Anja Pauli

Tausche Mann gegen Therapieplatz


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anderen standen bereits am Pavillon und wir teilten ihnen mit, dass wir noch jemanden suchen müssten, mit dem wir verabredet wären.

      So gingen wir also die ein Kilometer lange Bierzelte- und Schaubudenstraße ab und suchten und suchten.

      Die Möglichkeit jemanden auf einem Kirmesplatz dieser Größe nicht zu finden, zogen wir nicht in Betracht.

      Also suchten wir die sprichwörtliche Stecknadel im Heuhaufen, auch wenn mich die Äußerlichkeiten von Hajo als letztes an eine Stecknadel erinnern würden, schoss es mir in den Sinn.

      Nachdem wir dann diese Prachtstraße zweimal im dicksten Gedränge hinauf- und wieder hinabgelaufen waren, alles in neuen Schuhen, kamen wir auf den glorreichen Gedanken nachzu­fragen, wo denn die Travestieshows stattfänden.

      Man zeigte uns den Weg und siehe da, es war unser Ausgangspunkt.

      Wieder zurück stellten wir fest, dass nun auch unser Anhang bereits verschwunden war.

      Umso besser!

      Alexandra ließ sich zu einer weisen Prophezeiung herab.

      „Karina, wenn wir ihn heute nicht finden, dann ist das Schicksal, und am Schicksal soll man nicht drehen, allerdings sollten wir ihn finden ist es bestimmt der Mann deines Lebens.“

      Was soll man darauf schon antworten?

      Ich schaute Alexandra fragend an, doch der Platz auf dem sie eben noch stand war leer. Hatten mich jetzt alle verlassen?

      Suchend blickte ich mich um und sah sie hinter einem dickeren, großen Mann, sehr konservativ, vielleicht sogar altmodisch gekleidet stehen, dem sie die Augen zuhielt. Da wollte ich natürlich nicht stören.

      Der Mann drehte sich um und es war ... Hajo. Ich war platt.

      „Hey, is ja doll, dass ihr noch jekumme seid“, sagte er ehrlich erfreut. Und schon hatten wir jede ein Küsschen auf der Wange.

      „Übrijens, dat hier is der Markus, und das sind Karina und...“

      „... Alexandra“, beendete ich die Vorstellung.

      Er hatte sich also meinen Namen gemerkt.

      Fast ein bisschen enttäuscht merkte ich, dass die beiden wirklich alleine hier waren, ohne andere Frauen, und irgendwie hätte ich doch so gerne etwas gekämpft. Was wollte ich eigentlich?

      Hajo bestellte die Getränke und wir stellten uns unter einen Schirm, da es anfing zu regnen.

      „Komm Karina, wir tanzen“, sagte er.

      „Warum nicht?“ insgeheim hoffend, dass er nicht auf einer Linksdrehung bestand. Mein altes Problem, denn ich war nie in einer Tanzschule und beherrsche diesen Sport mehr schlecht als recht. Beim Paartanz komme mir immer ein wenig tollpatschig und ungelenk vor, wenn ich versuche mich auf meine Füße zu konzentrieren. Doch er ignorierte meinen zweifelnden Blick, packte mich und wir tanzten im Regen neben einem Bierpavillon Foxtrott. Bitte schön liebe Gina, das ist Romantik!

      Er schaute mir dabei irritierender Weise tief in die Augen.

      „Weißte, ein Blick in die Aujen is für mich zärtlicher als jede Berührung“, sagte er beinahe so leise, dass ich ihn nicht verstanden hätte. Ich schmolz dahin, allerdings bekam ich kein Wort mehr heraus. Geradezu typische für mich, denn in den entscheidenden Momenten schrumpft meine Vokabular, und was ich herausbrachte war ein „Hm, ja“, mit hoffentlich nicht allzuweit offen stehendem Mund.

      Er zog mich zu sich heran und küsste mich.

      Wow, und das unter freiem Himmel, im Regen, alles um mich versank... Dann, viel zu schnell, war das Lied zu Ende und schon war ich wieder auf den Boden der Realität zurückgekehrt.

      Was tue ich hier? Mein Gott, Karina, Du bist doch noch verheiratet. Wenn Dich jemand gesehen hat? Und alles vor den Augen unserer diplomierten Großlästerin Alexandra.

      Da war es wieder, mein schlechtes Gewissen und grinste mich hämisch an.

