Manfred Rehor

Sannall der Erneuerer


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durch diesen Waggon führte, sondern nur einen kleinen Vorraum mit einer Eingangstür, vor der schon mehrere andere Passagiere warteten. Kaum war Jeremiah dort, zog ein Diener schwungvoll die Tür auf. Ein Hauch angenehm kühler Luft kam ihnen entgegen, als sie eintraten.

      Die überraschten Ausrufe der anderen Eingeladenen überzeugten Jeremiah, dass nicht nur er die Augen aufriss und staunte. Das Abteil von Cyros erstreckte sich über die ganze Länge des Waggons. Es war eigentlich ein luxuriös ausgestatteter kleiner Salon. Ein Schreibtisch für Geschäftskorrespondenz stand am entfernten Ende, wo Cyros nun einige Papiere beiseitelegte. Er stand auf und kam seinen Gästen mit ausgestreckten Armen entgegen.

      In der Mitte des Waggons standen Sessel und ein Tisch, auf dem Tee und Gebäck in feinstem Porzellan angerichtet warteten, aber auch Eis und kalte Getränke. Direkt an der Abteiltür befand sich ein geräumiges Sofa, auf dem Angelica saß und in einem Buch las. Sie stand auf, als wäre sie vom Eintreffen der Gäste überrascht, ließ jedoch ihrem Vater bei der Begrüßung den Vortritt. Dabei blinzelte sie Jeremiah kurz zu.

      „Willkommen“, sagte Cyros und schüttelte jedem die Hand. „Dies ist meine Tochter Angelica. Sie begleitet mich auf dieser Reise, um die Welt kennenzulernen.“ So, wie er die Worte betonte, war klar, dass er das für eine dumme Idee seiner Tochter hielt.

      Die Gäste setzten sich um den Tisch und unterhielten sich über all die Leckereien, die man ihnen hier quasi mitten in der Wüste vorsetzte. Gab es einen besseren Beweis für die segensreiche Wirkung des Fortschritts, als diesen Luxus fernab von aller Zivilisation?

      „Kind, dieser junge Mann handelt mit magischem Schnickschnack“, sagte Cyros zu seiner Tochter und deutete auf Jeremiah. „Vielleicht kannst du ihm das ausreden. Mache ihm deutlich, dass die Zukunft der Welt auf den Leistungen fähiger Ingenieure beruht, nicht auf denen zwielichtiger Zauberlehrlinge.“

      „Wir haben uns schon kennengelernt.“

      „Na, um so besser.“ Cyros wandte sich ab und begann mit den anderen Gästen eine lebhafte Diskussion über Zölle und Handelsbeziehungen zwischen dem Orient und Europa.

      Jeremiah blieb es überlassen, ein Gespräch mit Angelica anzuknüpfen. Das Mädchen blickte ihn über den Rand ihrer Teetasse schweigend, aber nicht unfreundlich an. „Angenehm kühl hier“, stotterte er und wusste nicht, wohin er ihren Augen ausweichen sollte. „Dein Vater muss einen mächtigen Spruch angewandt haben, um die Hitze der Wüste draußen zu halten.“

      „Was für einen Spruch?“, wunderte sich Angelica. „Ach so, einen Zauberspruch meinst du. Sehr komisch!“ Sie stand auf und hob die leichten Vorhänge, die vor den Fenstern angebracht waren. Darunter kamen flache Metallkästen zum Vorschein, die Lüftungsschlitze aufwiesen und durch Messingrohre miteinander verbunden waren.

      „Unsere Klimaanlage“, erklärte sie stolz. „Es ist die kleinste und modernste, die es zurzeit auf der Welt gibt. Mein Vater hat sie erfunden! Hergestellt in unserem Werk in Cyros City. Sie wird über Kompressoren betrieben, die unter dem Wagen angebracht sind, damit man den Lärm nicht hört.“

      „Und weil sicherlich der Fahrtwind den Wärmeaustausch erleichtert“, ergänzte Jeremiah und das Mädchen nickte gnädig.

