zu unterstreichen, seinen Humpen auf die Tischplatte. »Ich jedenfalls habe keine gesehen!«
Die blassblauen Augen in Keith Millburns knochigem Gesicht blickten unwirsch in die Runde und blieben dann an McMenamins hängen.
»Geht mir doch alle weg mit eurem dusseligen Gequatsche!«, knurrte Millburn bissig. »Mir ist das doch völlig gleichgültig, wer dort oben wohnt und auf welche Weise die Leute eingezogen sind.« Er wandte sich an den Vollbärtigen. »Mich haben sie bis jetzt nicht gestört! Dich etwa?« Dann sah er den mit der Halbglatze an. »Vielleicht wirst du oder ein anderer hier sogar mit ihnen Geschäfte machen. Na, was denkst du?« Millburn richtete sich wieder an McMenamins. »Siehst du!? Was also sollen deine dämlichen Anspielungen?«, reagierte er boshaft. »Aber du musst ja wieder in der Gerüchteküche den Chefkoch machen!«
Die Zurechtweisung hatte gesessen. In McMenamins speckigem Gesicht stieg die Zornesröte. Er war gerade dabei auszuholen, um seiner Empörung darüber freien Lauf zu lassen, als er vom alten Flannagan aufgehalten wurde. Der alte Schäfer hatte sich erhoben und für einen kurzen Augenblick herrschte eine nahezu absolute Stille im Schankraum des Gasthauses.
»Seit ewigen Zeiten weide ich meine Schafe auf der kleinen Hochebene schräg gegenüber der Burg«, begann er mit zittriger Stimme. »Mir ist dort vor einigen Tagen etwas Unheimliches passiert.« Er warf den Anwesenden einen ernsten Blick zu. »Ich hätte schon davon erzählt, aber ehrlich gesagt, ich habe befürchtet mich lächerlich zu machen. Die Sache hat mir eine solche Angst gemacht, dass ich seitdem des Nachts kaum noch ein Auge zumache.«
Millburn und seine Gäste hatte sich zu ihm umgedreht und sahen ihn voller Spannung an.
»Nun rück‘ schon damit raus!«, rief ihm einer auffordernd zu.
Flannagan ließ sich nicht lange bitten. Er bedeutete dem Wirt ihm noch ein Ale zu bringen, dann begann er zu erzählen.
»Es war abends, so um kurz nach acht. Die Sonne war gerade untergegangen, und ›Alasdair Castle‹ hob sich düster und bedrohlich vor dem bleichen Mond ab.« Millburn brachte ihm das gewünschte Ale. »Auf einmal sah ich etwas Schwarzes aus einer Felsspalte herauszucken und auf meinen armen Cody zuschießen«, fuhr er fort und sah die Männer an. »Ihr kennt doch alle meinen treuen Hund, den ich seit elf Jahren hatte und der mir immer ein treuer Gefährte gewesen war.« Einige nickten. »Wie auch immer. Das schwarze Untier hat ihm jedenfalls mit einem Biss das Leben genommen. Und glaubt mir, die Bestie hatte riesige Augen, die wie das Feuer der Hölle glühten. Sie hatte entfernte Ähnlichkeit mit einem Wolf, war aber um ein Vielfaches größer. Anschließend ist das höllische Biest zwischen meine Schafe gefahren und hat neun davon aus reiner Mordlust buchstäblich zerfetzt.« Flannagan hob sein Glas und nahm einen Schluck. Dann wischte er sich den Schaum vom Mund und fuhr fort. »Gott-sei-Dank hat mich das Ungeheuer nicht sehen können. Ich war rechtzeitig hinter eine kleine Felsenklippe verschwunden. Und da habe ich dann gestanden, erstarrt, völlig unfähig mich zu rühren. Ihr hättet bloß mal die Flügelschläge hören müssen. Mir haben sich die Haare gesträubt. Da schwebte doch tatsächlich ein riesiges, fledermausähnliches Geschöpf herab und landete urplötzlich neben der schwarzen Bestie. Die schien sich zu fürchten, denn ich konnte ihr furchtsames Winseln hören.«
Wie gebannt lauschten die Anwesenden den Worten des Schäfers. Sie konnten kaum glauben, was er ihnen da erzählte.
»Ich habe meinen Augen nicht trauen wollen, als sich dieser seltsame Vogel auf den Rücken des schwarzen Biests setzte und die beiden dann durch das Tor ins Innere der Burg verschwanden.« Wieder gönnte er sich einen Schluck. »Kurz darauf vernahm ich dann ein durch Mark und Bein gehendes Heulen. Ich kann mir nicht helfen, ganz ehrlich, aber es klang als würde jemand auf grausamste Art und Weise gezüchtigt werden. Ich habe mich daraufhin schnellstens vom Acker gemacht. Schlimmer kann kein Albtraum sein, wirklich nicht, aber es war kein Traum! Was ich erlebt habe, das war schreckliche Realität!«
Es war sehr still in der Schankstube geworden. Das, was die Männer gerade gehört hatten, schien auf sie wie ein eisiger Hauch zu wirken. Flannagans Worte hatten Gewicht in der kleinen Ansiedlung. Er war bekannt dafür, dass er nie ein Wort zu viel sagte und mit Urteilen sehr sparsam umging.