      Ich wollte weg, doch es war irgendwie zu schön!

      Morgen könnte ich es ja auch wieder beenden, doch den heutigen Abend sollte ich mitnehmen. Sebastian hat sich schließlich auch nie darum gekümmert wie ich mich fühle, wenn er mit anderen Frauen ausging, und nirgendwo steht geschrieben, dass eine hintergangene Ehefrau nicht auch mal einen Abend voller Komplimente und Zärtlichkeiten genießen darf. Also!!!

      Mein Lebensdurst hatte mein schlechtes Gewissen nach Punkten eindeutig besiegt.

      Es wurde noch eine sehr schöne Nacht und als wir uns verabschiedeten, wollte ich dann doch Farbe bekennen.

      „Hajo...“, begann ich, doch ein leidenschaftlicher Kuss unterbrach meine Erklärungen,

      „Also, wann sehen wir uns morjen?“ fragte er mich später, viel später.

      „Morgen kann ich nicht“, und ich sah in sein enttäuschtes Gesicht!

      „Aber übermorjen!?“ er wurde hartnäckig.

      „Okay, übermorgen, ich rufe dich an.“

      Wir tauschten unsere Telefonnummern aus und fuhren nach Hause.

      Zu Hause angekommen schlich ich mich leise in die Wohnung, damit meine Schwiegermutter nicht erfuhr, wann ich nach Hause kam.

      Aber diese Rechnung hatte ich ohne sie gemacht. Kaum hatte ich, so leise wie möglich, die Haustüre aufgeschlossen, als sie auch schon vor mir stand. Das hämische Grinsen meines schlechten Gewissens wechselte in schallendes Gelächter.

      Warum musste ich ihr jetzt gegenüberstehen? Wie muss es Sebastian ergangen sein, wenn er nach einer durchzechten Nacht in die Augen meiner Eltern blicken musste, ganz zu schweigen von meinen!?

      „Endlich, da bist Du ja. Wo bist Du so lange gewesen?“ schoss es mir entgegen.

      „Entschuldigung, ich bin bei Alexandra vor dem Fernseher eingeschlafen“, log ich.

      „Da bin ich ja beruhigt. Ich sah dich schon in den Armen eines anderen Mannes und ich dachte nun ist eure Ehe endgültig vorbei.“

      Konnte man es mir ansehen, oder ging jetzt nur ihre Fantasie mit ihr durch?

      „Monika“, ich versuchte ruhig zu bleiben, „auch wenn es so wäre, unsere Ehe ist längst vorbei, auch wenn du es nicht wahrhaben willst.“

      „Nein, an Deiner Stelle würde ich jetzt nicht so vorschnell handeln. Weißt Du wie oft ich schon so weit war wie Du es bist, aber dennoch sind Horst und ich jetzt schon über 30 Jahre glücklich verheiratet.“

      Natürlich handelte ich jetzt vorschnell. Die Beendigung meiner Ehe war mir gerade mal so beim Frühstücken eingefallen und ich dachte mir ,na ist doch mal was anderes, lässt du dich zur Abwechslung mal scheiden‘. Meine Güte, und jetzt käme gleich wieder ihre eigene Ehe-Leidensgeschichte, bei der ich dann jedes Mal überzeugt werden sollte, wie schön es doch ist einen Ehemann zu haben. Dies alles am Beispiel einer Ehe, die für mich die abschreckendste überhaupt war. Er ging ihr seit 30 Jahren fremd, und sie verschließt die Augen davor. Gekrönt wurde diese

      Liebesgeschichte dann noch durch absolute Respekt- und Lieblosigkeit zueinander.

      Nein danke, so blind wollte ich nicht werden!

      „Bitte Monika, ich bin müde, lass’ uns morgen weiterreden“, wiegelte ich sie ab und legte mich ins Bett.

      Knappe drei Stunden konnte ich schlafen, dann rief Robin nach seiner Mama, da Monika – wahrscheinlich aus lauter Boshaftigkeit – nach Hause fuhr.

      Den restlichen Tag verbrachte ich hundemüde und im völligen Widerspruch mit mir selbst. Einerseits wollte ich ihn wiedersehen und andererseits kam ich mir wirklich schlecht dabei vor!

      Etwas mit mir musste nicht ganz stimmen!

      Doch einmal wollte ich