wieder das Wohnzimmer betraten, hatte sich Kimberly Kincaid bereits wieder aufgerichtet. Zitternd und völlig verstört hatte sie sich in die Sofaecke gekauert. Mit hastigen Zügen rauchte sie eine Zigarette. Ihre leeren Augen sahen durch ihren Bruder und den Chief Inspector hindurch. Sie nahm ihre Anwesenheit überhaupt nicht wahr.

      Mit dem tief empfundenen Gefühl einer inneren Verbundenheit sah Blake die zarte Gestalt an. Er räusperte sich. Die junge Frau reagierte nicht.

      »Miss Kincaid!«, sprach er sie leise an.

      Sie schien ihn immer noch nicht wahrzunehmen. Erst als er dicht vor ihr stand und sie sanft an den Händen fasste, schaute sie zu ihm auf. In ihren Augen spiegelte sich noch immer das nackte Entsetzen.

      Blake zog sein Apple Smartphone aus der Brusttasche seines Mantels und suchte eine Nummer heraus.

      »Ich werde sofort einige Beamte zur Spurensicherung und den Polizeiarzt herbeordern.« Blake sah tröstend in ihr bleiches Gesicht. »Es wird bald vorüber sein.« Dann sah er zu Kincaid hinüber, der in einer finsteren, brütenden Haltung verharrte. »Wir werden uns noch eingehend über die Angelegenheit unterhalten müssen«

      »Ich weiß«, kam es tonlos über seine Lippen, »ich weiß, Chief Inspector.«

      »Für den Augenblick schlage ich vor, Sie arbeiten für Ihren Bereich einen Plan aus. Den müssen wir dann mit dem abstimmen, was ich von meiner Seite aus zu tun gedenke.« Blake fuhr sich mit einem Finger über seine buschigen Augenbrauen, wie er es immer tat, wenn er über etwas nachdachte. »Wir werden wohl abwarten müssen, bis unser Gegner, so es dann Ihrer Meinung nach Professor Helmsdale ist, einen Fehler macht, der uns auf seine Spur bringt. Ich hoffe sehr, dass wir schnell einen Ansatzpunkt bekommen. So wie es jetzt steht, sehe ich nicht, wie wir an ihn herankommen wollen.« Blakes Stimme wurde plötzlich hart und schneidend. »Aber eines garantiere ich! Wir werden ihm das Handwerk legen! Und mir ist es dabei völlig gleich, ob er über dämonische Fähigkeiten verfügt. Auch Teufel machen Fehler!«

      Kapitel 7

      S

      eit mehreren Monaten drehten sich alle Gespräche um den geheimnisvollen neuen Eigentümer von ›Alasdair Castle‹, hoch oben auf dem ›Ben Braeriach‹, nahe dem ›Loch a‘ Choire Ghranda‹. Nicht anders war es an diesem Abend im ›Highland Pub‹, einer heruntergekommenen, düsteren und immerzu völlig verrauchten Kneipe in ›Beinn Dearq‹, einer kleinen Ansiedlung, die man kaum als Dorf bezeichnen konnte.

      Der äußerst korpulente McMenamins schaffte es kaum seinen dicken Hintern auf den Barhocker am Tresen zu halten. Nachdenklich betrachtete er den mächtigen Humpen vor sich, in den locker ein Liter Ale passte. Dann schloss der Mann mit dem speckigen Gesicht seine dicken Wurstfinger um den Henkel, hob das schwere Trinkgefäß an den Mund, blies vorsichtig etwas von dem Schaum hinweg und nahm einen mächtigen Schluck.

      Nachdem er den Krug um ein gutes Viertel geleert hatte, wischte er sich mit dem behaarten Handrücken seiner Rechten über die nassen Lippen und warf einen bedeutungsvollen Blick in die Runde.

      »Irgendetwas, was auch immer es sein mag, irgendetwas ist da oben ganz und gar nicht in Ordnung!«, ließ er mit wichtigtuerischer Miene verlauten. »Ich weiß nur nicht was«, fügte er noch zusätzlich hinzu. Er gab sich einen nachdenklichen Ausdruck, ehe er fortfuhr: »Wie ihr alle wisst, ist ›Alasdair Castle‹ vor knapp einem halben Jahr verkauft worden. Seit dieser Zeit geht es da oben zu wie im Taubenschlag. Eine Instandsetzungsarbeit jagt die nächste.« Verschwörerisch sah er wieder von einem zum anderen. »Ich frage euch, Leute, hat schon einer den neuen Burgherrn überhaupt schon mal gesehen? Selbst die Handwerker, die in und an dem Bau gearbeitet haben, haben ihn nie zu Gesicht bekommen. Ja, selbst die Aufträge mit den Firmen in Edinburgh und Inverness wurden sämtlich per Email abgewickelt. Die Bezahlung erfolgte über anonyme Auslandskonten.«

      »Na klar, anonyme Auslandskonten ... alles per Email!«, lachte einer der Anwesenden. »Du bist natürlich mal wieder voll informiert.« Der Mann steckte sich eine Zigarette an und nahm einen Zug, ehe hinzufügte: »Aber man weiß ja, von wem es kommt ...«

      »Halt doch die Klappe, Jack!«, wurde er vom Wirt barsch unterbrochen. »Wenn du stänkern willst, setze ich dich ohne mit der Wimper zu zucken vor die Tür. Hast du mich verstanden!?«

      McMenamins warf dem mit Jack angesprochenen Weißhaarigen einen bitterbösen Blick zu.

      »Ich weiß, was ich weiß«, beharrte er. Dann wandte er sich an den Gastwirt. »Du müsstest doch eigentlich auch einiges wissen, Keith. Immerhin habe ich vor einer Woche deinen Jungen gesehen, wie er wie von Furien gehetzt durch das Burgtor ins Freie stürmte, sofort in den Land Rover sprang und in halsbrecherischer Fahrt an mir vorbei ins Tal gerast ist.« Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Auf mich hat er einen ganz schön verstörten Eindruck gemacht. Und als ich ihn am nächsten Tag auf die Angelegenheit angesprochen habe, wollte er nicht wirklich damit rausrücken. Ich musste ihm das buchstäblich aus der Nase ziehen!« Er gönnte sich einen weiteren Schluck Ale, bevor er weitersprach. »Der Junge hatte wohl etwas am Kamin der Burg gerichtet. Jedenfalls ließ er mich wissen, dass die neuen Bewohner eingetroffen seien. Auf mich wirkte er verängstigt. Gesagt hat er dann auch nicht mehr viel, meinte nur, er hätte es eilig.«

      »Fragt sich nur, wie die alle auf die Burg gekommen sein wollen, ohne dass wir hier unten davon etwas mitbekommen haben«, meldete sich einer mit Halbglatze aus der hinteren Ecke.

      »Genau«, stimmte ein Vollbärtiger zu. »Klar ist, dass in den letzten zwei Wochen