Einer nach dem anderen erhob sich und drückte sich am finster dreinblickenden Millburn vorbei ins Freie. Nur wenig später stand der Wirt allein im ›Highland Pub‹.
Kapitel 8
W
ie gern hätte Keith Millburn um Viertel vor elf seine Glocke geläutet und ein ›Last Order‹ in den Gastraum gerufen. Doch heute hatten ihm McMenamins und Flannagan mit ihrem dummen Gerede gehörig das Geschäft verdorben. Während der Kneipenwirt schlecht gelaunt sämtliche Lichter im ›Highland Pub‹ löschte und missmutig die ausgetretene Holztreppe nach oben schlurfte, um sich direkt ins Bett zu begeben, arbeitete Steven Hollister, alias Professor Helmsdale, hoch oben auf ›Alasdair Castle‹ noch angestrengt in seinem streng geheimen Laboratorium.
Steven Hollister hatte den Raum, der sich tief unter der Burg in einem natürlich entstandenen unterirdischen Hohlraum befand, labortechnisch auf den neuesten wissenschaftlichen Stand gebracht. Im Mittelalter hatten sich hier die weit über die Grenzen hinaus berüchtigten finsteren Verliese des Raubritters Murtagh O‘Flaherty befunden, der vom Volk wegen der von ihm verübten unbeschreiblichen Grausamkeiten nur ›The Soulless‹ genannt worden war.
Zur unter der Burg gelegenen Durchgangshöhle, mit mehreren Kammern, gab es nur zwei Zugänge, die außer Hollister niemand kannte. Von oben konnte man das Labor nur über einen versteckt untergebrachten Aufzug erreichen. Von außerhalb der Festungsanlage war dies über eine Felsspalte und einen ausgewaschenen Gang möglich, die ein längst versiegter Wasserlauf hinterlassen hatte. Steven Hollister hatte zunächst daran gedacht, diesen Zugang dauerhaft unpassierbar zu machen. Letztlich hatte er sich anders entschieden, denn so blieb ihm ein Fluchtweg. Die Öffnung hatte er durch eine eiserne Platte versperren lassen, die von außen der felsigen Nachbarschaft nachempfunden war. Niemand, der nicht gezielt nach diesem Eingang gesucht hätte, hätte auch nur das Geringste vermuten können. Wie der Öffnungsmechanismus funktionierte, der die getarnte Tür zur Seite schwenken ließ und die Öffnung frei gab, war nur ihm bekannt.
Hoch konzentriert und angespannt hielt Steven Hollister, wie er sich jetzt nannte, mit einer Zange einen gläsernen Kolben über die fauchende Flamme eines Teclubrenners. Er zog Teclus Brenner dem von Bunsen vor, weil dieser durch seine Konstruktion eine höhere Flammentemperatur erreichen konnte. Aufmerksam beobachtete er dabei, wie die strahlend blaue Flamme den Inhalt des Glaskolbens langsam zum Kochen brachte. Plötzlich begann es heftig zu brodeln und grüngelbliche Dämpfe stiegen empor. Ein unangenehm stechender Geruch verbreitete sich im Raum.
Schnell zog er den Glaskolben von der Flamme, machte einen Schritt seitwärts und schüttete die immer noch rauchende Flüssigkeit in einen gläsernen Tiegel, der zu zwei Dritteln mit einer wässrigen, leicht rötlich schimmernden Flüssigkeit gefüllt war.
In seinen dunklen Augen, unter der hohen Stirn, begann es triumphierend zu leuchten.
Endlich hatte er das Elixier fertig.
Jetzt musste er nur noch eine abschließende Kontrolle unter dem Massenspektrometer durchführen. Mit einer feinen Pipette entnahm er eine Probe. Im nächsten Schritt überführte er das Analyt in die Gasphase und ionisierte es. Dazu nutzte er die matrix-unterstützte Laser-Desorption. Kaum hatte er diesen Arbeitsschritt erledigt beschleunigte er die gewonnenen Ionen durch ein elektrisches Feld und führte sie dem Detektor zu. Kurze Zeit darauf erschienen die Messwerte auf dem Flachbildschirm. Das stark fragmentierte Massenspektrum stimmte mit den erwünschten Daten überein.
Endlich hatte er es geschafft. Ein diabolisches Lächeln huschte über sein Gesicht. Seinen Plänen stand nun nichts mehr im Wege. Zufrieden schwenkte er die Flüssigkeit im unscheinbaren Glaskolben. Ihr Anblick weckte