      Gemeinsam gingen sie in dem Eisenbahnwaggon umher, und Angelica erklärte Jeremiah all die technischen Besonderheiten, die hier eingebaut waren. Neben Cyros‘ Schreibtisch entdeckte Jeremiah eine in die Rückwand des Waggons eingelassene Tür. Ihre Umrisse deckten sich so genau mit den Fugen der Wandtäfelung, dass sie fast unsichtbar war. Ohne zu zögern, öffnete er sie.

      „Was ist ...“, begann er, aber dann konnte er nicht weitersprechen. Hinter der Tür befand sich ein kleiner, dunkler Raum. Ein leises Sirren ertönte, das Jeremiah schwindlig werden ließ und ihm fast das Bewusstsein raubte. Er glaubte noch, Fesseln und Halteriemen an den Wänden des Raumes zu erkennen, da schlug Angelica die Tür zu.

      „Ein technischer Betriebsraum“, behauptete sie. „Er wird nur in besonderen Fällen benutzt und darf nicht geöffnet werden.“

      „Warum?“, wollte Jeremiah wissen, der sich schnell wieder erholte.

      „Gefährliche Strahlung oder so etwas Ähnliches“, sagte Angelica. „Unser Tee wird kalt.“ Sie zog Jeremiah mit sich zu dem Sofa, auf dem sie gesessen hatte. „Du handelst also mit magischen Gegenständen“, fuhr sie fort. „Erzähl mir davon.“

      „Das ist doch uninteressant. Warum baut dein Vater eigentlich Eisenbahnlinien mitten durch die Wüste?“

      „Die modernen Verkehrsmittel wie Eisenbahn, Dampfschiff und Ballon werden die Welt verändern“, begann Angelica, als würde sie einen vorbereiteten Vortrag halten. „Briefe, die früher Monate unterwegs waren, sind nun schon nach wenigen Wochen, manchmal sogar Tagen am Ziel. Selbst wenn sie um die halbe Welt geschickt werden. Auch Handelswaren werden heute von fast allen Ländern der Erde aus nach Europa und Amerika transportiert: Kakao aus Südamerika, Tee aus China, Erze und Edelmetalle aus den Minen Afrikas. Aber das Wichtigste ist, dass die Menschen zueinander kommen. Wir fahren heute bequem durch Ägypten und trinken Tee,“ – Angelica nahm einen Schluck aus ihrer Tasse –, „in einer Gegend, zu der bis vor wenigen Jahren nur wagemutige Entdecker mit einer Karawane gelangten. Bald wird man die ganze Welt bereisen können, ohne auf die Bequemlichkeiten des modernen Lebens verzichten zu müssen. Die Eroberung der Welt durch die Technik – so lautet das Lebensmotto meines Vaters, und das ist das Ziel, für das er arbeitet!“

      „Die Eroberung der Welt durch Magie ...“, setzte Jeremiah an und unterbrach sich. Zum Glück fiel ihm ein passendes Ende für den Satz ein: „... wäre das genaue Gegenteil davon.“

      „Nun, eigentlich steht zu erwarten, dass die Magie von alleine aus der modernen Welt verschwindet“, mischte sich Angelicas Vater ein, der mit einem Ohr zugehört hatte. „Sollte das jedoch nicht der Fall sein, so müsste man fast annehmen, dass es einen Kampf der beiden Mächte um die Herrschaft auf der Erde geben wird. Einen Kampf zwischen Magie und Technik.“ Er sah Jeremiah dabei scharf an.

      „Einen Kampf?“, fragte Jeremiah erstaunt. „Sie meinen ... einen Krieg?“

      „Nein. Für einen Krieg braucht man Armeen. Aber vielleicht einen Zweikampf zwischen den Repräsentanten der beiden Weltanschauungen. Ein Kräftemessen, das ein für alle Mal dafür sorgt, dass die rückständigen Ideen von Zauberei und Magie aus der Welt verschwinden.“

      Jeremiah lag die Frage auf der Zunge, ob Cyros einen Zweikampf mit Gonther Virlan im Sinn habe. Aber ein Diener trat ein und meldete, dass der Zug bald Alexandria erreichen werde. Cyros und Angelica verabschiedeten ihre Gäste.

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